Nach Annahme des RP6 richtet Busquin die Aufmerksamkeit nun auf EFR
"Ich war schon immer der Ansicht, dass das Sechste Rahmenprogramm [RP6] nur ein Schritt zur Schaffung eines Europäischen Forschungsraums ist", sagte EU-Forschungskommissar Philippe Busquin in einem Interview mit CORDIS-Nachrichten. Jetzt, da das RP6 angenommen ist, wird der Kommissar seine Aufmerksamkeit "natürlich" stärker auf das Erreichen dieses Endziels richten: das Bündeln von europäischen Ressourcen und Wissen zur Schaffung eines Europäischen Forschungsraums (EFR). Die Kommission hat bereits eine neue Mitteilung veröffentlicht, in der sie die Schritte zur Schaffung eines Europäischen Forschungsraums darlegt, und wird in Kürze zwei weitere Mitteilungen veröffentlichen. Am 16. Oktober wurde die Mitteilung "Der Europäische Forschungsraum: Ein neuer Schwung - Ausbau, Neuausrichtung, neue Perspektiven" veröffentlicht, in der die erzielten Fortschritte und die Bereiche für weitere Maßnahmen analysiert werden. Mitteilungen zum Entwicklungsstand des auf dem Gipfel von Barcelona vereinbarten Drei-Prozent-Ziels (Forschungsausgaben als Prozentsatz des BIP) sowie zur Rolle der Universitäten in der Wissensgesellschaft werden in Kürze folgen. "All diese Elemente tragen zum EFR bei", so Busquin. Der Kommissar ist sich über die Grenzen seiner Handlungsmöglichkeiten im Klaren. "Meine Rolle besteht darin, als Katalysator zu fungieren. Der Katalysator stimuliert", so Busquin gegenüber CORDIS-Nachrichten. Ein Bereich, in dem Busquin für das Erreichen seiner Ziele von der Unterstützung anderer abhängig ist, ist die Mobilität der Forscher. Unterschiedliche Kranken- und Sozialversicherungsbestimmungen bilden den Kern des Problems. Der Kommissar erkennt, dass die Kompetenz der EU in diesen Bereichen "nicht definiert" ist. "Die USA haben ein unabhängigeres Sozialsystem", bedauert Busquin. Der EFR wird "Schritt für Schritt" geschaffen, so Busquin. Er betonte, Dienste wie CORDIS seien für Forscher bereits "sehr hilfreich", da sie sich im Internet über Möglichkeiten in der Europäischen Forschung informieren können. Die Marie-Curie-Stipendieninitiative, die europäische Stellen für Forscher vor und nach der Promotion bereitstellt, hat ebenfalls die Mobilität gefördert. Busquin unterstützt auch die von François-Xavier de Donnea, Ministerpräsident der Region Brüssel-Hauptstadt in Belgien, vorgebrachte Idee eines "Europäischen Wissenschaftsvisums". Er erklärte, er arbeite mit seinem Kollegen António Vittorino, Kommissar für Justiz und Inneres, zusammen. Er warnt jedoch, "Wir haben keine Patentlösung. Es ist nicht so einfach." Busquin bestätigte, dass das Sechste Rahmenprogramm die Entwicklung des EFR fördern soll. Die neuen Instrumente zielen daher auf eine verstärkte Zusammenarbeit der Forscher ab. "Integration ist ein Parameter zur Bewertung der eingereichten Vorschläge für integrierte Projekte oder Exzellenznetze", so der Kommissar. Die kürzlich eingereichten Interessenbekundungen für das RP6 zeigten, dass das Verständnis der neuen Instrumente "weder zu gut noch zu schlecht" sei, so Busquin. Er sei zuversichtlich, dass sämtliche Missverständnisse geklärt werden, sobald die Aufrufe zur Einreichung von Vorschlägen veröffentlicht sind. Dies "ist der Zeitpunkt, wenn es darauf ankommt", sagt er. Busquin ist der Ansicht, dass der Aufruf zur Interessenbekundung aus zwei Gründen eine wertvolle Übung sei: er ermutige Forscher zur Bildung potenzieller Netzwerke und motiviere die jeweiligen Akteure, sich mit den Vorschlägen für das RP6 zu beschäftigen. Einzelheiten zu den neuen Instrumenten und anderen Aspekten des RP6 werden auf der Einführungsveranstaltung zum RP6 vom 11. bis 13. November in Brüssel vorgestellt. Die Veranstaltung hat zwei Ziele, erläuterte Busquin: Informationen zu vermitteln und als bedeutender Treffpunkt für die jeweiligen Akteure zu dienen. Der Weg zur Annahme des RP6 war nicht immer eben. Die letzte Schwierigkeit bestand in einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Mitgliedstaaten darüber, ob die EU die Forschung an menschlichen Embryos finanzieren soll. Ein im September erzielter Kompromiss in Form eines Moratoriums über derartige Forschung bis Ende 2003 wird die rechtzeitige Umsetzung des RP6 ermöglichen. Bis Dezember 2003 wird im Anschluss an Diskussionen zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten eine Liste von Bedingungen erstellt, in der genau angegeben sein wird, welche Arten von Forschung unter dem RP6 finanziert werden können und welche nicht. Busquin äußert sich zufrieden über den Kompromiss, da "es ein Kompromiss ist". Er räumt ein, dass er es vorgezogen hätte, wenn für bestimmte Arten von Forschung kein Verbot verhängt worden wäre. Er sehe jedoch ein, dass "ein Kompromiss notwendig war. Es bestand ein Problem." Er sehe den Kompromiss außerdem als eine "positive Formel", da er einen "demokratischen Dialog" beinhalten werde. Der Kommissar ist zuversichtlich, dass das Moratorium aufgehoben wird, gibt jedoch keine konkreten Prognosen dafür ab, was am Ende der Diskussionsperiode geschehen wird. "Der Kompromiss ist ein evolutionärer Mechanismus", behauptet Busquin. Selbst wenn die Mitgliedstaaten keinen gemeinsamen Standpunkt finden können, könnten einige kontroverse Aspekte der Stammzellenforschung in der EU zugelassen werden, deutete Busquin an. Dabei verwies er auf die Situation in den USA, wo Kalifornien kontroverse Formen der Stammzellenforschung betreiben wolle, selbst wenn Präsident Bush nicht damit einverstanden sei.