Multisensorische Rehabilitationsstratageme bei Schlaganfällen
Schlaganfallpatienten, die unter einem unilateralen Neglect leiden, einem Zustand, der sich durch ein Aufmerksamkeits- oder Wahrnehmungsdefizit auf einer Seite des Körpers kennzeichnet, haben schlechte Prognosen. Um Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, eine funktionelle Wiederherstellung zu ermöglichen, entwickelten und optimierten die EU-geförderten Wissenschaftler des Projekts EARLY RECOVERIES (Early multisensory rehabilitation of cognitive and perceptual functions for stroke patients with unilateral neglect) unter Verwendung eines multisensorischen Integrationsansatzes zur Linderung eines unilateralen Neglects Verfahrensweisen für die Verbesserung der Aufmerksamkeit. Die multisensorische Integration macht sich die Eigenschaft zunutze, sensorische Reize von mehreren Quellen zu verwenden, um die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung zu verbessern. Ein unilateraler Neglect, auch als hemispatialer Neglect bezeichnet, wirkt sich oftmals auf die komplexe Suchfähigkeit und das Arbeitsgedächtnis von Patienten aus. Bislang wurde im Zuge der meisten Studien lediglich die Wirksamkeit von multisensorischen Signalen bei einfachen Aufgaben getestet. Da sich die audiovisuelle Verbindung bei komplexen Such- und Arbeitsgedächtnisaufgaben uneindeutig gestaltet, bestimmten die Forscher, welche Reizparameter eine erhöhte Aufmerksamkeit bei gesunden älteren Erwachsenen ermöglichen. Es wurden zwei multisensorische Paradigmen für solche zentralen Beeinträchtigungen entwickelt: eine Suchaufgabe für die Wahrnehmung und eine Aufgabe für das räumliche Gedächtnis. Diese fortschrittlichen psychophysischen Methoden sind auf die Patientenleistung angepasst und wurden im Zuge einer großen Kohortenstudie unter Beteiligung von Patienten mit einem chronischen Schlaganfall getestet. Das EARLY-RECOVERIES-Team passte die multisensorischen Paradigmen an und integrierte diese in portable Geräte wie bspw. iPads für eine frühe Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Dies stellte einen bahnbrechenden Fortschritt dar. Die Tests halfen dabei, normative Lernniveaus für gesunde ältere Erwachsene und Schlaganfallpatienten einzurichten. Die Datensammlung für alle sechs vorläufigen Studien ist bereits abgeschlossen worden und Publikationsmanuskripte sind in Vorbereitung. Die Wirksamkeit einer multisensorischen Stimulation wurde zudem im Rahmen zweier klinischer Fallstudien getestet: An einem Patienten mit einer neurodegenerativen Erkrankung, welche sich auf Wahrnehmungsprozesse auswirkt und an einem Schlaganfallpatienten mit einer Broca-Aphasie sowie Schwierigkeiten beim Lesen und bei der Verarbeitung von Zahlen. Die Untersuchungsergebnisse heben die sehr großen Vorteile eines Trainings mit multisensorischer Stimulation für Schlaganfallpatienten mit Neglect sowie für weitere klinische Fallstudien hervor. Bereits einen Monat nach dem Schlaganfall konnten Trainingsvorteile im Hinblick auf Lernen, Leistungsgenauigkeit und Geschwindigkeit beobachtet werden. Der multisensorische Ansatz von EARLY RECOVERIES kommt Patienten mit Lern-, Wahrnehmungs- und kognitiven Beeinträchtigungen sowie der älter werdenden Bevölkerung zugute. Die klinische Umsetzung soll eine schnellere Wiederherstellung vereinfachen, um eine bessere funktionelle Unabhängigkeit und Lebensqualität zu erreichen.
Schlüsselbegriffe
Multisensorisch, Rehabilitation, Schlaganfall, unilateraler Neglect, EARLY RECOVERIES