Ethikexperten erwägen Einrichtung einer europäischen Beobachtungsstelle
Eine europäische Beobachtungsstelle für ethische Fragen der Naturwissenschaft sei notwendig, da die zurzeit laufenden Gespräche und Debatten auf nationaler Ebene keinerlei Auswirkungen auf europäischer Ebene haben, erklärte Barbara Rhode, Leiterin des Referats "Ethik in Wissenschaft und Forschung" der Europäischen Kommission, am 28. November gegenüber CORDIS-Nachrichten. Am 28. und 29. November trafen sich die Koordinatoren gesamteuropäischer Netze für die Ethik in der Naturwissenschaft bei einer Veranstaltung der Kommission in Brüssel, um über die Einrichtung einer solchen Stelle zu diskutieren, die im Aktionsplan "Wissenschaft und Gesellschaft" der Kommission vorgesehen ist. Konkrete Maßnahmen sollen 2003 eingeleitet werden. Eine engere Zusammenarbeit zwischen den Ethiknetzen auf europäischer Ebene ist Rhode zufolge aus Gründen der Toleranz wünschenswert: "Toleranz ist einer unserer wichtigsten europäischen Werte und wird durch Verständnis begünstigt", sagte sie CORDIS-Nachrichten. "Als Europäer sollten wir unvoreingenommen sein." Aktion 29 des Aktionsplans lautet: "Es wird eine Informations- und Dokumentationsstelle aufgebaut werden, die aufzeigen und analysieren soll, wie sich ethische Fragen in der Wissenschaft national und international entwickeln." Verschiedene Teilnehmer des Seminars halten eine fachlich versierte Beobachtungsstelle für wichtiger als einen Datenpool und regten daher die Bildung eines eigenen Teams an, das für das Sammeln von Daten zuständig ist. Professor R. Spier von der Firma Biotech schlug vor, die Kommission solle ein Team beschäftigen, das die EU-Mitgliedstaaten und die Beitrittsländer besucht, um für die Maßnahmen der Kommission zu werben. "Es gibt keine [Ethik-] Fachleute, die dazu in der Lage wären", sagte er. Rhode ist ebenfalls der Meinung, dass ein besonderes Team erforderlich wäre, das die entsprechenden Daten sammelt, widersprach jedoch der Aussage, Fachwissen sei wichtiger als Informationen. "Um ein Haus zu bauen, ist ein Informationssystem notwendig. Daten und Zugriff auf Daten sind unerlässlich, um Sachkenntnisse aufzubauen", sagte sie. "Zunächst muss eine Grundlage geschaffen werden. Dabei benötigen wir nicht entweder Sachkenntnisse oder Daten, sondern beides." Francisco Perez-Trejo von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen schloss sich dieser Aussage an: "Dass eine Beobachtungsstelle bestehen sollte, steht außer Frage. Dies ist eher eine Erfordernis als eine Möglichkeit", sagte er. "Sie würde Organisationen helfen, sich weiter zu entwickeln. Sie könnte zum Aufbau und zur Stärkung von Netzen beitragen. Daraus ergeben sich dann zahlreiche Informationsanforderungen", fügte er hinzu. Die Beobachtungsstelle würde den Zugriff auf Daten vereinfachen, Informationen sammeln und die ethischen Kriterien für die Bewertung von Projektvorschlägen für das Sechste Rahmenprogramm (RP6) bestimmen. Die Kommission ist auf diesem Gebiet bereits tätig geworden und hat EURETHNET, das europäische Datennetz für Ethik in der Medizin und Biotechnologie, finanziert. An diesem Netz sind Einrichtungen in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Spanien, Schweden und dem VK beteiligt. Es ist als virtueller Zusammenschluss mehrerer Datenbanken mit den gleichen Strukturen aufgebaut und umfasst einen Thesaurus zur Suche nach mehrfachen Kriterien und zur vergleichenden Datensuche. EURETHNET stellt Akademikern, Forschern, Entscheidungsträgern und Verbrauchern über ein Internetportal Informationen zur Ethik in der Biomedizin und Biotechnologie und entsprechenden rechtlichen Fragen zur Verfügung. Das Netz soll die Dokumentationsstandards und -verfahren harmonisieren und gleichzeitig beim Inhalt den ethischen Pluralismus wahren.