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Inhalt archiviert am 2023-01-13

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Alternativen zu Tierversuchen wegen bevorstehenden Inkrafttretens des neuen Regelwerks für Chemikalien immer dringender benötigt

Am Tag der Veröffentlichung des Entwurfs der Kommission für das neue Regelwerk für Chemikalien kamen Vertreter der Industrie, der europäischen Einrichtungen und der Tierschutzorganisationen im Europäischen Parlament zusammen, um die voraussichtlichen Auswirkungen dieser neuen ...

Am Tag der Veröffentlichung des Entwurfs der Kommission für das neue Regelwerk für Chemikalien kamen Vertreter der Industrie, der europäischen Einrichtungen und der Tierschutzorganisationen im Europäischen Parlament zusammen, um die voraussichtlichen Auswirkungen dieser neuen Gesetze auf Tierversuche zu diskutieren. Professor Coenraad Hendriksen von der Universität Utrecht (Niederlande), Tierschutzbeauftragter am Impfinstitut des Landes (NVI) und Leiter des Netherlands Centre for Alternatives to Animal Use (NCA), hielt einen Vortrag über die Art und Weise des derzeitigen Einsatzes von Tieren in der Forschung, erläuterte das so genannte "3R-Konzept" - Replacement, Reduction and Refinement (Ersatz, Verminderung und Verbesserung) - und forderte, der Suche nach Alternativen einen höheren Stellenwert auf der politischen Agenda einzuräumen. Das neue Regelwerk für Chemikalien fordert von den Unternehmen eine Bewertung der mit ihrem Einsatz von Chemikalien verbundenen Risiken und zielt auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt über eine EU-weite neue Regelung ab. Diese neuen Anforderungen haben jedoch eine gewaltige Zunahme der Forschungsarbeiten über Chemikalien zur Folge, bei denen zum Großteil Tiere beteiligt sind. "Den Alternativen zu Tierversuchen muss mehr Aufmerksamkeit als bisher geschenkt werden. Ein stärkeres Bewusstsein für das "3R-Konzept" muss zu einer neuen europäischen Gesetzgebung führen, durch die die nationalen Verfahren verbessert werden. Das Weißbuch Chemikalienpolitik lässt dies noch dringender erscheinen", so das niederländische MdEP Bob van den Bos, der Veranstalter des Seminars. 1999 wurden in der EU über neun Millionen Tiere zu Versuchszwecken eingesetzt, rund zwei Millionen weniger als 1996. Die meisten Tiere werden in der Grundlagenforschung eingesetzt, gefolgt von der Entwicklung von Medikamenten und der Qualitätskontrolle. Über 50 Prozent der eingesetzten Tiere sind Mäuse. Auch Ratten werden in großer Zahl verwendet, nebst einer geringeren Anzahl von Wirbellosen, Primaten, Vögeln und Raubtieren. Laut Professor Hendriksen werden die im vorgeschlagenen Chemikalien-Regelwerk vorgesehenen regelmäßigen Tests routinemäßig unter Einsatz einer hohen Zahl von Tieren je Test, oft zwischen 120 und 150, durchgeführt. Rund zehn Prozent der regelmäßigen Tests auf Toxizität sind mit hochgradigen Schmerzen und Leiden für die betroffenen Tiere verbunden, während 17Prozent der Tests für biologische Produkte ebenso qualvoll seien, erklärte er. Obwohl Simon Webb vom European Chemical Industry Council (CEFIC) die Bereitschaft seiner Organisation zur Zusammenarbeit mit anderen Beteiligten bei der Reduzierung der Zahl der "verbrauchten" Tiere bekundete, forderte Emily McIvor von der Europäischen Koalition zur Beendigung von Tierversuchen vom CEFIC die Bereitstellung von Mitteln, Labors und Personal für die Forschung über Alternativen zu Tierversuchen. "Initiativen sind willkommen, aber Initiativen hat es schon immer gegeben. Was wirklich gebraucht wird, ist Geld. Wir wünschen uns weniger leere Versprechungen", sagte sie. Obwohl Professor Hendriksen sehr bemüht ist, Alternativen zu Tierversuchen zu entwickeln, gab er zu: "Das Leben wäre weniger sicher als heute, wenn wir jetzt mit den Versuchen aufhören würden." Er verwies auf den Beitrag von Tierversuchen bei der Ausrottung gewisser Krankheiten in den Industrieländern wie Typhus, Tuberkulose, Cholera und Gelbfieber. Professor Hendriksen machte aber auch die Nachteile von Tierversuchen deutlich. Die Experimente sind extrem kostspielig und zeitraubend, und die Ergebnisse sind oft unterschiedlich, wenn die Experimente an verschiedenen Zuchtlinien der gleichen Tierart vorgenommen werden. Außerdem ist fraglich, ob diese Ergebnisse unverändert auf den Menschen übertragbar sind. In dem Vortrag wurden auch die ethischen Aspekte der Tierversuche angesprochen. "Was berechtigt uns dazu? Haben [Tiere] nur einen instrumentellen oder auch einen intrinsischen Wert?", fragte er. Das "3R-Konzept" kann durch den Einsatz von Gewebekulturen, Computermodellen, Versuche an Freiwilligen und wirbellosen Organismen (Ersatz), Optimierung der Testverfahren und bessere statistische Methoden (Verminderung) sowie Anästhesie, Analgesie und bessere Haltung (Verbesserung) umgesetzt werden. Für die Entwicklung von Ersatzexperimenten gibt es Hindernisse, insbesondere bei gesetzlich vorgeschriebenen Tests. Jedes neue Verfahren muss vorvalidiert, validiert und genehmigt werden, bevor es umgesetzt werden kann. Der ganze Prozess kann bis zu 18Jahre dauern, wie dies bei einem von Professor Hendriksen und seinem Team entwickelten alternativen Testverfahren für Tetanusimpfstoffe der Fall war. Professor Hendriksen macht den Mangel an wissenschaftlichen Hilfsmitteln und Finanzen, die geringe Bedeutung, die dem Thema von Forschungsinstituten zugemessen wird, sowie die negative Kosten-Nutzen-Bilanz auf Grund des mit derartigen Forschungsarbeiten verbundenen hohen Risikos für die mangelnden Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen verantwortlich. Daher empfiehlt er unter anderem, diesem Thema einen höheren Stellenwert auf der politischen Agenda, so auch im Sechsten Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Kommission, einzuräumen, finanzielle Hindernisse für neue Forschungsarbeiten zu beseitigen, die Leitlinien zu harmonisieren und den Datenaustausch zu fördern. Tatsächlich hat John Williams, Vertreter der Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung (COST), verlauten lassen, dass seine Organisation zurzeit mit dem Europäischen Zentrum für die Validierung von Alternativmethoden (ECVAM) über die Einrichtung eines Netzwerks zur Datensammlung verhandelt. Ein solches Netz ist unbedingt notwendig, da alle erforderlichen Daten für die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen zurzeit im Besitz von Pharmaunternehmen sind. "Wenn wir die Daten nicht bekommen, müssen wir mit den Experimenten wieder ganz von vorn anfangen", so Williams. Zum Abschluss des Seminars forderte Professor Hendriksen die Forscher auf, die Punkte Verminderung und Verbesserung umzusetzen, solange kein Ersatz für Tierversuche gefunden werden kann. Am 12.Mai wird das für Forschung zuständige Mitglied der EU-Kommission, Philippe Busquin, neue alternative Verfahren zu Tierversuchen vorstellen, die von einem EU-finanzierten Projekt entwickelt wurden.