Kommission verfasst Buch zu Zukunftsvisionen zur Inspiration von IKT-Entscheidungsprozessen
Das Hauptthema der Veranstaltung IST 2003 vom 2. bis 4. Oktober in Mailand lautete "The Opportunities Ahead" (Die künftigen Chancen), aber nur wenige schauten soweit in die Zukunft wie die Gruppe von Experten und Entscheidungsträgern, die einen Workshop organisierten, in dessen Rahmen ein von der Kommission geleitetes IST-Projekt, das als das "Vision Book" bekannt ist, vorgestellt wurde. Das Projekt "Vision Book" wird von der Direktion C der GD Informationsgesellschaft der Kommission verwaltet, die sich auf die nächste Generation der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) konzentriert und untersucht, wie IKT vorrangige Bereiche wie Gesundheit, Verkehr, Umwelt und Regierung fördern können. Die Rolle des Vision Book besteht darin, die mögliche Zukunft dieser Politikbereiche zu untersuchen, um eine alternative Perspektive zu erhalten und möglicherweise einen Quantensprung in der allgemeinen Auffassung zu fördern. Der Projektkoordinator der Kommission Jakub Wejchert gab folgende Erklärung ab: "Das Vision Book ist eine Form von Experiment innerhalb der Kommission, wie der Entwurf eines Konzeptautos es für einen Motorhersteller ist." Das Ziel eines Konzeptautos, so Wejchert, bestehe nicht darin, gebaut zu werden, sondern mögliche künftige Entwicklungen zu erforschen und als Katalysator für Änderungen zu fungieren. Die Visionen selbst werden auf 25 bis 30 Expertenbeiträgen basieren, die sich auf Themen konzentrieren, die im Anschluss an eine Reihe von Workshops wie Krieg und Frieden, Big Brother und Mobilität bereits vereinbart wurden. Das Ziel besteht darin, das Buch selbst im Juni 2004 zu veröffentlichen und dann Feedback von den wichtigsten Zielgruppen, einschließlich Politikern, Forschern, Industriefachleuten und der Gesellschaft im Allgemeinen, zu erbitten. Eine Reihe der Fachreferenten war bei dem Workshop anwesend, um den Delegierten einen Vorgeschmack auf das endgültige Buch zu liefern. Roberto Saracco vom Forschungslabor der Telecom Italia präsentierte eine Reihe von Visionen über die Zukunft der Herstellung und Produktion. In den letzten 50 Jahren, so Saracco, habe der Schwerpunkt auf der Umwandlung von Atomen in Objekte gelegen, er sei jedoch der Meinung, dass die Produktionsverfahren der Zukunft sich auf die Atome selbst verlassen werden. Saracco forderte das Publikum auf, sich eine Zukunft vorzustellen, in der die Mehrheit der Produkte Atomschicht für Atomschicht gemäß den individuellen Spezifikationen konstruiert würde, von Kleidern und Möbeln bis hin zu biologischen Ressourcen wie Ersatzorganen. Obwohl solche Visionen wie Science Fiction klingen, betonte Saracco, dass die Forscher bereits genetisch identische menschliche Haut auf der Grundlage einer Probe im Labor züchten könnten und dass Bücher nach Einzelbestellungen in Teilen der Welt heruntergeladen und gedruckt würden, anstatt im Voraus in Massenproduktion zu gehen. In einer Gesellschaft, in der solche Verfahren Realität wären, würden die Produktions- und Vertriebsketten über die Wahrnehmung hinaus verändert und der Wert würde sich von den Produkten hin zum geistigen Eigentum hinter diesen verschieben, meint Saracco. Ayman El Fatatry von BAE Systems wurde aufgefordert, seine persönliche Meinung darüber zu äußern, wie unsere Erfahrung von Konzepten wie Zeit und Krieg sich in Zukunft ändern würden. Trotz der Schwierigkeit, Veränderungen von Konzepten vorherzusagen, kreierte Fatatry den Kontext, indem er eine Welt mit begrenzten Ressourcen, einer größeren Bevölkerung und fortschrittlicherer Technologie in allen Lebensbereichen beschrieb. Das Fortschreiten der virtuellen Realität werde potenziell die größten Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung von Zeit haben, so Fatatry. Mit der Eröffnung der Möglichkeit virtueller Gedächtnisimplantate oder Zeitreisen durch die Technologie würden die Menschen beginnen, die Unbegrenztheit der Zeit wahrzunehmen. Eine andere Möglichkeit, so Fatatry, bestehe darin, dass die Technologie nicht eingesetzt würde, um unser quantitatives Verständnis von Zeit zu ändern, sondern um die Freude und das Vergnügen, die wir durch unsere Freizeit erfahren, zu maximieren und somit unsere qualitative Wahrnehmung der Zeit zu verändern. Fatatry stellte sich weiter vor, dass die Kriege der Zukunft, beschränkt durch begrenzte finanzielle und natürliche Ressourcen, entfernt und autonom geführt würden und dass es sich um einen Kampf um technologische Vorherrschaft handeln würde, mit Wissen und Intelligenz als wichtigste Waffen. Beim Versuch, den Unterschied zwischen solchen Zukunftsvisionen und dem eher akzeptierten Verfahren der Technologie-Vorausschau zu erklären, betonte Wejchert, dass Visionen im Grunde die Tatsache anerkennen würden, dass die Zukunft nicht vorhergesagt werden kann. "Das Vision Book soll kein formeller Bestandteil des Entscheidungsfindungsprozesses sein, Vorausschau-Programme und andere Aktivitäten erfüllen diese Rolle bereits. Es soll sich stattdessen um eine Ergänzung handeln", sagte er. "Es geht eher darum, die Denkweisen der Entscheidungsträger zu öffnen und den Menschen Inspirationen zu geben. Hierzu ist Gedankenfreiheit von entscheidender Bedeutung."