MdEP informieren sich über die sozioökonomische Bedeutung der Chemie in Europa
Kurz vor dem Beginn der Diskussionen im Europäischen Parlament über den Vorschlag für eine neue EU-Verordnung für Chemikalien hatte der Präsident der britischen Royal Society of Chemistry (RSC) am 28. Januar Gelegenheit, den EU-Parlamentariern die sozioökonomische Bedeutung der Chemie in Europa aus seiner Sicht zu erläutern. Veranstalter des Seminars waren AllChemE, der Zusammenschluss der chemischen Wissenschaften und Technologien in Europa, und der britische EP-Abgeordnete David Bowe. Bowe begrüßte den Zeitpunkt der Veranstaltung, die somit die laufende Diskussion über den REACH-Vorschlag (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung der Anwendung chemischer Erzeugnisse) bereichere. "Jetzt, unmittelbar bevor das Parlament über die REACH-Vorschläge, den bisher umgangreichsten EU-Rechtstext, debattiert, ist ein geeigneter Zeitpunkt für dieses Treffen", sagte Bowe. Gleichzeitig wies er jedoch darauf hin, dass die Vorschläge wegen der anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament wohl erst im Frühjahr 2005 in erster Lesung behandelt würden. "Die Chemie betrifft jeden Aspekt des Lebens und ist Grundlage von sämtlichen biologischen Prozessen im Körper", sagte Dr. Simon Campbell von der RSC zu Beginn seines Vortrags. "Sie ist außerdem von zentraler Bedeutung für den Erfolg der EU, denn sie trägt dazu bei, Gesundheit, Wohlstand und Umwelt zu erhalten." Dr. Campbell wies außerdem darauf hin, dass die Chemieindustrie insgesamt 2,4 Prozent des BIP in der EU erwirtschaftet; Europa sei zwar immer noch der wichtigste Hersteller und Verbraucher von chemischen Produkten weltweit, Asien mache jedoch rasante Fortschritte: "Der Anteil Asiens am weltweiten Handel mit Chemikalien steigt um 4,9 Prozent pro Jahr, derjenige der EU nur um 1,6 Prozent. Dies bedeutet, dass Europa spätestens 2015 seine Führungsrolle in diesem Sektor abgeben wird." Dies sei auf die unzureichenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen, die derzeit für die Chemieindustrie in der EU gelten, so Dr. Campbell. Grundsätzlich befürworte er die vorgeschlagenen REACH-Rechtsvorschriften, sofern sie stimmig seien. Positiv falle auf, dass REACH die Risikobeurteilung von Chemikalien verbessern, die Bürokratie zurückfahren, Synergie zwischen bestehenden Vorschriften herstellen und einen Beitrag zur Verringerung von Tierversuchen leisten wird, sagte er. Allerdings warnte Dr. Campbell davor, dass die Auflage, wonach alle in die EU importierten Chemikalien in Mengen von mehr als einer Tonne gründlich untersucht werden müssen, eine hohe finanzielle Belastung der Branche darstellen würde, die zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit ginge und zwangsläufig zu mehr Tierversuchen führte. Die RSC vertrete die Position, dass die REACH-Vorschläge nicht zur Rücknahme nützlicher Medikamente vom Markt führen dürften, die Bestimmungen über Chemikalientests auf einer Bewertung des eigentlichen gesellschaftlichen und ökologischen Risikos statt lediglich ihrer spezifischen Gefahr basieren sollten und die neuen Bestimmungen die Innovation nicht behindern dürften. Dr. Campbell erinnerte an die Worte der amtierenden Präsidentin des Rates "Wettbewerbsfähigkeit" und irischen Ministerin für Unternehmen, Handel und Beschäftigung, Mary Harney, die gesagt hatte: "Die Chemieindustrie ist nicht unser Feind, sondern eine innovative Branche, die nicht durch übermäßige Bürokratie behindert werden darf." Außerdem, so Dr. Campbell, sei die Chemieindustrie weltweit präsent. Würde der Sektor von den Rechtsvorschriften in der EU begünstigt, würde sich der Handel nach Europa, wenn nicht, auf andere Kontinente verlagern. Forschungskapazitäten und Investitionen gingen dorthin, wo die Wirtschaft am meisten floriert, fügte er hinzu. Würde die Wettbewerbsfähigkeit dieser Branche nicht gewährleistet, wäre dies außerdem ein Widerspruch zum Ziel der EU, die Forschungsausgaben auf drei Prozent des BIP zu erhöhen. "1995 hat die EU-Pharmawirtschaft 26 Prozent ihrer gesamten Forschungsmittel außerhalb der Union ausgegeben. 1999 waren es bereits 34 Prozent, und zurzeit gehen 41 Prozent der Forschungsaufwendungen von Unternehmen aus der EU in andere Erdteile. "Die europäische Chemieindustrie verdient unsere Anerkennung, und wenn neue Gesetze vorgelegt werden, sollten diese die Branche fördern, nicht behindern", sagte Dr. Campbell abschließend.