Internationales Konsortium entschlüsselt Rattengenom
Ein internationales Konsortium von Wissenschaftlern hat jetzt das Genom der Laborratte (auch BN-Ratte) entschlüsselt, was Voraussagen zufolge der medizinischen Wissenschaft und unserer Kenntnis von der Evolution Auftrieb geben wird. Das Rattengenom ist nach dem des Menschen und dem der Maus die dritte DNA-Sequenz eines Säugetieres, die entschlüsselt wurde. Seine Entschlüsselung hatte für die Forscher aufgrund der weit verbreiteten Verwendung von Ratten in der medizinischen Forschung Priorität. Die Sequenz wird in dem Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht. Sie besteht aus ungefähr 25.000 Genen, von denen 90% auch bei Mensch und Maus vorkommen. Dies bedeutet, dass nahezu alle Gene des Menschen, die bei der Entstehung von Krankheiten eine Rolle spielen, ihre Entsprechung bei der Ratte haben. Dies soll bessere Rattenmodelle für die Erforschung menschlicher Krankheiten gewährleisten und neue Ziele für Behandlungen liefern. "Man kann die Bedeutung, im Besitz einer so kompletten Datenbank wie dieser zu sein, nicht überbetonen," erläutert Dr. Richard Gibbs vom Baylor College of Medicine in Houston, USA, der die internationalen Entschlüsselungsbemühungen koordiniert hat. Teams aus verschiedenen Einrichtungen im Vereinigten Königreich, Deutschland und Schweden waren an dem Projekt beteiligt. Das Rattengenom wurde durch die Kombinierung der Methoden aus den Mensch- und Mausgenom-Projekten entschlüsselt und analysiert, um einen besonders hohen Grad an Genauigkeit zu bewirken. "Das macht sie effizienter und genauer als vorherige Genomsequenzen," fügt Dr. Gibbs hinzu. Die Entschlüsselungsbemühungen haben bereits zu einigen interessanten Entdeckungen geführt. So gibt es z. B. unter den 10 Prozent der Rattengene, die keine Entsprechung im dem menschlichen Erbgut haben, eine Anzahl von Genen, die den Code für Geruchsrezeptoren ausmachen, was den außerordentlichen Geruchssinn dieser Nagetiere erklären könnte. Ratten besitzen außerdem mehr Gene, die Toxine abbauen können, als wir Menschen, was sich auf die Arzneimitteltests auswirken könnte. Sollten Ratten tatsächlich in der Lage sein, Toxine besser abzubauen als der Mensch, müssen die Forscher das Verwenden von Ratten in Toxizitätstests für menschliche Arzneimittel neu bewerten. Vergleiche zwischen den Rattengenomen und den menschlichen Genomen lassen außerdem vermuten, dass das Tempo der Evolution bei den Nagetieren bis zu dreimal schneller als das der Menschen ist, da das Erbgut der Ratte weitaus vielfältiger ist. Es kann an dieser genetischen Vielfalt liegen, dass Ratten weltweit eine große Bandbreite an Lebensräumen bevölkern. In dem Bemühen, tiefere Einblicke in die Evolution zu bekommen, werden Dr. Gibbs und seine Kollegen ihr Augenmerk nun auf die Entschlüsselung der Genome von Rind, Rhesusaffe und Seeigel legen. "Dies sollte uns dabei helfen, unsere evolutionsgeschichtlichen Vergleiche zu verfeinern," schloss Dr. Gibbs.