Neue Technologieplattform bildet ersten Teil einer Vision für die Pflanzenbiotechnologie
EU-Forschungskommissar Philippe Busquin begrüßte eine langfristige Vision (über 20 Jahre) für die Zukunft der Pflanzenbiotechnologie in Europa, die von Vertretern aus Industrie, Forschung, Landwirtschaft und Verbraucherorganisationen erarbeitet und ihm am 24. Juni in Brüssel vorgestellt wurde. Das Visionspapier stellt den ersten Schritt zur Einrichtung einer Technologieplattform für die Pflanzenbiotechnologie in den kommenden Monaten dar. An dieser Technologieplattform werden sowohl die Akteure, die die Vision entwickelt haben, als auch Vertreter der Mitgliedstaaten und andere Experten beteiligt sein. Die Hauptaufgabe liegt in der Entwicklung einer strategischen Forschungsagenda für diesen Sektor. "Angesichts der heutigen bedeutenden Herausforderungen auf europäischer und globaler Ebene müssen wir den Pflanzen neue Aufmerksamkeit zukommen lassen", so Busquin in einem Vorwort zum Visionsdokument. "Die wachsende Weltbevölkerung muss ernährt und die steigende Nachfrage nach qualitativ hochwertigen, sicheren und erschwinglichen Nahrungsmitteln befriedigt werden. [...] Der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft, die zum großen Teil auf erneuerbaren Ressourcen basiert - der "bio-basierten" Wirtschaft - ist unvermeidbar und gleichzeitig wünschenswert." Neben Busquin begrüßten auch weitere hochrangige Persönlichkeiten die Vision, so beispielweise Feike Sijbesma, Vorsitzender der europäischen Biotechnologie-Vereinigung EuropaBio, und Andrzej Legocki, Präsident der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Dokuments erinnerte Professor Legocki die Journalisten daran, dass in den vergangenen Jahrzehnten die europäischen Forscher Pioniere in Sachen Pflanzenbiotechnologie gewesen seien und erklärte, dass es nun an der Zeit sei, das gewonnene Wissen zugunsten der europäischen Verbraucher, der Industrie sowie der Landwirtschaft anzuwenden. "Wir müssen Programme ins Leben rufen, die auf die Forschung in zentralen Bereichen ausgerichtet sind. Zudem müssen Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zur Entwicklung neuer Produkte gefördert werden", erklärte Professor Legocki. Er gab an, dass die Arbeit der Technologieplattform einem auf drei strategischen Prioritäten basierenden Plan folgen werde: Produktion qualitativ besserer, gesunder und bezahlbarer Nahrungsmittel; Förderung von Nachhaltigkeit in Landwirtschaft und Umwelt; Steigerung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit durch Förderung der Grundlagenforschung. In der Vision werden sowohl die kurz- bis mittelfristigen als auch die mittel- bis langfristigen Meilensteine für die Pflanzenbiotechnologie in Europa genannt. Bis 2015 ist die Einrichtung von Pflanzengenomik-Grundlagenforschungsprogrammen für die wichtigsten in der EU angebauten Saatgüter vorgesehen, wobei der Schwerpunkt der Projekte auf der Verbesserung von Lebens- und Futtermitteln liegt, sowie von Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zur Entwicklung von landwirtschaftlichen, Nahrungsmittel-, Energie- und Biomaterialprodukten. Bis 2025 besteht die Vision der Erarbeitung einer umfassenden Wissensbasis zur Genomik, die sämtliche strategisch wichtigen Saatgüter in der EU, höherwertige Saatgutsorten zur Deckung des Bedarfs von Verbrauchern und Umwelt sowie Partnerschaften mit Entwicklungsländern zur Förderung von Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit abdeckt. Andere Herausforderungen, die durch die Forschungsarbeit bewältigt werden sollen, umfassen die Steigerung der Biodiversität, die Senkung der Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt, die Verbesserung der Koexistenz sowie die Entwicklung effizienterer Biobrennstoffe. Kommissar Busquin erklärte, dass er aus verschiedenen Gründen sehr froh sei, diese Initiative zu unterstützen. Er betonte die enorme wirtschaftliche Bedeutung von Pflanzen und aus Pflanzen gewonnenen Produkten für Europa, wies jedoch gleichzeitig auf die stagnierenden Investitionen und die beunruhigende Abwanderung von Forschern und Unternehmen im Biotechnologiebereich aus der EU in Drittländer hin. Mit der Aussage, dass die Vision für die Technologieplattform fünf oder zehn Jahre zu spät komme, um diese Tendenzen noch umzukehren, war Busquin jedoch nicht einverstanden: "Wir starten nicht ohne irgendwelche Grundlagen. Es wurde bereits viel Forschung unter dem vorrangigen Themenbereich "Lebensmittelsicherheit" sowie im Rahmen des Projekts ERA-NET zur Pflanzengenomik betrieben. Wir müssen jedoch Anstrengungen unternehmen, um die Forschung in diesem Bereich weiter voranzutreiben." Dr. Indridi Benediktsson zählte zu den Vertretern der Kommission in der Gruppe, die das Visionspapier erarbeitete. CORDIS News fragte ihn, ob er mit dieser Bewertung einverstanden sei. "Ich denke, dass die Technologieplattform genau zur richtigen Zeit kommt, da wir nun über den erforderlichen rechtlichen Rahmen verfügen, den notwendigen politischen Willen sowie die Unterstützung der Sektoren Biotechnologie und Forschung." Alle Anwesenden gaben sich Mühe klarzustellen, dass es sich nicht um eine Vision zur Förderung gentechnisch veränderter Organismen handele, obgleich die GVO nicht von der Agenda ausgeschlossen werden. Sie betonten außerdem, dass durch die Beteiligung von Verbraucherorganisationen an der Plattform die Bedenken und Ansichten der Verbraucher bei diesem Vorgang einbezogen werden. Dem Kommissar wurde jedoch die Frage gestellt, warum keine Anti-GVO-Interessengruppen an der Plattform beteiligt wurden, um ihre von vielen Europäern geteilte Meinung zu vertreten. "Diese Plattform ist für Akteure im Bereich F&E bestimmt, wir sind daher nicht verpflichtet, diejenigen einzuladen, die über keinerlei Fachkenntnisse in der Forschung verfügen. Die Kommission wird sich weiterhin mit NRO [Nichtregierungsorganisationen] und Umweltorganisationen beraten, aber denjenigen, die in diesem Bereich Fortschritte erzielen wollen, muss die Zusammenarbeit freistehen." Busquin fügte hinzu, dass in Europa weltweit die strengsten Gesetze in Bezug auf GVO gelten und dass die Verbraucher immer die Möglichkeit haben werden, zwischen gentechnisch veränderten Organismen und konventionellen Lebensmitteln zu wählen, und zwar über das neue Kennzeichnungssystem der EU. Die europäische Vision für die Pflanzenbiotechnologie wurde auch von Professor Mohamed Hassan begrüßt, dem Executive Director der Akademie der Wissenschaften der Dritten Welt (TWAS). Dieser erklärte, dass die wachsende Partnerschaft mit Europa den Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika, die Möglichkeit bieten werde, in diesem Sektor ihre Kapazitäten zu entwickeln. "Viele Länder sind auf diesem Gebiet nur sehr wenig aktiv, da sie nicht über die wissenschaftlichen Kapazitäten verfügen, die Technologie selbst zu beurteilen." Er argumentierte, dass die Entwicklungsländer eine wissenschaftliche Infrastruktur aufbauen und einen Beitrag zu den weltweiten Forschungsbemühungen leisten können, wenn man sie z.B. mit den Ressourcen für die Durchführung der arbeits- und zeitintensiven genetischen Sequenzierung ausstattet. "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Mehrheit der weltweiten Pflanzenvielfalt in den ärmsten Ländern zu finden ist", schloss Professor Hassan. Mit dieser Vision über die bevorstehenden Herausforderungen und Meilensteine hofft die Kommission, dass die Biotechnologie-Branche in Europa nun über die notwendige Grundlage verfügt, um ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.