Internationale Atomenergiebehörde warnt vor Verlust an Wissen in der Nuklearindustrie
In ihrem am 9. August veröffentlichten Jahresbericht für das Jahr 2003 hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ihre Besorgnis über den steigenden Altersdurchschnitt der Mitarbeiter in der Nuklearindustrie und den Mangel an Vorlesungen und universitären Lehrveranstaltungen zu den Nuklearwissenschaften zum Ausdruck gebracht. Die Behörde fordert mehr Engagement, um das vorhandene Wissen zu erhalten und zu managen. Die IAEA fordert ihre Mitgliedstaaten auf, mehr Forschungsinvestitionen zu tätigen, um innovative Technologien in diesem Bereich zu entwickeln und neue Anwendungsbereiche der Nukleartechnologie zu erschließen, die nicht mit der Energieerzeugung in Verbindung stehen. "Seit dem Ende der 80er Jahre hat sich die Erzeugung von Atomstrom in etwa dem gleichen Maße erhöht wie die Stromerzeugung insgesamt [...]. Die schnelle Expansion in den 70er und frühen 80er Jahren gehört jedoch der Vergangenheit an. Viele Universitäten - und Regierungen - haben ihre Unterstützung für das Studium der Nuklearwissenschaften und -technologien inzwischen merklich zurückgefahren oder ganz eingestellt", so die IAEA in ihrem Jahresbericht. Angesichts der großen Zahl an Kernkraftwerken (439 weltweit) und des Bedarfs an einer neuen Generation von Kraftwerken werde es für Länder mit nuklearen Anlagen nun jedoch zunehmend wichtig, sich mit der "Nachfolgeplanung in der Nuklearindustrie zu befassen um sicherzustellen, dass eine neue Generation jüngerer Menschen mit der geeigneten Ausbildung und den geforderten Fähigkeiten die immer älter werdenden Mitarbeiter in der Nuklearindustrie ablösen kann", fügt die IAEA hinzu. Die Erhaltung des vorhandenen Wissens in der Nuklearindustrie müsse daher für alle Mitgliedstaaten an oberster Stelle der Prioritätenliste stehen um sicherzustellen, dass das Wissen und die Fähigkeiten der aktuellen Generation erfahrener Mitarbeiter effektiv an die nächste Generation übertragen werden. Nach Aussage der IAEA ist es darüber hinaus wichtig, prozessgesteuerte Anwendungen zu entwickeln und Wissensdatenbanken mit schnell abrufbaren Reaktordaten und -informationen anzulegen, um die zukünftige Arbeit in diesem Bereich zu unterstützen und den Verlust von Daten und Wissen zu verhindern. Ferner müssen mit Sicht auf die nächsten 30 bis 40 Jahre die Abrufbarkeit der Daten gesichert sowie Software- und Hardwarestandards zur Datenerhaltung entwickelt werden. Die IAEA stellt ferner fest, dass die Zukunft der Kernenergie von zwei Faktoren abhänge. Zunächst gebe es den "kritischen Faktor" des Managements und der Entsorgung nuklearer Rückstände und radioaktiver Abfälle. Diese Frage sei in der Tat überlebenswichtig "im Hinblick auf die Akzeptanz der Kernenergie in der Öffentlichkeit und die Chancen für einen zukünftigen Ausbau der Nuklearindustrie", erläutert die IAEA. Zweitens: "Die Überlebensfähigkeit der Nuklearenergie hängt nicht nur davon ab, inwieweit die in Sachen Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Abfallmanagement und Vermeidung radioaktiver Kontamination bestehenden Probleme gelöst werden können, sondern auch von der Entwicklung innovativer Technologien, mit denen die positiven Aspekte dieser Energiequelle besser genutzt werden können." Derzeit arbeiten nach Aussage der Behörde 20 IAEA-Mitgliedstaaten (von insgesamt 140) an der Entwicklung innovativer Reaktoren und Brennstoffkreisläufe. Als Ergänzung zu diesen nationalen Initiativen verstehen sich zwei große internationale Projekte zur Innovationsförderung, das Generation IV International Forum (GIF) und das internationale Projekt der IAEA zu innovativen Reaktoren und Brennstoffzyklen (INPRO). Im Jahr 2002 wählte das GIF sechs Konzepte für die internationale Gemeinschaftsforschung in diesem Bereich aus. 2003 konnten dann Fortschritte hinsichtlich der Einrichtung von Management und Strukturen für Verträge über spezifische Gemeinschaftsforschungsprojekte sowie Forschungs- und Entwicklungsprojekte (F&E) und die sich daran anschließende Projektarbeit erzielt werden. Darüber hinaus ist im Bericht zu lesen, dass nicht mit der Energieerzeugung in Verbindung stehende Anwendungsbereiche der Kernenergie als Mittel zur Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zunehmend an Bedeutung gewinnen, insbesondere in den Bereichen Nahrungsmittelproduktion und Gesundheitsversorgung, und daher weiter ausgebaut werden sollten. So konnte beispielsweise mithilfe von Gamma- und Röntgenstrahlen-induzierten Mutationen die Pflanzenzucht revolutioniert werden, indem das Aussehen der Ernte modifiziert, die Krankheits- und Schädlingsresistenz verbessert sowie die Ernährungs- und Verarbeitungsqualität erhöht wurden. Im Gesundheitssektor erweist sich die Nuklearmedizin im Kampf gegen Krebs als äußerst nützlich.