Roundtable-Gespräch zur Bewertung der Herausforderungen in der AIDS-Forschung
Für HIV/AIDS sei eine Art "Coca-Cola"-Therapie erforderlich: bekannt, für alle erschwinglich und in jedem Winkel der Erde erhältlich, erklärte Ronny Zachariah, Vertreter von Médecins Sans Frontières (MSF), bei einem Roundtable-Gespräch der Europäischen Kommission über die Herausforderungen in der HIV/AIDS-Forschung. Sämtliche Experten, die an dem Gespräch, das noch vor dem Weltaidstag (1.Dezember) am 24. November in Brüssel stattfand, teilnahmen, waren sich einig, dass es von ausschlaggebender Bedeutung sei, sich auf Präventions- und Behandlungsstrategien zu konzentrieren, da die Entwicklung eines HIV-Impfstoffes immer noch eine sehr große Herausforderung darstellt. "Bei AIDS handelt es sich sicherlich nicht nur um ein sehr ernstes, sondern auch um ein sehr komplexes Problem", erklärte Dr. Octavio Quintana-Trias, Direktor der Direktion Gesundheit der GD Forschung. "Stark vereinfachende Lösungen funktionieren und existieren nicht. Daher müssen wir auch in der Forschung einen integrierten Ansatz entwickeln, was bedeutet, Forschung für Therapie und Prävention zu betreiben." "Die einzige Lösung für das HIV/AIDS-Problem liegt in der Forschung", fügte Dr. Quintana-Trias hinzu. "Wir wissen bereits viel über die Krankheit, doch es gibt immer noch viel zu lernen, und das kann nur durch Forschung erreicht werden." Laut Dr. Quintana-Trias liegt die Lösung darin, all diejenigen, die weltweit an HIV/AIDS arbeiten, in einem einzigen großen Konsortium zu vereinen. Michael Hoelscher aus der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der Universität München, Deutschland, stimmte zu, dass der Kampf gegen HIV/AIDS einen konzertierten Ansatz erfordere. "Allerdings", fügte er hinzu, "ist Forschung nicht alles. Es ist wichtig, nicht alle Bemühungen auf die Entwicklung einer Therapie zu konzentrieren, denn langfristig wird diese nicht helfen. Meine Botschaft lautet, dass auf keinen Fall die Prävention vernachlässigt werden darf." Nach den Daten der Vereinten Nationen sterben pro Minute fünf Menschen an AIDS. Schätzungsweise leben derzeit 40 Millionen Menschen mit dem HIV/AIDS-Virus, davon 80 Prozent in Subsahara-Afrika. In Afrika fehlen immer noch die Mittel, um die Menschen zu schützen und eine Infektion mit der Krankheit zu verhindern. Dies gilt insbesondere für Frauen in der Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren. Nach Angaben der Kommission ist in manchen afrikanischen Ländern eine von vier schwangeren Frauen HIV-positiv. "Afrika braucht dringend Präventionsmittel gegen HIV/AIDS", erklärte Stefano Vella, Leiter für Arzneimittelforschung und -bewertung am italienischen Gesundheitsinstitut in Rom. "HIV/AIDS ist nicht nur ein Gesundheitsproblem, sondern auch ein Entwicklungsproblem. Die afrikanischen Ländern werden durch diese Krankheit wirtschaftlich zu Grunde gerichtet. Selbst die CIA hat den AIDS-Virus als eine Bedrohung der Sicherheit bezeichnet", fügte Dr. Vella hinzu. Die Europäische Kommission befindet sich bei der Bekämpfung von HIV/AIDS mit gemeinsamen Forschungsprojekten in Europa und Afrika, die unter dem Fünften und Sechsten Rahmenprogramm finanziert werden, in einer führenden Position. Die Strategie der Kommission besteht darin, ein mehrjähriges Forschungsprogramm zu unterstützen und sich auf die Entwicklung sicherer oder neuer Arzneimittel sowie auf Präventionsstrategien wie Mikrobizide und Impfstoffe zu konzentrieren. Mikrobizide stellen das vielversprechendste potentielle Hilfsmittel für Frauen dar, da der männliche Partner bei Einsatz dieser Mikrobizide kein Kondom verwenden muss. Da bei Frauen immer häufiger eine Infektion mit HIV diagnostiziert wird, die vor allem durch Geschlechtsverkehr übertragen wird, könnten Frauen mithilfe von Mikrobiziden die Möglichkeit haben, sich selbst vor Krankheiten zu schützen. Bei Mikrobiziden handelt es sich um Gels oder Cremes, die vaginal oder intrarektal angewendet werden, um den HIV-Virus beim ungeschützten Verkehr zu neutralisieren. Dr. Vella merkte jedoch an, dass das Problem genau wie bei Kondomen auch bei Mikrobiziden die Akzeptanz ist. "Die Mittel zu haben, reicht allein noch nicht aus, wir brauchen Informationen", erklärte er und wies darauf hin, dass einer der Schwachpunkte bei der Prävention das Marketing sei. Dr. Zachariah stimmte dem zu und erklärte, dass sich die EU vor der Durchführung von Forschung zu Marketingstrategien auf die Unternehmensforschung sowie den Aufbau von Kapazitäten konzentrieren müsse. "Die breitangelegte Behandlung stellt eine der größten Herausforderungen dar. Zudem müssen wir kurzfristig auch neue und angepasste Diagnosemittel und patientenfreundliche Arzneimittel, insbesondere für Kinder, entwickeln, da die derzeit erhältlichen Behandlungen zu komplex sind", fügte er hinzu. Bisher wurde kein Impfstoff entwickelt, der das Fortschreiten der Krankheit aufhalten kann, und von den 15 erhältlichen medikamentösen Behandlungen kann keine einzige den infizierenden Virus aus dem Körper entfernen. Zudem ist die Behandlung teuer und kompliziert zu verabreichen, was insbesondere in den Entwicklungsländern ein Problem darstellt. Die Kommission stellt Fördermittel für die Forschung in folgenden Bereichen bereit: Arzneimittelresistenz, für Kinder geeignete Behandlungen, neue Klassen antiretroviraler Arzneimittel, neue Ansätze und neue potentielle Strategien für hochinnovative Forschungsprojekte. Sie setzt außerdem große Hoffnungen auf die EDCTP-Initiative (European and Developing Countries Clinical Trials Partnership), das größte Programm im Bereich der klinischen Prüfungen, das jemals mit Bezug auf Afrika ins Leben gerufen wurde. Obgleich Dr. Vella einräumte, dass es, wenn überhaupt, noch lange dauern werde, bis ein erfolgreicher HIV/AIDS-Impfstoff entdeckt werde, begrüßte er die EDCTP-Unternehmung. "Die EDCTP-Initiative ist das erste Beispiel für multilaterale Maßnahmen", erklärte er. "Es handelt sich um die Zusammenlegung von Anstrengungen. Außerdem wird zum ersten Mal HIV/AIDS-Forschung von Afrika selbst vorangetrieben. Das ist eine Revolution." "Wissenschaftler wissen alle, wie viele Anstrengungen noch unternommen werden müssen, um erschwingliche Impfstoffe und Mikrobizide für die Zukunft zu entwickeln", schloss Dr. Quintana-Trias. "Wenn wir Hand in Hand arbeiten und uns auf die gleichen Ziele konzentrieren, wird die Forschung den Schlüssel zum Erfolg darstellen."