Expertengruppe für Biowissenschaften schließt ihre Arbeit mit Liste von zukünftigen Herausforderungen ab
Die European Group of Life Sciences (Europäische Expertengruppe für Biowissenschaften - EGLS), die im Jahr 2000 gegründet wurde, um die Kommission zu aktuellen und zukünftigen biowissenschaftlichen Technologien zu beraten, hat ihre Arbeit beendet. Die Expertengruppe schloss ihre Tätigkeit mit einigen Schlussfolgerungen über die Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sowie andere in der Zukunft auf Europa zukommende Herausforderungen ab. Victor de Lorenzo, Präsident der EGLS seit 2002, betonte, dass die modernen Biowissenschaften für große Erwartungen hinsichtlich der Verbesserung von Gesundheit, Landwirtschaft und Umwelt gesorgt haben. Außerdem seien durch sie neue Wege für industrielle Schlüsselsektoren, einschließlich Energiegewinnung, chemischer Technologie und Materialentwicklung, eröffnet worden. Diese Fortschritte würden jedoch nicht immer von der Gesellschaft akzeptiert. 'Was wir nach einem Jahrzehnt der Debatten (gentechnisch veränderte Lebensmittel, Stammzellen, reproduktive Technologien usw.) gelernt haben, ist, dass Forschung, Entwicklung und Innovation angesichts des gesellschaftlichen Widerstands gegen die Wissenschaft kaum Erfolg haben können', schreibt Professor de Lorenzo. Und der Widerstand nimmt zu. Nicht unbedingt, weil die wissenschaftlichen Entwicklungen immer umstrittener sind, sondern vielmehr weil die Bürger mehr Informationen darüber verlangen, wie ihre Steuergelder ausgegeben werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Diese Forderungen werden von Professor de Lorenzo beschrieben als 'eine manchmal [...] unwillkommene Überraschung für Wissenschaftler, die in einer Kultur der reinen, interessebasierten Forschung ausgebildet wurden'. Der einzuschlagende Weg sei 'nicht die Vermeidung oder die Verhüllung der Debatte [...] sondern die Förderung einer strukturierten und informierten Diskussion unter allen Akteuren zu jeder gegebenen Herausforderung', schließt die EGLS. Die EGLS befürwortet Akteurssitzungen, da sie der Ansicht ist, dort könnten neue Wege gefunden werden, um die Unterstützung der Wissenschaft zu verstärken. Auf solchen Sitzungen müsse dargestellt werden, was die Gesellschaft durch moderne wissenschaftliche Anstrengungen in Bezug auf neue Produkte und Leistungen, wirtschaftliche Entwicklung und neues Wissen zu gewinnen habe. Vor allem, schreibt Professor Lorenzo, könne das durch die Biowissenschaften gelieferte neue Wissen eine wesentliche Hilfe für das Verstehen von und das Finden von Lösungen für Probleme wie persönliche Unzufriedenheit, religiöser Fundamentalismus, interethnische und interkulturelle Konflikte und sogar Terrorismus darstellen. Die EGLS hat 15 wissenschaftliche Herausforderungen identifiziert, die ihrer Ansicht nach zur Lösung der oben genannten gesellschaftlichen Probleme beitragen könnten und die sich verwenden ließen, um die europäische Forschungsagenda in den kommenden Jahren neu zu gestalten. Die ausgewählten Bereiche sind sehr unterschiedlich und umfassen: Lebensmittelversorgung und natürliche Ressourcen, mikrobielles Leben und das Mikroben-Metagenom, Stammzellen, Infektionskrankheiten, Vorschriften, Systembiologie, synthetische Biologie und Ausbildung. Einige davon müssen in Europa als Prioritäten behandelt werden, um das menschliche Überleben zu sichern, während andere eine bessere Lebensqualität versprechen. Das Wissen in sämtlichen dieser Bereiche wird voraussichtlich auch für eine Erhöhung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit sorgen, insbesondere in den gerade erst entstehenden Bereichen. Beim Mikroben-Metagenom handelt es sich um einen solchen gerade entstehenden Forschungsbereich. 'Während die Entschlüsselung des menschlichen Genoms sämtliche gesellschaftlichen und politischen Alarmglocken ausgelöst hat, ist es schockierend, dass das Monopol für die Erforschung des allgemeinen genetischen Inhalts der Biosphäre (die jährlich rund eine Million neuer Gene hervorbringt) den USA vonseiten Europas ungehindert überlassen bleibt', schreibt Professor de Lorenzo. '[Dies] bedeutet, dass die enormen genetischen Ressourcen in den Besitz der wenigen gelangen, die als erstes da sind. Die Forscher unseres Kontinents haben die Fähigkeit und die Vision, ehrgeizige Metagenom-Projekte in großem Rahmen durchzuführen, es fehlt ihnen jedoch an Mitteln sowie an einer geeigneten Struktur', fährt er fort. Die EGLS warnt außerdem vor zu vielen und zu strengen Vorschriften. Aspirin und der Pocken-Impfstoff wären nach den heutigen Vorschriften womöglich niemals kommerzialisiert worden, so der Bericht der Expertengruppe. Diese und viele andere Arzneimittel wurden zu einer Zeit entwickelt, als das Vertrauen in die Wissenschaft noch sehr viel größer war. 'Es ist deutlich, dass die Überregulierung den Fortschritt in den Biowissenschaften, bei der Entwicklung neuer Arzneimittel sowie im Kampf gegen Infektionskrankheiten hemmt', schreibt Professor de Lorenzo. Die letzte Schlussfolgerung der EGLS bezieht sich auf die Ausbildung, die die Gruppe als 'einen großen Engpass für die Zukunft der biowissenschaftlichen Forschung in Europa' bezeichnet. Professor de Lorenzo fordert dringende Maßnahmen, um junge Talente zu gewinnen, und schließt mit der Erklärung: 'Es ist an den jungen Leuten, Europa zu einem Beispiel für die nachhaltige Existenz einer fortgeschrittenen, informierten, gerechten und entwickelten Gesellschaft zu machen.'