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Looking Through Disorder

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Schillernde mutierte Bakterien liefern eine funkelnagelneue Farbpalette!

Ein spannendes EU-Projekt namens LODIS untersuchte die Genetik hinter dem Schillern von Bakterienkolonien. Den Forschern gelang es das Konzept dieser besonderen Art der Färbung zu erklären, die auch der atemberaubenden Schönheit vieler Schmetterlingsflügel und Perlmutt zugrunde liegt.

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Farben, die aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich aussehen, werden als schillernd bezeichnet. Während Pigmente Farben über einen Mechanismus erzeugen, der Absorption genannt wird (sie absorbieren einen Teil des sichtbaren Spektrums und was nicht absorbiert wird, bleibt schließlich als Farbe des Objekts bestehen), werden Strukturfarben durch die Strukturierung von Material im Maßstab der Wellenlänge des sichtbaren Lichtes erzeugt. Eine solche schillernde Färbung kann daher je nach Blickwinkel unterschiedliche Farben und Helligkeitsstufen aufweisen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Perlmuttfutter einer Austernschale. Natürliche photonische Strukturen stellen viele Herausforderungen, insbesondere an das Modellieren. Sie sind sehr hierarchisch aufgebaut, was so viel bedeutet wie, dass sie Merkmale besitzen, die sich über verschiedene Längenskalen erstrecken, und im Allgemeinen von Unordnung geprägt sind. Um die Komplexität vieler Farben der Natur zu beleuchten, hat das EU-finanzierte Projekt LODIS (Looking through disorder) Analyse- und Simulationsinstrumente zur Verbesserung des Verständnisses von ungeordneten photonischen Strukturen entwickelt. Das LODIS-Team konzentrierte sich insbesondere auf die Auswirkung von Unordnung auf die optischen Eigenschaften photonischer Strukturen. „In vielen natürlichen Systemen sind farbgebende Nanostrukturen inhärent ungeordnet. Unordnung kann sich in optischen Systemen nachteilig auf starke Interferenzeffekte auswirken, aber sie ermöglicht auch eine viel größere Vielfalt an visuellen Effekten“, erklärt Projektkoordinatorin Dr. Silvia Vignolini. Als Teil des Projekts und zur Veranschaulichung des Unordnungseffekts wurde ein Video erstellt, das zeigt, wie sich die Farben von schillernden Meeresbakterien ändern. Mutanten waren der Schlüssel Die Forscher gründeten eine international anerkannte Forschungslinie, die in bemerkenswerter Weise dazu beitrug, zu verstehen, wie ein lebendes System komplexe photonische Architekturen in der Natur bilden kann. „In einem nächsten Schritt wollen wir herausfinden, wie solche natürlichen Designprinzipien genutzt werden können, um neuartige optische Materialien auf eine nachhaltige Art und Weise herzustellen“, merkt Dr. Vignolini an. Die Betrachtung von mutierten, nur zwei Millionstel Meter langen Bakterien durch ein Elektronenmikroskop ermöglichte es den Forschern, die Abläufe nachzuvollziehen: Die Organisation der Bakterien war für die Farbe der Kolonie verantwortlich. Somit war es möglich, die genetischen Wege hinter der Regulierung einer Vielzahl von Farben in einem neuen Flavobacterium-Stamm aufzuzeigen. Durch die Veränderung ihrer Gene zeigten die Forscher, dass sowohl die Farb- als auch die Streueigenschaften gesteuert werden können. Konstruktive Interferenz Die Erklärung hierfür liegt im Prinzip eines physikalischen Prozesses, der als konstruktive Interferenz bezeichnet wird. Die strenge Definition sieht vor, dass zwei oder mehr Wellen gleicher Phase und Frequenz eine einzelne Wellenlänge erzeugen, die der Summe der einzelnen Wellen entspricht. „Bei bunten Meeresbakterien erzeugt dies eine ‚farbenfrohe Reflexion‘“, erklärt Postdoktorand Dr. Villads Egede Johansen, Mitglied des Forschungsteams. „Vereinfacht gesagt entsteht die Farbe, die man sieht, durch Licht, das aus den stäbchenförmigen Bakterien, die auf eine bestimmte Weise angeordnet sind, und nicht aus den Pigmenten heraus reflektiert wird. Wenn man ihr Muster durcheinander bringt verschwindet die Farbe mit nur einer Bewegung der Impföse!“ Die erzeugten Mutanten variierten hinsichtlich der Länge oder des Durchmessers ihrer stäbchenförmigen Zellen oder sogar ihrer Bewegungsfähigkeit. Das Team zeigte, wie die Farb- und Streueigenschaften lebender Organismen durch Modifikation ihrer Gene kontrolliert werden konnten. „Diese Arbeit stellt einen bedeutenden Fortschritt auf diesem Gebiet dar: Da sich die Forschung bisher hauptsächlich auf die optische Charakterisierung von strukturell gefärbten Organismen konzentrierte, gab es keine früheren Studien über die genetischen Wege, die der Strukturfärbung in einem lebenden Organismus zugrunde liegen“, betont Dr. Vignolini. Die Arbeit wurde sowohl von der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch von der Presse gut aufgenommen und in der hochkarätigen Zeitschrift PNAS veröffentlicht. Nächste Schritte auf dem Weg zur Nutzung des Potenzials der Farbbiologie Für das Team ist die Fortsetzung der Forschung von größter Bedeutung, und die Forscher suchen aktiv nach weiteren Finanzierungsmöglichkeiten. Gegenwärtig sponsert der britische Gründer BBSRC, der sich auf Projekte im Bereich der Biowissenschaften für die Zukunft konzentriert, einen Doktoranden, um die Arbeit fortzuführen. Zweifellos gibt es viele aufregende Ergebnisse, die es zu verfolgen lohnt. „Stellen Sie sich nur einmal die möglichen Anwendungen dieser Technologie vor – schillernde biologisch abbaubare Kosmetika und Farben auf Bakterienbasis, die sich innerhalb eines Tages auf ganze Wände und Autos ausbreiten und sie in Farbe erstrahlen lassen“, fasst Dr. Vignolini zusammen.

Schlüsselbegriffe

LODIS, Farbe, schillernd, photonische Strukturen, Pigment

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