Potocnik rät Deutschland, seine "potenziellen Schwächen" anzugehen
Der EU-Kommissar für Wissenschaft und Forschung Janez Potocnik hat gegenüber dem Bundesverband der Deutschen Industrie geäußert, dass Deutschland zwar einer der stärksten Leistungsträger Europas sei, jedoch auch eine Vielzahl von Schwächen habe, "die nicht unterbewertet werden dürfen". Deutschland ist berühmt für den Entwurf und die Produktion von Autos. Diese Branche gehöre jedoch zu denjenigen, die dem internationalen Wettbewerb am stärksten ausgesetzt seien, und es sei daher von entscheidender Bedeutung, dass Deutschland nicht nur führend hinsichtlich der Forschung in diesem Sektor bleibe, sondern auch vielfältiger werde, indem es die Entstehung neuer Hightech-Aktivitäten fördere, sagte der Kommissar. Potocnik bot Deutschland auch Beratung zur Überwindung "wahrgenommener Engpässe" im deutschen Finanzierungssystem für Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Innovation an. "Ich fordere Sie auf, die laufende Arbeit auf europäischer Ebene zu betrachten, um die Entwicklung besserer und vielfältigerer Finanzierungsquellen für F&E und Innovation, zum Beispiel durch Darlehen und Kreditgarantien, zu fördern", sagte er. Deutschland scheine eines der wenigen europäischen Länder zu sein, wo die öffentliche F&E-Finanzierung in jüngster Zeit zurückgegangen sei, so der Kommissar. "[D]ies wäre eine beunruhigende Entwicklung, falls sie sich bestätigen und fortsetzen würde. Wenn auch die öffentlichen Haushalte in Deutschland stark beschnitten werden, so ist die Unterstützung der Forschung dennoch eine entscheidende Priorität für die Zukunft." Der Kommissar schlug vor, dass Deutschland den Einsatz von Instrumenten, insbesondere steuerliche Anreize und öffentliches Auftragswesen, zur Umkehr dieses Trends in Betracht ziehen sollte. In vier EU-Ländern (Österreich, Ungarn, die Niederlande und Spanien) entfällt dem Kommissar zufolge derzeit mehr als die Hälfte der gesamten öffentlichen Unterstützung auf indirekte Anreize. Das öffentliche Auftragswesen könnte genutzt werden, um "führende Märkte" für innovative Produkte und Dienstleistungen zu schaffen, erklärte Potocnik. Seinen Beschreibungen zufolge verfügt der Mechanismus über "ein bedeutendes Potenzial zur Schaffung von Nachfrage auf dynamischere Art und Weise". Während er von einigen öffentlichen Behörden für umweltfreundliche Technologien verwendet worden sei, "reicht das Potenzial noch viel weiter", so der Kommissar. Potocnik sprach außerdem von der Bedeutung der Industrie im Allgemeinen für die Wettbewerbsfähigkeit Europas: "Meine ersten sechs Monate als Kommissar für Forschung haben mich voll und ganz davon überzeugt, dass Europa nur dann zu dem von uns angestrebten 'Europa des Wissens' werden kann, wenn es sich vollständig auf die Macht seiner Industrie verlässt", sagte er. Während die F&E-Ausgaben der Wirtschaft mit denen der USA vergleichbar sind, ist der Durchschnitt der EU weiterhin wesentlich geringer - mit 1,1 Prozent des BIP gegenüber 1,6 Prozent in den USA und 2,3 Prozent in Japan. Dieses Ungleichgewicht erhöht die Gefahr, dass Europa der Delokalisierung unterliegt. Das Offshoring hat bereits den Pharma- und Biotechnologiesektor der EU getroffen und für alle Sektoren zusammengenommen beträgt der globale Abfluss von F&E-Ausgaben von Europa in die USA annähernd 15 Prozent der Gesamtausgaben der EU-Wirtschaft. Der Zufluss aus den USA nach Europa liegt jedoch weiterhin bei zehn Prozent. Der Kommissar betonte, dass Europa nicht nur versuche, mit seinen traditionellen Konkurrenten in den USA und Japan Schritt zu halten. Er zitierte eine kürzliche Erhebung der Economist Intelligence Unit, die China, Indien und Brasilien als Ziele erster, dritter und sechster Wahl für verstärkte F&E-Investitionen ins Ausland in den kommenden drei Jahren nannte. Europa muss jetzt die Bedingungen schaffen, unter denen derartige Wissensflüsse ausgewogener werden. "Falls nicht, laufen wir Gefahr, unseren einzigen Faktor für Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren", sagte Potocnik.
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