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Full scale demonstration of energy positive sewage treatment plant concepts towards market penetration

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Abwasseraufbereitung mit Netto-Selbstversorgung durch aktuelle Technologien

Der jährliche Energieverbrauch durch die kommunale Abwasseraufbereitung in Europa entspricht der Energieproduktion von etwa zwei Kraftwerken – und das, obwohl dieser Sektor damit eigentlich Energiemengen erzeugen könnte, die der Produktion von 12 Kraftwerken entsprächen. Das EU-finanzierte Projekt POWERSTEP (Full scale demonstration of energy positive sewage treatment plant concepts towards market penetration) zeigt, wie aus dieser unwahrscheinlich klingenden Theorie Wirklichkeit werden kann.

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Weite Teile der europäischen Abwasseraufbereitungsindustrie verfolgen mit zunehmender Energieeffizienz das Ziel, energieneutral zu werden – d. h. dass bei der Aufbereitung Energie in der gleichen Menge erzeugt wird, in der sie verbraucht wird. Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass weit mehr erzielbar sein könnte. Aus Studien geht hervor, dass schon die Behandlung von Klärschlamm in Aufbereitungsanlagen ohne Leistungseinbußen als neue Quelle für erneuerbare Energie dienen könnte. Laut Berechnungen bergen Europas kommunale Abwässer ein chemisches Energiepotenzial von rund 87 500 GWh pro Jahr. Das EU-finanzierte Projekt POWERSTEP sollte demonstrieren, wie einfach energiepositive Abwasseraufbereitungsanlagen einzig durch die Nutzung von Schlamm realisierbar sind, ohne dabei auf andere externe erneuerbare Energieträger zurückzugreifen. Zur Umsetzung des Gesamtkonzepts von POWERSTEP wurden in vier verschiedenen Ländern zu jedem wesentlichen Prozessschritt insgesamt sechs Fallstudien im natürlichen Maßstab durchgeführt. Mithilfe der Beteiligung von Industriepartnern konnte das Projekt zu Demonstrationen im Großmaßstab übergehen, um damit den Weg für eine rasche Markteinführung zu ebnen und die Geschäftspläne beteiligter Technologieanbieter zu unterstützen. Integration von Technologien POWERSTEP wurde ins Leben gerufen, um die Auswertungen zu den einzelnen Technologien aus den Fallstudien, die vor dem Projekt durchgeführt wurden, integrativ umzusetzen. Dadurch war es den Forschern möglich, ganze Prozesse zu optimieren, wie zum Beispiel die Modellierung und Planung von Behandlungssystemen, umfassendes Energie- und Wärmemanagement, die CO2-Bilanz und Optionen für integrierte Konzepte. Die entscheidende erste Phase im POWERSTEP-Konzept für einen energieneutralen – oder sogar energiepositiven – Betrieb von Wasseraufbereitungsanlagen besteht in der Kohlenstoffextraktion. Durch die Extraktion von kohlenstoffreichem Schlamm (d. h. mit einem möglichen Extraktionsanteil von 80 % bei Nutzung der POWERSTEP-Technologie) ist eine deutliche Steigerung der Biogaserzeugung möglich. Mit Blick auf die diesbezügliche Optimierung der Aufbereitungsverfahren untersuchte das Team verschiedene Aspekte: verbesserte Kohlenstoffextraktion (Vorfiltration), innovative Stickstoffentfernungsverfahren (z. B. verbesserte Steuerung, Deammonifikation des Hauptstroms, Wasserlinsen-Bioreaktor), Power-To-Gas-Technologie (Nachrüstung auf Biogas) in Verbindung mit intelligentem Stromnetz, Energiegewinnung aus Abwärme (thermoelektrische Systeme zur Energierückgewinnung in Blockheizkraftwerken, Dampf-Kreislauf nach Rankine, Wärmespeicherkonzepte) und innovative Prozesswasseraufbereitung (Nitritation, MBR-Ammoniakstrippung). Dr. Christian Loderer erklärt dazu: „Die Selbstversorgung mit Energie aus Abwasser – d. h. die Erzeugung von Biogas zur Erzeugung von Elektrizität – ist EU-weit auf sehr unterschiedlichem Stand. In manchen Ländern wie den Niederlanden und Deutschland ist der Selbstversorgungsanteil hoch, erreicht, mit sehr wenigen Ausnahmen, jedoch noch nicht die für eine Energieneutralität nötigen 100 %. Andere Länder, insbesondere in Osteuropa, erreichen nur eine sehr geringe Selbstversorgung, bei der 50-80 % des Energiepotenzials im Abwasser ungenutzt bleiben.“ Das zeigt deutlich, dass noch einige Hindernisse zu bewältigen sind. Ein solches Hindernis besteht darin, dass Biogas aus der Abwasseraufbereitung im Vergleich zu Biogas aus Energiepflanzen gegenwärtig noch nicht als hochwertige erneuerbare Energie anerkannt wird. Und dies trotz der nachteiligen Nebenwirkungen, die mit Biogas aus Pflanzen verbunden sind, wie z. B. Mais-Monokulturen, übermäßige Düngung und Nährstofffreisetzungen in die aquatische Umwelt. Bei Biogas aus Klärschlamm hingegen treten solche nachteiligen Nebenwirkungen nicht auf. Ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft Mit seinen Praxisbeispielen für die optimale Gewinnung erneuerbarer Energie aus Abwasser leistet POWERSTEP einen wesentlichen Beitrag zu den Bemühungen der EU, den Übergang in die Kreislaufwirtschaft zu unterstützen und dabei bestimmte Zielvorgaben für die Nachhaltigkeit in Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt zu berücksichtigen. Auch der Generaldirektor der GD Energie, Dominique Ristori bekräftigte dies jüngst. Er bezeichnete POWERSTEP als „hinsichtlich der Prioritäten der Energieunion enorm gut aufgestellt“. Da der Betrieb von Aufbereitungsanlagen Elektrizitätskosten in Höhe von rund 2 Mrd. Euro pro Jahr verursacht, könnten zudem erhebliche Einsparungen möglich sein. Dr. Loderer zufolge könnten auch die EU-Bürger durch niedrigere Stromkosten direkt profitieren, wenn das POWERSTEP-Konzept sich auf kommunaler Ebene durchsetzt. „Die energieneutrale Abwasserbehandlung ist längst nicht mehr nur Wunschvorstellung – wir konnten nachweisen, dass sie mit kommerziell erhältlichen modernen Technologien bereits heute absolut machbar ist“, so Dr. Loderer. Und es geht weiter voran. So wurde beispielsweise die Abwasserreinigungsanlage Altenrhein in der Schweiz nun mit einer Anlage zur Rückgewinnung von Stickstoff ausgerüstet, die von POWERSTEP-Partner EAWAG eingehend untersucht worden war. Mit Blick auf die Zukunft sagt Dr. Loderer: „Eine energiepositive Behandlung mit 140-170 % ist ebenfalls denkbar, doch bevor die ersten Großanlagen zur Markteinführung kommen können, sind erst noch weitere Anstrengungen nötig, um die Zuverlässigkeit der Technologie und die wirtschaftliche Tragfähigkeit eingehend zu prüfen.“ Kurzfristig dient das Projekt als Konzeptnachweis für die Einsatzfähigkeit der Technologie im Klein- und Großmaßstab: Das Forschungsteam erörtert derzeit mit wichtigen Industriepartnern aus dem Projekt, wie sich ein Netz von kleinen Kläranlagen aufbauen ließe, in denen die POWERSTEP-Verfahren teilweise umgesetzt werden.

Schlüsselbegriffe

POWERSTEP, Abwasser, Kläranlage, Aufbereitungsanlage, Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Energie, Stromerzeugung, Biogas, Nachhaltigkeit

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