Biotechnologieindustrie: Patienten brauchen innovative Medikamente
Führende Vertreter der europäischen Bioindustrie haben am 22. September ein Gesundheitsmanifest veröffentlicht, in dem sie politische Unterstützung für die Entwicklung innovativer Arzneimittel fordern. Das von EuropaBio, dem europäischen Biotechnologie-Verband herausgegebene Manifest, nennt sieben politische Schlüsselmaßnahmen, die eine optimale Umgebung für die Entwicklung von Biotech-Medikamenten schaffen sollen. Dadurch soll die Bioindustrie in die Lage versetzt werden, die Innovationen im Gesundheitswesen zu liefern, die über die nächsten Jahre erwartet werden, einschließlich dringend erforderlicher neuer Medikamente. Biotechnologie ist ein strategischer Sektor im Gesundheitswesen: 50 Prozent aller neuen Medikamente gehen aus der Biotechnologie hervor, insbesondere die innovativsten Mittel zur Behandlung oder Prävention von Herzinfarkten, multipler Sklerose, Brustkrebs, zystischer Fibrose, Leukämie und anderen - auch seltenen - Krankheiten. Nahezu 250 Millionen Patienten profitieren schon von den Fortschritten der Biotechnologien, sei es in der Diagnostik oder der Therapie. Aber vielen Patienten ist der Zugang zu den Mitteln noch verwehrt, und viele Krankheiten werden noch nicht behandelt. Bei der Veröffentlichung des Manifests in Brüssel sagte der Vorsitzende des EuropaBio-Gesundheitsrats Dr. Andrea Rappagliosi: "Wir möchten eine politische Agenda erstellen, die einen stärker patientenorientierten Ansatz der Gesundheitsversorgung bietet. Insbesondere geht es dabei um eine innovative und dynamische Steigerung des Angebots an Produkten, die die Lebensqualität der Patienten nachhaltig verbessern und bestehenden Medikamentenbedarf abdecken." Das Manifest nennt sieben Prioritäten: - Die Rolle der ökonomischen Bewertung von Biotechnologie-Medikamenten und neuen Technologien; - Biosimilar-Produkte: Verbesserung der Qualität und Sicherheit aus der Sicht der öffentlichen Gesundheit; - Orphan Drugs (Medikamente gegen seltene Erkrankungen): die Realisierung eines europäischen Traums; - Der Vorstoß in unbekannte Sphären der Medizin mit neuen gezüchteten Zell- und Gewebeprodukten; - Bioethik als unerlässlicher Bestandteil der heutigen Gesundheitsbranche; - Diagnose und innovative Medikamente gehen Hand in Hand: auf dem Weg zu gezielten Therapien, die Rolle der Genetik und Pharmakogenetik; - Von Biotech zu Biotech: Wo Größe eine Rolle spielt: die Schaffung eines positiven Umfelds für KMU und die Biotech-Industrie. "Durch ihr außergewöhnliches Verständnis der Ursachen von Krankheiten generiert die Gesundheits-Biotechnologie Lösungen für einige der weltweit zerstörerischsten Krankheiten wie Krebs, Infektionskrankheiten und Autoimmunstörungen", erklärt Johan Vanhemelrijck, Generalsekretär von EuropaBio. "Sie ist eine Schlüsseltechnologie bei der Entwicklung neuer medizinischer Therapien und trägt wesentlich zum Wachstum bei: 50 Prozent aller künftigen Medikamente werden aus der Biotechnologie kommen." Im vergangenen Februar hat EuropaBio zusammen mit France Biotech und den Gremien der französischen Pharmazie-Branche die erste wissenschaftliche Studie herausgegeben, die die Auswirkungen von biotechnologiebasierten Medikamenten auf die Lebensqualität und die Lebenserwartung von Patienten untersucht. BioImpact illustriert einige der wichtigsten Fortschritte, die dank jahrelanger Forschung erzielt wurden. Biomedikamente und andere Biotechnologien stellen ein großes und wachsendes Segment der innovativen Medikamente dar (im Jahr 2003 bezogen sich 35 bis 40 Prozent der Vermarktungsgenehmigungen auf Biotech-Produkte). Viele dieser Moleküle wurden in den USA entwickelt. Damit auch weiterhin der Zugang zur innovativsten Gesundheitsversorgung erhalten bleibt, ist es unerlässlich, dass in Europa ein optimales Umfeld für die Entwicklung von Biotech-Medikamenten geschaffen wird. Das Manifest wurde nur einen Tag nach Erscheinen eines weniger optimistischen wissenschaftlichen Berichts über die nahe Zukunft der Pharmakogenetik veröffentlicht. Die britische Royal Society hat ein Papier veröffentlicht, das von einer Arbeitsgruppe aus Experten aus Gesundheitswesen, Industrie und Forschung erstellt wurde. Darin wird vor überzogenen Erwartungen an die Pharmakogenetik gewarnt: "Personalised medicines: hopes and realities" (Personalisierte Medikamente: Hoffnungen und Wirklichkeiten). Der Bericht sagt zwar personalisierten Medikamenten eine viel versprechende Zukunft voraus, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass es noch 15 bis 20 Jahre dauern wird, bis sie in großem Umfang eingesetzt werden. Der Bereich befinde sich noch in den Kinderschuhen, so die Autoren des Berichts, aber wenn man verstehe, wie genetische Faktoren die Reaktion einer Person auf ein Medikament beeinflussen, könne dies die Sicherheit und Wirkung neuer und bestehender Behandlungen steigern. Kliniker und Pharma-Unternehmen werden jedoch weiterhin Medikamenten den Vorzug geben, die erwiesenermaßen unabhängig von genetischen Unterschieden gut wirken. Wo dies jedoch nicht möglich ist, wird die pharmakogenetische Medizin in Verbindung mit diagnostischen Tests eine immer wichtigere Rolle spielen. Umfangreiche klinische Tests sind notwendig, so heißt es in dem Bericht, um die Kosten-Nutzen-Relation der Entwicklung und Verwendung pharmakogenetischer Therapien zu bewerten, und die entsprechenden Investitionen müssten sowohl vom öffentlichen als auch vom privaten Sektor getätigt werden. Für neue Medikamente werden diese Tests von der Pharma-Industrie durchgeführt. Für bestehende Medikamente sollten jedoch Studien angeregt werden, die über privat-öffentliche Partnerschaften zwischen gemeinnützigen medizinischen Forschungsinstitutionen, Gesundheitsbehörden und der Pharma- und Diagnostika-Industrie finanziert werden.