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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Komplexität durch Simulation verstehen

Die erste groß angelegte Computersimulation fand laut Wikipedia in den 1940er Jahren im Rahmen des von den USA geleiteten Manhattan Project statt, als man damit den Prozess der Atomexplosion modellierte. Seitdem haben sich Simulationstechniken Hand in Hand mit der schnellen ...

Die erste groß angelegte Computersimulation fand laut Wikipedia in den 1940er Jahren im Rahmen des von den USA geleiteten Manhattan Project statt, als man damit den Prozess der Atomexplosion modellierte. Seitdem haben sich Simulationstechniken Hand in Hand mit der schnellen Evolution der Computer weiter entwickelt. Heute sind sie nicht nur unverzichtbare Instrumente an der vordersten Front von Wissenschaft und Forschung, sie tragen auch dazu bei, dass die neuesten Hollywood-Produktionen echte Kassenschlager werden. Die bedeutende Konferenz "The Age of Simulation", die kürzlich mit Unterstützung der österreichischen Ratspräsidentschaft in Linz stattfand, wollte einem breiteren Publikum das Potenzial der Simulationstechniken näher bringen. Einer der Organisatoren der Veranstaltung, Harald Katzmair, Geschäftsführer von FAS.research sprach mit CORDIS-Nachrichten über die Rolle der Simulationstechnologien rund 60 Jahre nach ihrer Erfindung. "Simulation ist aus vielerlei Gründen wichtig, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft", so Dr. Katzmair. "Meiner Ansicht nach hilft uns Simulation, komplexe Systeme zu erforschen und zu verstehen. Es geht dabei nicht darum, die Zukunft vorauszusagen, sondern darum, Komplexität zu verstehen oder die Regeln, denen die Komplexität unterworfen ist." Die meisten komplexen Systeme, so Dr. Katzmair, sind nicht linear, dadurch wird es sehr schwierig, zukünftige Verhaltensweisen vorherzusagen. Vielmehr gibt es verschiedene Punkte, an denen eine kritische Masse entstanden ist, zum Beispiel bei der Popularisierung einer Idee oder bei der Ausbreitung eines Virus. Ab einem solchen Punkt zeigt das System neue oder eigenartige Verhaltensweisen. "In der Simulation können wir erkennen, wann diese kritische Masse vorhanden ist", fügte er hinzu. Dr. Katzmairs eigene Arbeit für FAS.research konzentriert sich auf Netzwerkanalyse und so genannte agentenbasierte Simulation. "Darum interessieren wir uns auch für CORDIS, für die Analyse von Netzwerkmustern der Zusammenarbeit in Europa", erklärte er. Sein Team wählte eine Gruppe von Akteuren aus, die einzelne Teilnehmer an EU-Forschungsprojekten repräsentierten, und wies ihnen einen Wert zu, der die Wahrscheinlichkeit ausdrückt, mit der sie mit anderen Akteuren mit vergleichbaren Attributen (zum Beispiel dasselbe Herkunftsland oder dieselbe wissenschaftliche Disziplin) zusammenarbeiten. Durch die Analyse der Wahrscheinlichkeitsverteilung in einer Simulation, die die "echten" beobachteten Daten spiegelt, erfährt Dr. Katzmair mehr über die Mikromotive, die die Akteure antreiben. "Wir verstehen jetzt ganz gut, wie ein Netzwerk strukturiert sein sollte, damit Ideen und Wissen oder Innovation sich verbreiten können", so Dr. Katzmair. "Das Problem liegt aber in der Tatsache, dass Netzwerke nicht von oben nach unten strukturiert werden können: Sie wachsen aus Mikromotiven. Aus der Simulation haben wir gelernt, welche Regeln auf der Mikroebene sich auf die Struktur auf der Makroebene auswirken. Dieses Wissen ist sehr wichtig für die Analyse und Bewertung. Wir erkennen dann, welche kritische Masse an Akteuren erforderlich ist, um ein Netzwerk zu verändern, und wir beginnen das Beziehungsgeflecht zwischen Mikro- und Makroebene zu erforschen." Dr. Katzmair und sein Team haben aus der CORDIS-Datenbank alle Projekte herausgezogen, deren Titel oder Zusammenfassung den Begriff Simulation enthält. Damit konnten sie ein Bild eines virtuellen europäischen Simulationsnetzwerks erstellen. Ein weiteres neues und sehr erfolgreiches Beispiel agentenbasierter Simulation findet man in der Unterhaltungsindustrie, in Computerspielen und Hollywood-Filmen. "Die Unterhaltungsindustrie hat sehr komplexe und fortschrittliche Methoden der Simulationsanwendung entwickelt", erklärt Dr. Katzmair. Man betrachte sich nur einmal die Schlachtenszenen in einem Film wie "Der Herr der Ringe", an denen Tausende von Akteuren beteiligt sind: "Hinter diesen Szenen liegen sehr komplexe Simulationen. Sie erzeugen realistische Handlungen der Charaktere, der Vorteil aber ist, dass lediglich die Verhaltensweisen programmiert werden müssen, sie müssen nicht von einem Regisseur direkt angeleitet werden." Ein weiteres "heißes Thema" im Bereich Simulation ist die Untersuchung der Diffusion, das heißt die Analyse, wie sich Innovationen am Markt verbreiten - ein Phänomen, das offensichtlich besonders Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmer interessiert. Simulation wird aber auch eingesetzt, um die Ausbreitung von Viren oder von Biokontamination zu analysieren. Regierungen können ihre Reaktionen auf Pandemien oder Terrorangriffe auf der Basis dieser Analysen planen. Was den letzten Punkt betrifft, so sagt Dr. Katzmair: "Gerade in Bezug auf Terrorismus passiert im Moment sehr viel. So analysiert man die Struktur von Terrornetzwerken anhand von Simulationen." Simuliert wird dabei die Struktur eines weit gefassten Terrornetzwerks, über das die Behörden derzeit nur Informationsfragmente besitzen. Die Analyse der Simulation zeigt dann, welche Auswirkungen die Entfernung bestimmter Akteure auf das gesamte Netzwerk hätte. "Anhand dieser Informationen kann man zum Beispiel entscheiden, ob es wichtiger ist, die Spezialisten vom Netzwerk zu isolieren oder sich auf die Entscheidungsträger zu konzentrieren. Die USA finanziert derzeit viele Projekte in dieser Richtung", fügte er hinzu. Europa kann sich laut Dr. Katzmair glücklich schätzen, echte Expertise im Bereich Simulation entwickelt zu haben. "Das ist eine Art Zukunftstechnologie. Sie ist die einzige Art und Weise, wie wir das Verhalten komplexer und dynamischer Systeme analysieren können." Der aktuelle Trend zu einem stärker transdisziplinären Ansatz zu Simulation spiegelt lediglich die Tatsache wider, dass viele große Systeme eine gemeinsame Komplexität besitzen, die aus den Verbindungen zwischen einzelnen Komponenten oder Akteuren resultiert. "Ganz gleich, ob man Wirtschaftswachstum simuliert, das Verhalten von Bienen oder die Ausbreitung von Feuer, das transdisziplinäre Paradigma ist in allen Bereichen wertvoll", schließt Dr. Katzmair.

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