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Boundaries of Science: Medieval Condemnations of Philosophy as Heresy

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Die doppelte Wahrheit – Wissenschaft und Religion im Mittelalter

EU-finanzierte Forschung hat sich mit der Geschichte der Wissenschaft und der Religion beschäftigt. Im Mittelpunkt stand dabei der während des Mittelalters herrschende Konflikt zwischen Glauben und Vernunft. Die Scholastiker jener Epoche fanden Wege, sich zu schützen und gleichzeitig die wissenschaftliche Forschung innerhalb der Grenzen der zeitgenössischen christlichen Gesellschaft voranzutreiben.

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Das Projekt BoundSci beschäftigte sich mit der während einer wissenschaftlichen Revolution im Spätmittelalter bestehenden Konfrontation zwischen Naturphilosophie (d. h. Wissenschaft) und Religion. Diese Forschungsarbeit wurde im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahme gefördert. „Die Scholastiker haben sich regelmäßig mit der Frage nach der Ewigkeit der Welt und dem sich daraus ergebenden Konflikt mit der Schöpfungsgeschichte beschäftigt“, merkt MSC-Projektstipendiatin Dr. Ann Giletti an. Die europäische Gesellschaft hatte damals eine zutiefst verwurzelte religiöse Weltanschauung, so dass diese philosophische Theorie im Widerspruch zum Christentum stand. So konnten die lateinischen Scholastiker nur schwerlich die Naturphilosophie übernehmen, da es bedeutet hätte, mit nicht mit dem christlichen Glauben vereinbaren Ideen in Verbindung gebracht zu werden. Im Zeichen des Schutzes des Rechts auf wissenschaftliche Forschung Das Projekt verfolgte zwei Kernziele. Zum einen wollte man verstehen, warum mittelalterliche Universitätsgelehrte zuweilen kontroverse Theorien als „ketzerisch“ bezeichneten, selbst wenn sie es gar nicht waren. Zweitens konzentrierte man sich darauf, warum einige dieser Schriftgelehrten genau das taten, obwohl sie selbst keine Gegner dieser Vorstellungen waren. „BoundSci durchforschte eine große Menge mittelalterlicher Texte, um einen Überblick zu bekommen, wie die Akademiker jener Zeit mit dieser Kontroverse umgegangen sind, und welche Strategien sie verfolgten, um sich auf neue wissenschaftliche Ideen einzulassen oder diese abzulehnen“, berichtet Dr. Giletti. Sie nennt ein Beispiel: „Entgegen der Theorie, dass die Welt ewig sei und der damit verbundenen Verleugnung der Schöpfung nach der Bibel, behaupteten Scholastiker wie Thomas von Aquin, Giles von Rom und Boethius von Dakien, dass es ‚ketzerisch‘ sei, die Welt tatsächlich für ewig zu halten.“ Dennoch hielten sie es für theoretisch möglich. Mit dieser Haltung konnten sie das Thema umfassend erforschen und gleichzeitig ihre Identität als Wissenschaftler und Christen wahren. Die „doppelte Wahrheit“ Das Projekt wandte einen neuartigen Forschungsansatz an, indem es sich auf die Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Häresie konzentrierte. „Die Methodik von BoundSci bestand darin, sich den Stimmen der Protagonisten dieser Kontroverse selbst im Kontext ihrer Debatten und ihrer rigorosesten Schriften über diese Fragen zuzuwenden“, verrät die Stipendiatin. Ihre Ausbrüche über Ketzerei geben Aufschluss darüber, wie sie ihre Werke nutzten, um in Wirklichkeit gewagte Meinungen und konfrontative Positionen vorzutragen. Ein unerwartetes Forschungsergebnis betrifft das Phänomen der doppelten Wahrheit – „die Position, zwei widersprüchliche Ideen zu vertreten, eine gemäß der Wissenschaft oder Philosophie und die andere gemäß der Religion“, erklärt Dr. Giletti. Während moderne Wissenschaftler festgestellt haben, dass keine Gelehrten des Mittelalters tatsächlich diese Ansicht vertraten, hat die Projektforschung ergeben, dass es Scholastiker gab, die sich schuldig machten, an dieser skandalösen Position festzuhalten. Wissenschaftliche Gemeinschaften Das Projekt als interdisziplinäres Vorhaben wirkt sich auf die Disziplinen der Geschichte der Philosophie, Wissenschaft und Theologie aus. „Allgemein“, so Dr. Giletti, „verrät uns BoundSci, wie wissenschaftliche Gemeinschaften im Inneren ihrer Gesellschaften und kulturellen Weltanschauungen funktionieren. Und dieses Thema ist heute äußerst aktuell.“ Die Forschungsergebnisse fanden in Form von drei Artikeln, sechs Konferenz- und Seminarbeiträgen sowie sechs Aktivitäten zur Förderung des öffentlichen Engagements Verbreitung. BoundSci veranstaltete überdies die internationale Konferenz „Forbidden Ideas“, die im April 2018 an der Universität Oxford stattfand. Weitere Informationen über das Projekt finden Sie in den eigenen Schriften der Stipendiatin auf dem BoundSci-Blog.

Schlüsselbegriffe

BoundSci, Wissenschaft, Religion, Mittelalter, mittelalterlich, lateinische Scholastiker, wissenschaftliche Forschung, Naturphilosophie, doppelte Wahrheit

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