Wundheilung mithilfe von Elektrizität
Vor 150 Jahren fügte sich der deutsche Physiologe Emil Du-Bois Reymond in einem selbstlosen Versuch für die Wissenschaft selbst eine Wunde an seinem Arm zu und maß das natürlich entstehende elektrische Feld an der Wunde. Jetzt hat ein Team internationaler Forscher die Prozesse enthüllt, durch die dieses elektrische Feld den Wundheilungsprozess steuert, Wissen das zur Entwicklung neuer Methoden für die Behandlung von Wunden führen könnte. Wenn man sich schneidet, finden aufgrund einer Reihe von Prozessen Zellen den Weg in die Wunde und beginnen mit der Reparatur. Dabei wandern die Zellen, bis sie miteinander in Kontakt kommen, und verwundete Zellen geben Chemikalien ab, die andere Zellen anziehen. Trotz der Pionierarbeit von Dr. Du-Bois Reymond blieb die Rolle elektrischer Felder bei der Wundheilung jedoch weitgehend unerforscht und selbst heute arbeiten weltweit nur wenige Teams in diesem Bereich. Das Interesse von Professor Min Zhao von der Universität Aberdeen im VK am Wundheilungsprozess wurde erstmals geweckt, während er als Traumachirurg in seinem Heimatland China arbeitete. Zusammen mit einem Forscherteam aus Österreich, Japan und Amerika entdeckte er, wie das elektrische Feld einer Wunde zum Heilungsprozess beiträgt. Ihre Erkenntnisse wurden im Magazin Nature veröffentlicht. Unter normalen Bedingungen wandern Zellen in einer Kultur koordiniert in eine Wunde. Als das Team jedoch ein elektrisches Feld an der Wunde mit einer Polarität erzeugte, die umgekehrt zur Heilrichtung stand, folgten die Epithelzellen der Richtung des elektrischen Signals und die Wunde öffnete sich. Als das Team die Polarität des elektrischen Felds umkehrte, schloss sich die Wunde. Neben Epithelzellen bewegten sich auch andere für die Wundheilung wichtige Zellarten wie Neutrophile und Hautfibroblasten als Reaktion auf die elektrischen Felder. Dieser Prozess wird Elektrotaxis genannt. Die elektrischen Felder von Wunden werden durch Ionenpumpen oder Transporter erzeugt, die Ionen positiver oder negativer elektrischer Ladung in eine bestimmte Richtung lenken. Trug man Substanzen an der Wunde auf, die den Ionenfluss erhöhen, verstärkte sich auch das elektrische Feld der Wunde und die Wundheilung wurde beschleunigt, so die Erkenntnis der Forscher. Umgekehrt wurde durch die Anwendung von Substanzen, die den Ionenfluss hemmen, das elektrische Feld der Wunde abgeschwächt und die Heilung beeinträchtigt. Mit weiteren Experimenten konnten die Forscher die molekularen Mechanismen ermitteln, die an der elektrotaktischen Reaktion beteiligt sind, sowie die Gene, die sie steuern. "Unsere Erkenntnisse bieten in wissenschaftlicher Hinsicht eine neue Perspektive beim Verständnis, wie Zellen bei der Heilung wandern und mit welchen Genen und Molekülen Zellen elektrische Felder aufspüren", sagte Professor Zhao. "Klinisch gesehen zeigen unsere Ergebnisse einen neuen Ansatz zur Beschleunigung der Heilung und der Behandlung chronischer Wunden auf. Diese Bedingungen sind in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht von erheblicher Tragweite." Professor Zhao und sein Team haben einige möglichen Ziele zur Entwicklung neuer Techniken bei der Verbesserung und dem Umgang mit der Wundheilung festgelegt. Sie hoffen nun, dass sie ihre Ergebnisse vom Labor in die Krankenhäuser übertragen und mit klinischen Studien beginnen können.
Länder
Vereinigtes Königreich