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Archaeen ein Schlüsselelement im Stickstoffkreislauf?

Norwegische Forscher haben eine erstaunliche Entdeckung gemacht, die einen der grundlegendsten biochemischen Kreisläufe der Erde - den Stickstoffkreislauf - neu definieren könnte. Die Atmosphäre besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff, der jedoch weitaus nützlicher ist, wenn er...

Norwegische Forscher haben eine erstaunliche Entdeckung gemacht, die einen der grundlegendsten biochemischen Kreisläufe der Erde - den Stickstoffkreislauf - neu definieren könnte. Die Atmosphäre besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff, der jedoch weitaus nützlicher ist, wenn er im Boden "fixiert" ist. Dort kann er Pflanzen ernähren, die wiederum gegessen werden. Schließlich landet er im Körper des Menschen, um dort komplexe Proteine und Aminosäuren - einschließlich DNA und RNA - zu bilden, die für das Leben nicht wichtig, sondern selbst Leben sind. Gemäß dem bisherigen Wissensstand wird Stickstoff aus der Luft im Boden "fixiert" und Pflanzen mithilfe von verschiedenen Bakterien als Nährelement zur Verfügung gestellt. Dieser Prozess ist der wichtigste Schritt im Stickstoffkreislauf: Ammonium wird zu Nitraten und Nitriten oxidiert, die leicht von Pflanzen aufgenommen werden können. Dies könnte jedoch weniger Bedeutung haben, als bisher angenommen. Professor Christina Schleper von der Universität Bergen in Norwegen ist der Ansicht, dass keineswegs Bakterien, sondern eine ganz andere Gruppe, die Archaeen, die Schlüsselorganismen sind. Ihre Erkenntnisse, an denen auch Kollegen aus Deutschland, den USA und dem Vereinigten Königreich beteiligt sind, wurden in der Zeitschrift Nature veröffentlicht. Archaeen wurden erst 1977 von den Forschern Carl Woese und George Fox als eigene Gruppe von Lebewesen definiert. Sie haben große Ähnlichkeit mit Bakterien und vor 3,8 Milliarden Jahren soll die Erde ausschließlich von Bakterien und Archaeen besiedelt gewesen sein. Archaeen unterscheiden sich von Bakterien in erster Linie durch ihre molekulare Zusammensetzung und ihre Biochemie. Aufgrund dieser Unterschiede können die Archaeen in extremen Lebensräumen gedeihen. Dort wurden sie auch erstmals entdeckt. Archaeen können unter sehr salzigen oder extrem heißen Bedingungen überleben und sie treten zwischen geologischen Spalten und in Geysiren auf. Obwohl Archaeen in immer mehr Habitaten wie im Meerwasser und im Boden entdeckt werden, ist über sie sehr wenig bekannt. Gemäß jüngsten Schätzungen bilden Archaeen 40 Prozent der mikrobiellen Biomasse im Meer. "Viele von ihnen können nur schwer im Labor gezüchtet werden, da Erde ein kompliziertes System ist, das man im Labor nicht nachbilden kann. Es gedeihen nur Archaeen, die in heißen Quellen oder in anderen extremen Umgebungen leben, unter diesen künstlichen Bedingungen", erläutert Professor Schleper. "In einem Gramm Erde gibt es durchschnittlich mindestens 10 000 Arten von Mikroorganismen", sagt sie. Für die Bodenuntersuchung arbeitete Professor Schleper mit einer Technik, die die DNA aus den Organismen im Boden extrahiert. Anschließend wird anhand der Sequenzen der Inhalt bestimmt. "So haben die Wissenschaftler im Wesentlichen festgestellt, dass Archaeen auch in Bodenproben vorkommen und nicht nur in heißen Quellen oder in der Tiefsee", so Professor Schleper weiter. Diese DNA-Sequenzierung gab Professor Schleper zum Teil Hinweise auf die Beschaffenheit der Archaeen - sie fand Gene, die in Bakterien für das "Fixieren" von Stickstoff zuständig sind. Das Forscherteam fand die Archaeen überall und in überraschend großen Tiefen unter der Erde, wo keine Bakterien mehr vorhanden sind, sodass Archaeen hier rund 3 000-mal häufiger vorkommen. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Professor Schleper hat das Gen, das Ammonium oxidiert - der Schlüsselprozess - in großen Mengen in den Archaeen-Proben gefunden. In einem nächsten Schritt möchte sie jetzt untersuchen, in welchem Ausmaß Archaeen oder Bakterien zu diesem Oxidationsprozess beitragen. "Man kann jetzt noch nicht davon sprechen, dass man die Lehrbücher umschreiben muss", sagt sie. Als Nächstes muss sie ihre Theorie überprüfen und Bakterien und Archaeen vergleichen. "Entweder, indem der Prozess in der einen Gruppe angehalten und untersucht wird, wie sich dies auf die Oxidation insgesamt auswirkt, oder indem die Biochemie, die beiden zugrunde liegt, bestimmt wird." Bisher sind bei der Betrachtung des Stickstoffkreislaufs nur Bakterien berücksichtigt worden, und Bakterien wurden in Bereichen untersucht, wo Stickstoff eine wichtige Rolle spielt, wie bei Kläranlagen oder in der Landwirtschaft - insbesondere in Bereichen, wo eine Überdüngung stattgefunden hatte. Sollten Archaeen wirklich für die Oxidation von Stickstoffverbindungen verantwortlich sein und unter extremen Bedingungen leben können, könnten sich diese alten, geheimnisvollen und weitgehend vergessenen Organismen als wesentliches Glied für die Reinigung und Organisation unseres empfindlichen Planeten erweisen.

Länder

Norwegen