Forscher entdecken Geheimnisse des numerischen Denkens
Ein Team aus französischen und italienischen Wissenschaftlern untersucht derzeit, wie das menschliche Gehirn abstrakte Symbole wie arabische Ziffern mit konkreten Zahlen verbindet. Die Ergebnisse der Studie, die von der EU über ein Marie-Curie-Stipendium mitfinanziert wird, wurden in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift "Neuron" veröffentlicht. Zahlen lassen sich in unterschiedlicher Weise darstellen - mit Ziffern (1, 2, 3), mündlich oder schriftlich in Worten (eins, zwei, drei) oder durch die jeweilige Zahl in Punkten oder anderen Zeichen. Wissenschaftler gehen schon seit einiger Zeit der Frage nach, ob das Gehirn Zahlen je nach ihrer Darstellungsform unterschiedlich verarbeitet. In der genannten Studie untersuchten Manuela Piazza und ihre Kollegen mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRI), wie aktiv das Gehirn gesunder Erwachsener bei der Konzentration auf Zahlenreihen ist. Zunächst wurden den Testpersonen aus drei Zahlen bestehende Reihen gezeigt, die alle eng zueinander gehören, wie 17, 18 und 19. Einigen Probanden wurden die Zahlen in arabischen Ziffern gezeigt, anderen in der entsprechenden Anzahl von Punkten. Wie aus den Tomografieaufnahmen hervorging, wurde bei Betrachten der Reihen die Scheitelregion im Hirn der jeweiligen Testperson aktiv. Mit zunehmender Gewöhnung des Probanden an den Reiz nahm diese Aktivität ab. Anschließend verwendeten die Wissenschaftler eine andere Zahlenreihe, die sich deutlich von den ursprünglichen Zahlen unterschied, wie beispielsweise 47, 48 und 49. Bei einigen Testpersonen wurde diese zweite Zahlenreihe in demselben Format wie die erste dargestellt, bei anderen hingegen in einem anderen Format, sodass einige Personen, die zuvor arabische Ziffern betrachtet hatten, nun Punkte sahen bzw. umgekehrt. In allen Fällen wurde beim Wechsel der Zahlenreihe umgehend dieselbe Hirnregion der Testperson reaktiviert - unabhängig vom Format, in dem die Zahlen dargestellt wurden. Nach Ansicht der Forscher weist diese Erkenntnis darauf hin, dass diese Hirnregion numerische Informationen verarbeitet. "Die Ergebnisse unserer Untersuchungen lassen darauf schließen, dass die Scheitelrinde bei der Kodierung von symbolischen und nicht-symbolischen Mengen eine wichtige Rolle spielt", heißt es im Beitrag der Forscher. Bei der weiteren Untersuchung, ob das Hirn tatsächlich auf numerische Mengen reagiert, fügten die Forscher ab und zu in die zweite Zahlenreihe eine abweichende Zahl ein. In einigen Fällen handelte es sich bei der abweichenden Zahl um eine der Zahlenreihe nahe Zahl, in anderen Fällen um eine weiter entfernte Zahl. Bei der Reihe 17-19 wurde als nah abweichende Zahl 20 und als weit abweichende Zahl 50 verwendet. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Hirnaktivität bei einer weit abweichenden Zahl stärker ausfiel als bei einer nah abweichenden Zahl. Daraus schlussfolgern sie, dass das Gehirn numerische Mengen verarbeitet. "Unsere Ergebnisse beweisen, dass zumindest im Gehirn eines Erwachsenen numerische Symbole und nicht-numerische Mengen in derselben Hirnregion verarbeitet werden", so die Autoren. Wie die Verarbeitung jedoch genau abläuft, bleibt weiterhin ein Geheimnis. "Vielleicht ordnen wir Symbolen eine Bedeutung zu, indem wir Populationen von Neuronen, die auf Symbolformen reagieren, physisch mit bereits existierenden neuralen Populationen verbinden, die für eine nicht-symbolische Repräsentation des entsprechenden präverbalen Bereichs (beispielsweise bei Mengen) zuständig sind", vermuten die Wissenschaftler. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ihre Erkenntnisse dazu beitragen werden, das Verständnis darüber zu fördern, wie sich die numerische Repräsentation im Hirn von Kindern entwickelt. Darüber hinaus könnten sie bei der Behandlung von Menschen mit Rechenschwäche - einer Krankheit, bei der die Betroffenen Zahlen nicht verstehen, behalten und verarbeiten können - helfen.
Länder
Frankreich, Italien