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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Forscher untersuchen innere Uhr des Menschen

Wenngleich unser Tages- und Arbeitsrhythmus einer genormten, von der jeweiligen Zeitzone abhängigen, "sozialen Zeit" unterliegt, ist die innere Uhr des Menschen, wie Forscher nun herausgefunden haben, eng mit der lokalen Sonnenzeit verknüpft. Die Ergebnisse der Studie, die t...

Wenngleich unser Tages- und Arbeitsrhythmus einer genormten, von der jeweiligen Zeitzone abhängigen, "sozialen Zeit" unterliegt, ist die innere Uhr des Menschen, wie Forscher nun herausgefunden haben, eng mit der lokalen Sonnenzeit verknüpft. Die Ergebnisse der Studie, die teilweise von dem EU-geförderten Projekt EUCLOCK finanziert wurde, sind in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift "Current Biology" erschienen. Unser Körper verfügt über eine innere Uhr, die zahlreiche Aspekte unseres Lebens regelt, darunter den Schlaf-Wach-Rhythmus, unsere Konzentration, den Blutdruck und die Enzymaktivität. Forscher finden immer mehr Anzeichen dafür, dass diese innere Uhr unser Leben stark beeinflusst. So haben etwa Schichtarbeiter, deren innere Uhr gestört ist, ein erhöhtes Unfallrisiko und leiden unter Schlafstörungen und anderen gesundheitlichen Problemen. Zur Synchronisation dieser inneren Uhr mit der Umwelt ist der Körper allerdings auf Umgebungsfaktoren, sogenannte Zeitgeber, angewiesen. Dieser Synchronisationsvorgang wird als Entrainment bezeichnet. Einer der wichtigsten Zeitgeber ist die Sonne. Heutzutage wird der Alltag der Menschen jedoch von der festgelegten Zonenzeit bestimmt, und die kann sich erheblich von der wahren Ortszeit unterscheiden, die vom Stand der Sonne vorgegeben ist. Beispielsweise liegt Mitternacht am westlichsten Zipfel der mitteleuropäischen Zeitzone (MEZ), in Santiago de Compostela, anderthalb Stunden vor der eigentlichen Mitte der Nacht. Die Forscher befassten sich mit der Frage, ob die innere Uhr des Menschen auch heute noch mit der tatsächlichen Sonnenzeit ihrer Heimatstadt synchronisiert ist oder nur noch mit der gesellschaftlich vorgegebenen Uhrzeit, die von der Zeitzone abhängt, in der das jeweilige Land sich befindet. Dazu wurden über 20 000 Deutsche zu ihren Schlaf- und Wachgewohnheiten an Arbeits- und Urlaubstagen befragt und diese Angaben dann dem Wohnort der Studienteilnehmer zugeordnet, um zu analysieren, wie der Schlaf-Wach-Rhythmus vom Wohnort des Befragten abhängt. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass sich die innere Uhr von Menschen in dünn besiedelten Gebieten stärker nach der Sonnenzeit richtet als die innere Uhr von Großstädtern. Dieses Studienergebnis führen die Forscher darauf zurück, dass Städter normalerweise weniger natürlichem Tageslicht ausgesetzt sind als Menschen in ländlicheren Gebieten. Außerdem, so die Forscher weiter, seien die sozialen Zeitgeber in Städten unter Umständen dominanter als in ländlichen Regionen, wo natürliche Zeitgeber überwögen. "Unsere Studienergebnisse legen nahe, dass die individuelle, zirkadiane Zeit einen größeren Einfluss ausübt als die soziale, äußere Zeit, auf die sich wissenschaftliche Studien, Stundenpläne, Arbeitszeiten oder medizinische Überlegungen stützen", lautet das Fazit der Verfasser. "Vor dem Hintergrund sollte auch überdacht werden, welche Auswirkungen die Umstellung auf Sommerzeit auf den Menschen hat." Die meisten Menschen sind der Ansicht, dass sich ihre innere Uhr ohne weiteres auf soziale Zeitgeber einstellen kann, und einige Studien legen auch nahe, dass sich Menschen in der Tat leicht an die Zeitumstellung gewöhnen. Der federführende Autor und Koordinator des EUCLOCK-Projekts Professor Till Roenneberg von der Ludwig-Maximilians-Universität in München zieht dies allerdings in Zweifel. "Wenn man bedenkt, dass Menschen erwiesenermaßen bereits auf die 36-minütige Verschiebung des Sonnenauf- bzw. -untergangs, wie er zwischen Ost- und Westdeutschland zu beobachten ist, sensibel reagieren, halte ich es für unwahrscheinlich, dass sich die innere Uhr ohne weiteres an eine künstliche Zeitverschiebung von einer vollen Stunde, die nur auf dem Zifferblatt stattfindet und sich nicht in dem Zeitpunkt des Sonnenauf- bzw. -untergangs widerspiegelt, anpassen kann", so Roenneberg. "Wir führen derzeit eine großangelegte Feldstudie durch, in der wir die Reaktionen von Einzelpersonen auf die Zeitumstellung untersuchen. Derzeit untersuchen wir, wie es sich auswirkt, wenn die Uhr zurückgestellt wird (im Oktober), in Kürze wird untersucht, wie es sich auswirkt, wenn die Uhr wieder eine Stunde vorgestellt wird (im März)." Andere Wissenschaftler des EUCLOCK-Projekts untersuchen, welche physiologischen Prozesse den zirkadianen Rhythmus unseres Körpers beeinflussen und wie diese auf Zeitgeber reagieren. Außerdem wird erforscht, wie Schichtarbeit unsere innere Uhr beeinflusst. Ziel der Forscher ist es, den Betroffenen zu helfen, besser mit der ständigen Umstellung des Tagesrhythmus zurechtzukommen. Ferner hoffen die Projektpartner, dass ihre Arbeit Menschen helfen wird, ihren Tagesablauf besser zu strukturieren und so ihre Gesundheit zu verbessern und ihre Lebensqualität zu erhöhen. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt werden möglicherweise die politische Entscheidungsfindung beeinflussen. Im 20. Jahrhundert wechselten viele europäische Länder die Zeitzone. Portugal etwa gehörte von 1966 bis 1976 und von 1992 bis 1996 zur mitteleuropäischen Zeitzone. Heute gilt in Portugal Mittlere Greenwich-Zeit. In Großbritannien wurde mehrmals phasenweise die MEZ ausprobiert, doch aufgrund des Anstiegs der Unfallrate an dunklen Wintermorgen kam man letztlich immer wieder auf die Mittlere Greenwich-Zeit zurück. Tim Yeo, Mitglied des Parlaments, arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf, der die Umstellung auf MEZ für eine Versuchsphase vorsieht. Am 26. Januar wird in zweiter Lesung über den Entwurf entschieden. "Wenn die Uhr um eine Stunde vorgestellt würde, könnten der Royal Society for the Prevention of Accidents zufolge über einhundert Menschenleben jährlich gerettet werden, da die Zahl der Unfälle zurückgehen würde", argumentiert Yeo. "Jüngste Studien der Universität Cambridge legen nahe, dass so auch Energie eingespart werden könnte, da der Stromverbrauch zurückginge, was wiederum aufgrund der Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes zum Klimaschutz beitragen würde." Befürworter führen auch an, dass mehr Tageslicht am Abend mehr Gelegenheiten für Aktivitäten an der frischen Luft wie beispielsweise Sport bietet und britische Unternehmen den ganzen Geschäftstag über mit Kollegen und Geschäftspartnern im übrigen Europa kommunizieren könnten.

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