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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Einheit in Vielfalt

"Einheit in Vielfalt": So lautet das Motto der Europäischen Union, so wie sie sich derzeit darstellt. Es zielt darauf ab, gemeinsame Werte wie Freiheit, Frieden und Solidarität in einer aus unterschiedlichen Kulturen und Sprachen zusammengesetzten Union zu verteidigen. Doch ...

"Einheit in Vielfalt": So lautet das Motto der Europäischen Union, so wie sie sich derzeit darstellt. Es zielt darauf ab, gemeinsame Werte wie Freiheit, Frieden und Solidarität in einer aus unterschiedlichen Kulturen und Sprachen zusammengesetzten Union zu verteidigen. Doch wie gut meistert die EU diese Herausforderung? LANMOB, ein abgeschlossenes Projekt, das mit EU-Mitteln gefördert wurde, hat die Rolle der EU beim Schutz und der Förderung von Sprachenvielfalt untersucht, insbesondere was regionale Minderheitensprachen und Sprachen von Immigrantengruppen anbelangt. Lediglich drei Prozent der Sprachen der Welt werden in Europa gesprochen, wodurch der Kontinent aus linguistischer Sicht einer der homogensten weltweit ist. Daher erstaunt es, dass rund 50 Millionen Menschen in der EU traditionell über 50 Sprachen als Regional- oder Minderheitensprachen sprechen. Lässt man seinen Blick über die derzeitigen Grenzen der EU hinausschweifen, steigt die Zahl beträchtlich an. Es wird geschätzt, dass in ganz Europa 150 traditionelle Regional- oder Minderheitensprachen gesprochen werden. Bei dem unter dem Fünften Rahmenprogramm (RP5) finanzierten Projekt LANMOB lag der Schwerpunkt auf der Geschichte und dem Status von Minderheitensprachen in fünf europäischen Ländern: Frankreich, Deutschland, Vereinigtes Königreich, Italien und Spanien. "Wir fanden heraus, dass sich der Status der Minderheitensprachen von Land zu Land erheblich unterscheidet", so Professor Giovanna Campani gegenüber CORDIS-Nachrichten. Viele Faktoren spielen bei der Statusbestimmung eine Rolle, darunter u. a. der historische und politische Hintergrund jedes einzelnen Landes, die demographischen Gegebenheiten und die geographische Situierung der Minderheitengemeinschaften und ob es sich bei diesen Sprachen traditionell um Schriftsprachen oder um mündliche Sprachen handelt. In all diesen Ländern hatten Regierungen seit dem 18. und 19. Jahrhundert versucht, der Bevölkerung eine kulturelle und sprachliche Homogenität aufzuerlegen, um das Vorhaben der Nationalstaatenbildung zu fördern. Unter der Oberfläche jedoch existierte weiterhin eine kulturelle und sprachliche Vielfalt. In Katalonien behielt die Oberklasse Katalanisch als schriftliche und mündliche Sprache bei, während die Richter am obersten Gerichtshof in Schottland ihre Urteile weiterhin in Schottisch sprachen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann man sich über die Bedeutung dieser Sprachen Gedanken zu machen. "In den vergangenen 15 bis 20 Jahren ging der Trend in Richtung einer Anerkennung von regionalen Minderheitensprachen", erklärt Professor Campani. Alle in diesem Projekt berücksichtigten Länder haben Richtlinien umgesetzt, um diese Sprachen zu schützen. In Italien wurde 1999 ein neues Gesetz zum Schutz von 12 der 15 Regionalsprachen verabschiedet, wenngleich andere Minderheitensprachen wie etwa die der Gemeinde der Sinti und Roma unter den Tisch fielen. Allerdings wird kontrovers diskutiert, ob diese Regionalsprachen unterrichtet werden sollen. Während Befürworter der Ansicht sind, Unterricht sei notwendig, um diese Regionalsprachen zu erhalten und der lokalen Kultur Respekt zu zollen, "erheben Gegner grundsätzliche Einwände gegen Zweisprachigkeit in den ersten drei Schuljahren", erklärt Professor Campani. Gegner führen auch ins Feld, Regionalsprachen seien oft nicht standardisiert (wodurch es schwierig sei, Lehrpläne zu erstellen), von zweifelhaftem praktischen Nutzen (da die meisten von einer geringen Personenzahl gesprochen würden, ohne nennenswerte Veröffentlichungen), und der Lehrplan von öffentlichen Schulen sei bereits zu voll und die finanzielle Lage zu angespannt. Das Thema führt auch zu weiter reichenden, ebenfalls kontrovers diskutierten Fragen hinsichtlich regionaler Autonomie. "Es gibt daher sehr große Unterschiede in der Politik der einzelnen Länder", so Professor Campani. Die Unterschiede bei der Auswahl der Sprachen, die unter Schutz gestellt wurden, sind auf das Fehlen einer allumfassenden, EU-weit gültigen Definition des Begriffs Minderheit oder Minderheitensprache bzw. das Fehlen einer Unionspolitik sowie andere, bereits aufgeführte Faktoren zurückzuführen. Im Jahr 1992 wurde die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen erstellt, ein internationales Abkommen, das vom Europarat überwacht wird und von zahlreichen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde. Die Sprachencharta definiert diese Sprachen als "traditionell von Bevölkerungsteilen eines Staates gesprochene Sprachen, ausgenommen Dialekte der Amtssprache(n), Zuwanderersprachen oder Kunstsprachen." "In der Charta finden allerdings nur Regionalsprachen Berücksichtigung, Sprachen von Immigrantengruppen hingegen nicht, da sie nicht offiziell anerkannt werden", erklärt Professor Campani. In keinem der untersuchten Länder fand das Projekt klare Aussagen zu den Ansprüchen von Immigranten auf Beibehaltung ihrer Sprache. Größtenteils wurden Maßnahmen zum Schutz von Minderheitensprachen von Immigranten als Teil einer allgemeinen Vorgehensweise zur Förderung interkultureller Bildung an Schulen eingeleitet. Vielen dieser Maßnahmen liegen allerdings bilaterale Vereinbarungen mit den Herkunftsländern zugrunde, was darauf hindeutet, dass diese Sprachen nicht als kulturelles und sprachliches Erbe des Einwanderungslandes betrachtet werden. Aufgrund der begrenzten Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stünden, hänge das Überleben der Sprachen von Immigranten sehr stark davon ab, wie gut die jeweiligen Diaspora organisiert seien, ob sie etwa über eigene Zeitungen und andere Medien verfügen, erklärt Professor Campani. Nach Ansicht von Professor Campani ist es wichtig für die Zukunft der Europäischen Union, dass alle Minderheitensprachen anerkannt und geschützt werden. "Die Herausbildung von Nationalstaaten gehört zur jüngsten Vergangenheit. In der Renaissance war es beispielsweise ganz normal, mehrere Sprachen zu sprechen", so Professor Campani gegenüber CORDIS-Nachrichten. "Nationalstaaten haben zur Unterdrückung von Minderheitensprachen geführt. Doch diese kulturellen Erfahrungen müssen als Teil der EU anerkannt werden. ' Professor Campani ist der Auffassung, dass es dem Aufbauprozess einer stärkeren Union förderlich sei, wenn die kulturelle Energie von Minderheiten und ihren Sprachen freigesetzt würde, ein Prozess, der - wie sie anmerkt - oft schwerfällig sei, da die Mitgliedstaaten ihre eigenen Interessen zu schützen versuchen. Auch Immigrantensprachen sollten nicht außen vorgelassen werden, auch wenn sie umstrittener seien, so die Professorin, "weil es wichtig ist, Immigranten nicht nur als wirtschaftliche Werkzeuge zu betrachten, sondern auch als kulturelle Ressourcen. In einer globalisierten Welt ist es unentbehrlich, alle vorhandenen kulturellen Ressourcen zu fördern." Zu den Empfehlungen, die das Projektkonsortium ausgesprochen hat, zählen die Einrichtung eines gemeinsamen offiziellen Büros, an das sich Minderheitengruppen wenden können, weitere Investitionen in Bildungs- und Medienressourcen für diese Sprachen und eine größere Anerkennung der Bedeutung von Immigrantensprachen durch die EU. Seit dem Ende des Projekts im Jahr 2005 befassen sich EU-Politiker mit dem Thema Sprachenvielfalt. Im Aktionsplan zur Mehrsprachigkeit, den die Kommission 2005 aufgestellt hat, heißt es, das Unterrichten von Regional- und Minderheitensprachen solle auch in der nationalen Sprachpolitik in Betracht gezogen werden, genauso wie Möglichkeiten für Migranten, die Sprache des Gastlandes zu erlernen (und das Unterrichten von Migrantensprachen). Im Jahr 2007 soll das neue Programm für lebenslanges Lernen finanzielle Mittel für Projekte bereitstellen, die sich mit allen Sprachen der EU, einschließlich Regional- und Minderheitensprachen, befassen.

Länder

Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich