Skip to main content
CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

Article Category

Nachrichten
Inhalt archiviert am 2023-03-02

Article available in the following languages:

Virtuelles Puzzle aus 600 Millionen Teilen: Automatische Rekonstruktion von Stasi-Akten

In den letzten Tagen der DDR wurde Stasi-Offizieren befohlen, ihre Akten zu schreddern und dann zu verbrennen. Da die Reißwölfe die Aktenberge nicht bewältigen konnten und ausfielen, mussten die Offiziere die Dokumente jedoch von Hand zerreißen. Doch der Abtransport stockte eb...

In den letzten Tagen der DDR wurde Stasi-Offizieren befohlen, ihre Akten zu schreddern und dann zu verbrennen. Da die Reißwölfe die Aktenberge nicht bewältigen konnten und ausfielen, mussten die Offiziere die Dokumente jedoch von Hand zerreißen. Doch der Abtransport stockte ebenfalls, sodass am Ende schätzungsweise 45 Millionen DIN A 4-Blätter nicht verbrannt werden konnten. Seit 1991 versucht ein Team aus 30 Mitarbeitern, die Akten in mühevoller Kleinstarbeit zu rekonstruieren, um so neue Informationen über die Machenschaften der Stasi und ihrer Mitarbeiter zu erhalten. Bis jetzt hat das Team den Inhalt von 350 Säcken erfolgreich zusammengesetzt. Für die restlichen 16 000 Säcke bräuchten sie allerdings noch einmal 400 bis 800 Jahre. Eine neue, vom Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) entwickelte Technologie soll die restlichen Akten nun in einem Bruchteil der Zeit zusammensetzen. Der E-Puzzler, das fortschrittlichste Mustererkennungssystem der Welt, wurde schon 2003 fertig gestellt. Jetzt unterstützt die Regierung ein Pilotprojekt zur Rekonstruktion des Inhalts von zunächst 44 Säcken. "Das virtuelle Puzzeln funktioniert nach derselben Logik wie das manuelle Puzzeln", erklärt Dr. Bertram Nickolay, Abteilungsleiter am IPK. Das Team, das bis jetzt die Dokumente manuell rekonstruiert hat, ermittelt anhand von mehreren Faktoren, etwa Form, Farbe und Handschrift, ob zwei Teile zusammenpassen oder nicht. Für das neue System müssen die Schnipsel zunächst beidseitig eingescannt werden. Der E-Puzzler berechnet verschiedene Attribute der Papierstücke, um die Anzahl der Suchparameter einzuschränken. Während das IPK-Team auf die Mittelzusage der Regierung wartete, wurde der E-Puzzler für andere Zwecke eingesetzt. So hat er chinesischen Archäologen bei der Rekonstruktion zerbrochener Figuren der Terrakotta-Armee geholfen, zur Lösung eines internationalen Steuerfluchtfalles beigetragen und Hunderttausende von Geldscheinen zusammengesetzt, die eine Mutter zerrissen hatte, damit ihre Tochter das Geld nicht erbt. Diese breite Palette an Anwendungsmöglichkeiten deutet schon darauf hin, dass die Nachfrage nach dem E-Puzzler enorm sein wird, sobald er im Handel erhältlich ist. Die Wissenschaftler haben bereits Anfragen aus weiteren ehemals kommunistischen Ländern Osteuropas erhalten, aber auch aus Ländern, in denen in der Vergangenheit eine Militärdiktatur herrschte.

Länder

Deutschland