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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Dringender Handlungsbedarf zur Rettung der europäischen Meere

Die europäischen Meere sind ernsthaft bedroht. Wenn wir weitere Schäden verhüten wollen, besteht dringender Handlungsbedarf. So unmissverständlich bringen die Projektpartner des Projekts European Lifestyles and Marine Ecosystems (ELME), das von der EU unter dem Sechsten Rahmen...

Die europäischen Meere sind ernsthaft bedroht. Wenn wir weitere Schäden verhüten wollen, besteht dringender Handlungsbedarf. So unmissverständlich bringen die Projektpartner des Projekts European Lifestyles and Marine Ecosystems (ELME), das von der EU unter dem Sechsten Rahmenprogramm (RP6) gefördert wurde, die Lage in einem Bericht auf den Punkt. Im Rahmen dieses Projekts, an dem 28 Institutionen aus 15 Ländern beteiligt waren, wurden die vier größten europäischen Gewässer untersucht: die Ostsee, das Schwarze Meer, das Mittelmeer und der Nordostatlantik. Das Ziel des Projekts bestand darin, zu untersuchen, wie die jüngsten wirtschaftlichen und politischen Veränderungen in Europa, etwa die EU-Erweiterung und das rapide Wirtschaftswachstum, den Lebensstil der Europäer beeinflussen, und welche Auswirkungen dieser veränderte Lebensstil auf die europäischen Meere hat. Die Wissenschaftler untersuchten jedes einzelne Meer hinsichtlich vier umweltbezogener Faktoren: Veränderungen des Lebensraums, Eutrophierung (übermäßige Ansammlung von Nährstoffen im Meer), chemische Verunreinigung und Fischerei. Daraufhin entwickelten sie Modelle, in denen diese Umweltveränderungen mit wirtschaftlichen und sozialen Faktoren in Zusammenhang gebracht wurden. Anhand dieser Modelle wurde dann vorausgesagt, was unter Zugrundelegung unterschiedlicher sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungen in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich eintreten wird. "Bei der Untersuchung jedes Meeres stießen wir auf ernsthafte Schäden, die auf die beschleunigte Entwicklung in den Küstengebieten zurückzuführen sind, etwa durch Gütertransporte und die Nahrungsmittelerzeugung an Land wie im Wasser", so Projektkoordinator Professor Laurence Mee vom Meeresforschungsinstitut der Universität Portsmouth. "Wenn wir unsere Anstrengungen nicht bündeln und den Schutz der Meere in den europäischen Entwicklungsplänen nicht berücksichtigen, dann werden wir die biologische Vielfalt der Meere und ihre Ressourcen verlieren." Für jedes Meer ermittelten die Wissenschaftler "Gewinner" und "Verlierer". "Fast immer handelt es sich bei den Gewinnern um Arten, die in der Nahrungskette weit unten angesiedelt bzw. sehr anpassungsfähig sind, und das sind zumeist unattraktive Arten", heißt es in dem Bericht. Eutrophierung ist ein Problem, von dem alle untersuchten Meere betroffen sind, doch die Binnenmeere (die Ostsee, das Schwarze Meer und das Adriatische Meer im Mittelmeer) sind am stärksten betroffen. Die Erzeugung von Nahrungsmitteln ist die Hauptursache von Eutrophierung, denn zu Eutrophierung kommt es, wenn überschüssige Nährstoffe ins Meer geschwemmt werden. Änderungen des Lebensstils verschlimmern dieses Problem leider, denn mit steigendem Wohlstand nimmt auch der Fleischkonsum zu, und zur Erzeugung von Fleisch ist mehr Land notwendig als zur Erzeugung von Gemüse oder Getreide. "Ohne einschneidende Veränderungen in den landwirtschaftlichen Praktiken wird der steigende Verbrauch von Proteinen dazu führen, dass noch mehr Nährstoffe in die Gewässer gelangen", heißt es in dem Bericht weiter. Des Weiteren wird die - insbesondere in Osteuropa - immer intensiver betriebene Viehzucht mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass größere Mengen an Ammoniak in die Umwelt gelangen. Steigender Wohlstand zieht auch den Verlust von Lebensräumen nach sich. "Steigender Wohlstand und größere individuelle Mobilität haben zum Anstieg der Bevölkerung in Küstengebieten und damit zu erhöhtem Verbrauch von Ressourcen geführt", heißt es in dem Bericht. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in den Küstengebieten kam es zum Verlust zahlreicher Küsten- und küstennaher Lebensräume. Allerdings sind diese Ökosysteme nicht nur wichtig für die Umwelt, sondern häufig auch bedeutende Touristenattraktionen, sodass ihr Verlust gravierende wirtschaftliche Folgen haben könnte. Auch Schifffahrt und Transport schädigen das maritime Ökosystem, da fremde Arten auf diesem Wege in neue Gewässer vordringen können. Diese sogenannten invasiven Arten stehen oft in Konkurrenz zu einheimischen Arten und verdrängen sie über kurz oder lang. Veränderungen in der Fischerei sind zumeist auf die Gemeinsame Fischereipolitik zurückzuführen, etwa auf die Beachtung der zulässigen Gesamtfangmenge sowie auf Subventionen und Unterstützungsprogramme. Wie die Wissenschaftler herausgefunden haben, hat es insgesamt voraussichtlich keinen nachhaltigen Effekt, Fischerei getrennt von anderen Umweltfragen zu betrachten. Bei Chemikalien sind vor allem alltägliche Gebrauchschemikalien, wie sie in Haushaltsprodukten enthalten sind, besorgniserregend. Diese gelangen regelmäßig in die Umwelt, obwohl bei vielen von ihnen bekannt ist, dass die giftig sind. Allerdings wissen wir derzeit noch wenig darüber, wohin genau diese Chemikalien gelangen, wenn sie erst einmal in der Umwelt sind, bzw. was geschieht, wenn sich mehrere miteinander vermischen. "Zur Umsetzung des ökosystemaren Schutzkonzepts wie es im Entwurf der Meeresstrategie-Richtlinie der EU und dem Grünbuch zur Meerespolitik vorgesehen ist, müssen wir uns dringenden Herausforderungen stellen", so die Verfasser des Berichts abschließend. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann wird der Mangel an zusätzlichem Engagement zur Unterstützung der umfassenden Erfassung und Verwaltung jedes einzelnen regionalen Gewässers gemäß unserem Modell dazu führen, dass sich der Zustand der Meere immer weiter verschlechtert und es irgendwann zu spät ist zu handeln." Die Wissenschaftler rufen die politischen Entscheidungsträger ferner dazu auf, nie dagewesene, unerwartete Herausforderungen anzugehen, und merken an: "Es muss unbedingt gewährleistet werden, dass die Meerespolitik in Zukunft nicht nur auf akute, altbekannte Notwendigkeiten und Veränderungen reagiert, sondern sich weiter darum bemüht, kommende Entwicklungen abzuschätzen, um so frühzeitig die zahlreichen potenziellen Unsicherheiten zu erkennen, die die Zukunft bereit halten könnte."