Forscher entdecken neue Verbindung zur Behandlung von Pilzinfektionen
Wissenschaftler des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) und aus den USA haben einen neuen Mechanismus identifiziert, der hartnäckige Pilzinfektionen angreift. In der Juni-Ausgabe des Magazins Science beschreiben sie, wie eine neue Verbindung Pilzerreger durch Blockierung eines Enzyms abtötet, das die Erreger für ihre Proteinsynthese benötigen. Im menschlichen Körper leben zahlreiche verschiedene Pilzarten. Während uns die meisten nicht schaden, können einige Pilze jedoch sehr unangenehme Infektionen der Haut, der Nägel oder der Lunge verursachen. "Wir haben eine neue Verbindung entdeckt, die das Potenzial dazu hat, gewöhnliche chronische Pilzinfektionen der Nägel zu behandeln", sagte Dickon Alley, Forscherin bei Anacor Pharmaceuticals, einer der Partner der Studie. "Die AN2690 genannte Verbindung tötet Pilze, indem sie ihre Proteinbildungsfähigkeit blockiert. Im klinischen Versuch war sie erfolgreich", fügte Dickon Alley hinzu. AN2690 behindert ein Enzym mit der Bezeichnung Leucyl-tRNA Synthetase, das an der Translation beteiligt ist, einem der letzten Schritte bei der Umwandlung des DNA-Gencodes in ein Protein. Der Prozess beginnt damit, dass die Zelle eine RNA-Version (Ribonukleinsäure) des Gencodes erstellt. Sie wird als Messenger-RNA oder Boten-RNA bezeichnet. Dann übertragen die Ribosome - zuständig für die Proteinsynthese in der Zelle - die Messenger-RNA in ein Protein, indem sie Aminosäuren in der in der Botschaft angegebenen Reihenfolge miteinander verketten. Dazu ist die Hilfe von tRNA genannten Molekülen nötig, die den Code der Messenger-RNA mit der richtigen Aminosäure verbinden. Leucyl-tRNA-Synthetase gehört zu einer Enzymgruppe, die als Aminoacyl-tRNA-Synthetase bezeichnet wird, welche jede tRNA mit der richtigen Aminosäure verbindet. Einige dieser Enzyme haben zwei zentrale funktionelle Stellen oder aktive Seiten: eine Seite, die die Aminosäure mit der tRNA verbindet und eine getrennte "Edierungsstelle" (editing site), die diesen Prozess überprüft und falsch verbundene Aminosäuren wieder entfernt. Um jetzt genau herauszufinden, wie AN2690 die Leucyl-tRNA Synthetase genau blockiert, haben Stephen Cusack, Leiter der Außenabteilung des EMBL im französischen Grenoble, und sein Team Kristalle von dem Enzym hergestellt, das bei vorhandenen AN2690 und tRNA gebunden wurde. Anschließend wurden diese Kristalle mit der hochintensiven Röntgenstrahlungsquelle der Europäischen Synchrotron-Strahlungsanlage untersucht. Dabei fanden Dr. Cusack und seine Kollegen heraus, dass sich AN2690 an die "Edierungsstelle" des Enzyms anheftet, wo es eine sehr feste Bindung am Ende der tRNA eingeht und diese auf dem Enzym festhält. Dadurch kann das Enzym nicht mehr funktionieren, die Proteinsynthese wird blockiert und die Pilzzelle getötet. Dieser Mechanismus ist von einem Bor-Atom abhängig, das zum AN2690 gehört und benötigt wird, um die Verbindung mit der tRNA herzustellen. Zum ersten Mal beschreiben Wissenschaftler einen derartigen Mechanismus, bei dem borhaltige Verbindungen eine neue Klasse angehender Medikamente einleiten könnten. "Da wir jetzt wissen, wie AN2690 funktioniert, könnte derselbe Ansatz auch angepasst werden, um andere Aminoacyl-tRNA-Synthetasen mit "Edierungsstellen" und auch andere pathogene Mikroben anzuzielen", sagte Dr. Cusack. "Wir arbeiten jetzt daran, entsprechende antibakterielle Verbindungen ausfindig zu machen, die auch bei dem Problem der Antibiotikaresistenz helfen könnten", fügte Dr. Cusack hinzu.