Konferenz: Klimawandel und Energieknappheit sind die größten Gefahren für die europäische Landwirtschaft
Vor welchen Herausforderungen steht die europäische Landwirtschaft? Und wie kann die Forschung Landwirten und ländlichen Gemeinden helfen, diese Herausforderungen zu meistern? Das waren die zentralen Fragen einer Konferenz zur Zukunft der Agrarforschung am 26. und 27. Juni in Brüssel. Ausgangspunkt der Veranstaltung war eine Vorausschau des Ständigen Agrarforschungsausschusses (SCAR) der EU. Eine im Jahr 2006 gegründete Vorausschau-Expertengruppe entwickelte verschiedene Szenarien anhand der Faktoren, die in der europäischen Landwirtschaft im Laufe der nächsten 20 Jahre wahrscheinlich die größten Probleme und Störungen verursachen werden. Im Klimaschock-Szenario ist es die Verstärkung der durch den Klimawandel verursachten Umweltauswirkungen, die die europäische Landwirtschaft ernsthaft beeinträchtigt. Das zweite Szenario geht von einer Energiekrise aus, weil mangelnde Investitionen in Bioenergien das Energieangebot erheblich verknappen, was wiederum zu einer Explosion des Ölpreises führt. Ein weiteres Szenario spielt eine Nahrungsmittelkrise durch: Hier steht die globale Landwirtschaft vor der Aufgabe, die wachsende Weltbevölkerung mit einer ausreichenden Menge an sicheren Lebensmitteln zu versorgen. Einen optimistischeren Ausblick bietet das Szenario "Zusammenarbeit mit der Natur": Gesellschaft und Technologie arbeiten Hand in Hand, um auf allen Ebenen eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen. Die Autoren des Vorausschau-Berichts weisen darauf hin, dass in ihrem Konzept eine "Störung" eine schnelle Veränderung ist, die sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben kann. "Die größten Herausforderungen", so schreiben sie, "denen sich die Akteure im Agro-Lebensmittelbereich gegenübersehen, sind daher die Geschwindigkeit der Anpassung und die Erarbeitung proaktiver Lösungen, die eine europäischen Spitzenposition in diesem Bereich sicherstellen." Mehrere Teilnehmer des Workshops unterstützten die Ergebnisse der Vorausschau-Gruppe, wobei die meisten übereinstimmten, dass in den kommenden Jahrzehnten insbesondere der Klimawandel ein immenses Problem für die europäischen Landwirte darstellen könnte. "Die Niederschlagsintensität weist bereits Veränderungen auf", so Jorgen Olesen vom dänischen Institut für Agrarwissenschaften, der auch am jüngsten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) mitgearbeitet hat. Dürreperioden, Veränderungen in den Jahreszeitzyklen und steigende Anfälligkeit für andere Arten von Umweltdruck seien nur einige der Herausforderungen, die die Landwirtschaft als Folge des Klimawandels angehen müsse, so Olesen. Damit die Landwirtschaft diese Herausforderungen meistern kann, ist weitere Forschung zu den sekundären Auswirkungen des Klimawandels notwendig, zum Beispiel Krankheiten und extreme Ereignisse, aber auch zu Fragen der Bewirtschaftungsmethoden und der Technologien, die zu einer Senkung der Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft beitragen können. Zum Thema Energie empfahl Steffen Däbeler von der deutschen Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe, die Forschung zu Biokraftstoffen solle sich auf die Entwicklung von Pflanzen konzentrieren, die einen höheren Ertrag pro Hektar bieten, sowie auf verbesserte Technologien für die Biokraftstoff-Produktion, zum Beispiel Kraftstoffe der zweiten Generation und die Verwendung von Rückständen. Er regte auch weitere Arbeit zu Zertifizierungsprogrammen an. Calliope Panoutsou von der europäischen Biokraftstofftechnologie-Plattform stimmte dem zu und wies darauf hin, dass es zur Biokraftstofffrage keine Patentlösung gäbe, sondern dass der Gesetzgeber Technologieoptionen zulassen solle, um so Anreize für den Wettbewerb bei der Entwicklung von Biokraftstoffen zu schaffen. Die Forschung solle sich auf die bestmögliche Nutzung der Pflanzen konzentrieren, um so die Effizienz zu steigern. Fazit der Konferenz war jedoch die klare Botschaft, dass Forschung allein nicht ausreicht. Vielmehr müsse das generierte Wissen auch in Produkte und Anwendungen umgesetzt werden, die dann in einer Form zu den Landwirten und anderen Beteiligten zurückfließen, die ihnen bei ihrer Entscheidungsfindung und ihrer Arbeit hilft. "Wir brauchen das, was alle brauchen: Zugang zu Forschungsergebnissen", fasste Giacomo Ballari, Präsident des europäischen Rats der Junglandwirte zusammen. "Wir brauchen eine gemeinsame Plattform, auf der Forscher und Landwirte zusammen kommen können." "Wir brauchen ein Forschungsumfeld, das Innovation und Mechanismen für eine schnelle Umwandlung von Wissen in Anwendungen fördert", so Jim Scudamore von der Europäischen Technologieplattform für weltweite Tiergesundheit. Die Konferenzbeiträge werden zusammen mit anderen Ergebnissen der Vorausschau in einen Bericht der Europäischen Kommission über die Koordinierung der Agrarforschung in Europa fließen. Der Bericht wird 2008 dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt.