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Wissenschaftler enträtseln ein 30 Jahre altes Antimaterie-Geheimnis

Ein internationales Forscherteam hat ein 30 Jahre altes Rätsel um den Ursprung einer riesigen Wolke aus Antimaterie in der zentralen Region der Milchstraße gelöst. Die Wolke, die einen Durchmesser von 10.000 Lichtjahren hat und die Energie von 10.000 Sonnen erzeugt, wurde in...

Ein internationales Forscherteam hat ein 30 Jahre altes Rätsel um den Ursprung einer riesigen Wolke aus Antimaterie in der zentralen Region der Milchstraße gelöst. Die Wolke, die einen Durchmesser von 10.000 Lichtjahren hat und die Energie von 10.000 Sonnen erzeugt, wurde in den 1970er Jahren durch Gammastrahlendetektoren in Ballons entdeckt. Gammastrahlen entstehen, wenn einzelne Antimateriepartikel, sogenannte Positronen, auf ihr Materiegegenstück, die Elektronen, treffen und sich beide gegenseitig auslöschen. Antimaterie ist im Kosmos extrem selten, und die Entdeckung einer gigantischen Wolke mitten in unserer Galaxis löste unzähligen Spekulationen über ihren Ursprung aus. So wurden Supernovae ebenso bemüht wie Neutronensterne, kollidierende Himmelswinde und Prozesse, an denen Dunkle Materie beteiligt ist. In der aktuellen Forschungsarbeit analysierten die Wissenschaftler Daten unter der Leitung von Georg Weidenspointner vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, die der Satellit INTEGRAL (International Gamma-Ray Astrophysics Laboratory) der Europäischen Weltraumorganisation über vier Jahre gesammelt hatte, um sich ein genaueres Bild der Wolke zu verschaffen. Ihre Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht. Zu ihrer Überraschung entdeckten die Forscher, dass die Wolke eine asymmetrische Form hat: Im westlichen Teil der zentralen Region der Galaxis wurden doppelt so viele Positronen verzeichnet wie auf der östlichen Seite. INTEGRAL zeigte auch eine ähnlich ungleiche Verteilung einer Population von Doppelsternen, was den Schluss zulässt, dass ein Großteil der Antimaterie aus dieser Quelle stammt. Genauer gesagt sind diese Sterne massearme Röntgendoppelsterne (X-ray binary stars - LMXB). Bei diesen Systemen wird ein relativ normaler Stern bei lebendigem Leib von einer stellaren Leiche, einem Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch, aufgefressen. Das Schwerkraftfeld der stellaren Leiche ist dabei so stark, dass es das Gas aus dem normalen Stern herausreißt. Das Gas stürzt spiralartig auf die stellare Leiche zu, wobei in der enormen Hitze spontan Elektronen-Positronenpaare entstehen können. "Einfache Schätzungen deuten darauf, dass über die Hälfte oder womöglich die gesamte Antimaterie aus diesen Röntgenstrahl-Doppelsystemen stammt", so Dr. Weidenspointner, leitender Autor des Artikels. Der Rest könnte durch ähnliche Prozesse in der Umgebung des Schwarzen Loches im Zentrum der Galaxis und durch die verschiedenen Sternenexplosionen entstehen, die dort zu finden sind. Die Forschungsergebnisse lösen ein Rätsel, werfen aber gleichzeitig neue Fragen auf. Zum Beispiel sind Sterne normalerweise ziemlich gleichmäßig in der Galaxis verteilt, warum aber sind hier die Röntgendoppelsterne ungleich um das Zentrum der Galaxis verteilt? Auch können sich die Forscher noch nicht erklären, wie diese Systeme genug Positronen für die Wolke erzeugen können. In den kommenden Jahren werden Dr. Weidenspointner und sein Team versuchen, ihre Ergebnisse zu erhärten und diese noch offenen Fragen zu beantworten. "Die Verbindung zwischen LMXBs und Antimaterie ist bisher nicht bewiesen, aber in sich logisch", so Weidenspointner.

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