Neue Weltkarte macht Verstädterungstendenz deutlich
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heutzutage nur höchstens eine Stunde von einer Großstadt entfernt, es gibt aber nur 10% der weltweiten Landfläche, von wo aus man mehr als 48 Stunden bis zu einem Stadtzentrum benötigt. Dies sind nur zwei der Ergebnisse aus der neuen Verstädterungs-Weltkarte, die von der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der Europäischen Kommission für den Weltentwicklungsbericht 2009 der Weltbank angefertigt wurde. Die GFS und die Weltbank haben zur Untersuchung der Urbanisierungstendenz ein neues Maß entwickelt - den "Agglomerationsindex". In vorangegangenen Studien wurden nationale Definitionen von Ballungsgebieten verwendet, die allerdings häufig je nach Land verschieden waren. Beim Agglomerationsindex wurde zur Bestimmung von Ballungsgebieten die Bevölkerungsdichte verwendet, aber auch die Fahrtzeit zu den Stadtzentren der 8.500 Großstädte der Erde, d.h. derjenigen mit mehr als 50.000 Einwohnern. Die Fahrtzeit wurde dabei auf der Grundlage der Fläche und der vorhandenen öffentlichen Nahverkehrsmittel berechnet. Die Analysen der Wissenschaftler ließen erkennen, dass 95% der Weltbevölkerung nur 10% der Landfläche bewohnen und dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung nur höchstens eine Stunde von einer Großstadt entfernt lebt. Allerdings gibt es eindeutige Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. In den Staaten der Ersten Welt leben 85% der Bevölkerung höchstens eine Stunde von einer Stadt entfernt, während sich die Zahl in Entwicklungsländern, in denen weniger Großstädte vorhanden sind, auf 35% beläuft. Einige dieser Unterschiede können auch auf die Tatsache zurückgeführt werden, dass Pendlern in Industrienationen schnellere Verkehrsoptionen in Form von besseren Straßen und schnelleren öffentlichen Verkehrsnetzen zur Verfügung stehen. In Entwicklungsländern hingegen sind Pendler oft auf langsamere Formen des Verkehrs angewiesen. So müssen sie z.B. zu Fuß gehen, Fahrrad fahren oder minderwertige Busse nutzen, die auf nicht oder nur notdürftig instand gehaltenen Straßen fahren. Der Zugang zu Ballungsgebieten geht mit dem Zugang zu einigen der besten Kultur-, Ausbildungs- und Gesundheitseinrichtungen einher. Ballungsgebiete stellen auch Arbeitsplätze bereit und sind Drehkreuz für Kommunikation und Verkehr. Diese stärkere Vernetzung hat auch eine Kehrseite: Dank der Karte wird die Tatsache deutlich, dass die Wildnisgebiete der Erde inzwischen weniger entlegen sind als zuvor. Nur 10% der weltweiten Landfläche sind mehr als 48 Stunden von einem Stadtzentrum entfernt. Europa ist ganz besonders dicht besiedelt. "Es gibt fast keine Wildnis mehr", erklärt Alan Belward von der GFS CORDIS-Nachrichten gegenüber. "Wir haben uns der Herausforderung gestellt, verschiedene Informationsquellen mit den neuesten Kartierungsmethoden zusammenzubringen, um der Weltbank ein einzigartiges und aktuelles Produkt vorzulegen", berichtet Leen Hordijk, Leiter des Instituts für Umwelt und Nachhaltigkeit der GFS. "Unsere Karte wirft die Frage auf: Wie lange bleiben entlegene Ökosysteme noch entlegen? Viele von ihnen sind für die Gesundheit unseres Planeten entscheidend." "Die neuesten computergestützten Kartierungs- und Modellierungsmethoden wie die, die in der Gemeinsamen Forschungsstelle entwickelt wurden, zeichnen ein einzigartiges Bild unseres Planeten. Aus diesem Bild wird deutlich, wie wir alle immer mehr miteinander verbunden sind - besonders in Europa", fügt der für Wissenschaft und Forschung zuständige EU-Kommissar Janez Potocnik hinzu. "So kann man besser nachvollziehen, wie wichtig es ist, bei der Verwaltung unserer Ressourcen, aber auch in unserer Art zu leben und zu wirtschaften, nachhaltig vorzugehen." Die Wissenschaftler hoffen indessen, dass sich der neu geschaffene "Agglomerationsindex" bei der Untersuchung der Folgen der Verstädterung als nützliches Hilfsmittel erweisen wird.