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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Schmarotzende Schmetterlinge tricksen Ameisen mit Geräuschen aus

Ameisenköniginnen geben innerhalb der Ameisenkolonien unverwechselbare Geräusche von sich; das besagen die Erkenntnisse eines Teams italienischer und britischer Forscher. Noch weitaus interessanter ist jedoch die Tatsache, dass eine Spezies von sich zu Schmetterlingen entwicke...

Ameisenköniginnen geben innerhalb der Ameisenkolonien unverwechselbare Geräusche von sich; das besagen die Erkenntnisse eines Teams italienischer und britischer Forscher. Noch weitaus interessanter ist jedoch die Tatsache, dass eine Spezies von sich zu Schmetterlingen entwickelnden Larven durch die Nachahmung der Geräusche der Wirtsameisen die Arbeiterinnen perfekt täuschen kann. Die Ameisenarbeiterinnen nehmen die Larven tatsächlich in die Ameisenkolonie auf und füttern und umsorgen sie. Über die Ergebnisse der Forschungsstudie wurde jüngst im Journal Science berichtet. Forscher der Universität Turin (Italien), des Zentrums für Ökologie & Hydrologie (Centre for Ecology & Hydrology) und der Universität Oxford (beide Vereinigtes Königreich) entdeckten eine von einer Larvenart auf ihrem Weg der Entwicklung hin zu einem Schmetterling eingesetzte, überaus listige Taktik. Die Larven einer Schmetterlingsart, des sogenannten Kreuzenzian-Ameisen-Bläulings, schmuggeln sich in ein Ameisennest ein, indem sie die Arbeiterinnen mit einem Trick dazu bringen, sie in ihre Kolonie zu tragen. Dies alles geschieht ungeachtet der Tatsache, dass Ameisen in komplexen Gesellschaften mit gut entwickelten Kommunikationssystemen leben, und außerdem auch noch dafür bekannt sind, ihre Kolonien heldenmütig zu verteidigen. Sind die Larven erst einmal eingedrungen, nehmen sie nach Angaben des Forscherteams innerhalb der Wirtsameisenkolonie zu, bis sie 98% ihres Endgewichts erreicht haben, bevor sie 11 bis 23 Monate später Puppen bilden und sich in Schmetterlinge verwandeln. "Frühere Forschungen hatten gezeigt, dass Sozialparasiten wie die Larven des Kreuzenzian-Ameisen-Bläulings Duftstoffe absondern und ein Bettelverhalten ausnutzen, um in Wirtsameisenkolonien einzudringen", erklärt Dr. Francesca Barbero, führende Autorin der Studie von der Universität Turin. "Unsere neue Arbeit zeigt, dass die Rolle des Informationsaustauschs über Geräusche innerhalb von Ameisenkolonien bisher stark unterschätzt worden ist, und dass die akustische Nachahmung einen gänzlich anderen Weg des Eindringens für die 10.000 Arten von Sozialschmarotzern darstellt, die Ameisengesellschaften ausbeuten." Die Forscher bauten ein Spezialmikrofon und verwendeten Aufzeichnungen, um die Laute der Larven des Kreuzenzian-Ameisen-Bläulings an den Nestern ihrer Wirtsameisen vorzuspielen. Die Forschungsergebnisse zeigten, dass, wenn die Larve erst einmal eingedrungen ist und als Mitglied der Wirtsameisengesellschaft angenommen wurde, das Nachahmen der Geräusche erwachsener Ameisen (und insbesondere der Geräusche der Ameisenköniginnen) der Larve den nötigen Rückhalt gibt, um die soziale Leiter zu erklimmen und sich eine der höchsten Positionen in der Hierarchie der Kolonie zu sichern. "Unsere Experimente zeigten, dass die Arbeiterinnen die Larven in Reaktion auf deren Geräusche auf eine ähnliche Weise schützten, wie sie ihre eigenen Königinnen schützen", erläutert Mitautor Dr. Karsten Schönrogge vom Zentrum für Ökologie und Hydrologie. "Die Verwendung dieser besonderen Signale untermauert einen höheren sozialen Status, und zwar sowohl für die Ameisenköniginnen als auch für die Larven des Kreuzenzian-Ameisen-Bläulings. Dieser höhere Status ist höchst überlebenswichtig, wenn das Futter knapp ist." Professor Jeremy Thomas, derzeit an der Universität Oxford, führte in der Vergangenheit eine Studie durch, die zeigte, dass die Arbeiterameisen bei einer Störung der Ameisenkolonie sogar zuerst die Schmetterlingslarven retten, bevor die Ameisenlarven geschützt werden. Die Studie verdeutlichte außerdem, dass die für die Ameisenlarven zuständigen Arbeiterinnen nicht zögern, den eigenen Nachwuchs an die Sozialparasiten zu verfüttern, wenn es nicht ausreichend Futter gibt. "Diese Studie ist das letzte Teil eines Puzzles hin zu einem Verständnis, wie es die Larven des Kreuzenzian-Ameisen-Bläulings fertig bringen, die Larven ihrer Wirtsameisen zu übertrumpfen", betont Professor Thomas. "Die neuen Erkenntnisse werden eine wichtige Rolle bei der Gestaltung einer erfolgreichen wissenschaftlichen Naturschutzstrategie für diese faszinierenden Arten spielen", fügt er hinzu. "Solche Strategien müssen immer auf einem tief greifenden Verständnis der engen Wechselwirkungen zwischen dem Schmetterling und seiner Wirtsameise beruhen." Der Kreuzenzian-Ameisen-Bläuling befindet sich wegen der Veränderungen seines Lebensraums auf der Liste der bedrohten Arten. Nach Angaben der Forscher beschränkt sich der Lebensraum des Schmetterlings auf eine kleine Anzahl von Kalkmagerwiesen in gebirgigen Gegenden Europas, wobei eine spezielle Art von Ameisen mit den Enzianpflanzen koexistiert, die die jungen Larven brauchen.

Länder

Italien, Vereinigtes Königreich

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