Wissenschaftler spinnen reißfestere und dehnbarere Spinnenseide
Deutsche Wissenschaftler haben natürliche Spinnenfäden mit winzigen Mengen an Metall infiltriert und sie dadurch deutlich reißfester und dehnbarer gemacht. Dieses Verfahren könnte nach Angaben der Forscher zur Entwicklung extrem widerstandsfähiger Textilien, chirurgischer Fäden oder künstlicher Gewebe wie auch Knochen oder Sehnen beitragen. Auch für unterschiedlichste Anwendungen in Bereichen des Bauwesens, der Flugzeug- und Raumfahrttechnik besteht Bedarf an robusten, leichten Materialien. Wie man schon lange weiß, ist Spinnenseide überraschenderweise zäher und leichter als Stahl. So haben sich die Forscher in dieser neuesten, im Fachmagazin Science veröffentlichten Studie eines Tricks aus der Natur bedient, um die Eigenschaften dieses an sich schon sehr außergewöhnlichen Materials noch weiter zu verbessern. Bei vielen Insekten und anderen Lebewesen sind geringe Mengen an Metallen wie Zink, Mangan, Kalzium oder Kupfer in einzelnen Körperteilen, beispielsweise im Kiefer, in Klauen und Stacheln, enthalten, um diese steifer und härter zu machen. Die Wissenschaftler wandelten eine als Atomic Layer Deposition (Atomlagenabscheidung, ALD) bekannte Methode ab, um Zink-, Titan- und Aluminiumionen in die Spinnenseide einzubringen. ALD hinterlässt üblicherweise eine Schicht von Metalloxiden auf der Oberfläche der behandelten Faser. Eine auf diese Weise durchgeführte Behandlung zeigte allerdings nur wenig Einfluss auf die Stärke der Spinnenfäden. Mithilfe einer geringfügigen Anpassung des Verfahrens konnten die Forscher jedoch die Spinnenseide mit den Metallionen infiltrieren, die so ein Teil des Fadens wurden. Die auf diese Weise behandelte Seide ist sowohl fester als auch elastischer als unbehandelte Spinnenseide. Den Wissenschaftlern zufolge bedeutet das, dass man im Vergleich zu einem natürlichen, unbehandelten Spinnenfaden zehnmal mehr Energie benötigt, um einen behandelten Faden zu zerreißen. "Für die Praxis verspricht unsere Arbeit großes Potenzial, weil wir mit unserer Methode auch viele andere Biomaterialien reißfester und dehnbarer machen können", erklärt Dr. Mato Knez vom Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Deutschland. Einen Haken hat die Sache jedoch: Das Verfahren funktioniert nur mit Materialien, die zum größten Teil aus Proteinen bestehen. So haben Dr. Knez und sein Team diese Tatsache bereits erfolgreich ausgenutzt. Sie setzen die Methode ein, um Fasern aus Kollagen zu verstärken, jenem Protein, das unsere Knochen vor Brüchen und unsere Haut vor Rissen schützt. Der genaue Mechanismus, durch welchen das Metall die Seide infiltriert und sie verstärkt, liegt noch im Dunklen. Die Wissenschaftler haben jedoch einige Hinweise und sehr viele Ideen. "Wir nehmen an, dass die Metallatome die Proteinmoleküle untereinander verbinden", verrät Dr. Knez. Gewöhnlich bilden Wasserstoffatome die Brücken zwischen den verschiedenen Molekülen, aus denen die Spinnenseide besteht. Diese Wasserstoffbrücken werden während des ALD-Prozesses wahrscheinlich geschwächt oder aufgebrochen, wodurch dann die Metallatome, die stärkere Verbindungen eingehen, ihren Platz einnehmen. Dr. Knez betont, dass es wohl eher nicht zu erwarten sei, dass die metallverstärkte Spinnenseide in naher Zukunft in industriellen Anwendungen zum Einsatz kommt. Die Spinnen lassen sich nur unter großem Aufwand halten und sind - was die Menge der hergestellten Seide anbelangt - beim Spinnen nicht besonders produktiv. Dennoch ist er optimistisch, dass die neue Methode zur Entwicklung neuartiger Materialien führen wird. Er kommt zu dem Schluss: "Wir setzen darauf, dass wir auch die Eigenschaften von synthetischen Materialien, die natürliche Materialien imitieren, mit unserem Verfahren verbessern können."
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