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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Menschen hören lieber mit dem rechten Ohr zu

Menschen sind nicht symmetrisch: Die Wissenschaft weiß, dass wir lieber mit dem rechten als mit dem linken Ohr zuhören. Allerdings basierten die Schlussfolgerungen der Forscher bislang immer auf kontrollierten Laborstudien, nicht auf Beobachtungen des täglichen Verhaltens. Fol...

Menschen sind nicht symmetrisch: Die Wissenschaft weiß, dass wir lieber mit dem rechten als mit dem linken Ohr zuhören. Allerdings basierten die Schlussfolgerungen der Forscher bislang immer auf kontrollierten Laborstudien, nicht auf Beobachtungen des täglichen Verhaltens. Folgen wir also einem italienischen Team EU-finanzierter Forscher, das drei Studien über die Ohrpräferenz der Menschen bei sozialen Interaktionen in lauten Umgebungen durchführte, in die Welt der Nachtclubs und Diskotheken. Ihre Erkenntnisse wurden kürzlich in der Springer-Fachzeitschrift Naturwissenschaften veröffentlicht. Die Forschungsarbeit ist Teil des EDCBNL-Projekts ("Evolution and development of cognitive, behavioural and neural lateralisation"), das innerhalb des spezifischen Programms "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" mit Mitteln in Höhe von 2,49 Mio. EUR durch die EU gefördert wird. In drei Studien weisen Dr. Luca Tommasi und Daniele Marzoli von der Universität "Gabriele d'Annunzio" in Chieti-Pescara, Italien, nach, dass im täglichen Verhalten der Menschen eine natürliche Präferenz vorliegt, welche Körperseite bevorzugt wird. Frühere Studien haben eine Dominanz des rechten Ohrs bei der Wahrnehmung verbaler Reize gezeigt. Forscher stellten die Theorie auf, dass dies die Dominanz der linken Gehirnhälfte bei der Verarbeitung verbaler Informationen widerspiegelt. Diese neuesten Forschungsergebnisse untermauern die seit Langem bekannten Annahmen. Tommasi und Marzoli legten den Schwerpunkt ihrer Forschungsarbeit ganz besonders auf die Ohrpräferenz bei sozialen Interaktionen in der lauten Umgebung von Nachtclubs. In der ersten Studie wurden 286 Clubbesucher beim Reden vor lauter Hintergrundmusik beobachtet, wobei insgesamt 72 Prozent der Interaktionen (d. h. Diskussionen mit lauter Musik im Hintergrund) über die rechte Seite des Zuhörers vorgenommen wurden. Bei der Umsetzung der zweiten Studie wandte sich ein Experimentator (eine ausgebildete und mit Anweisungen versehene, aber den Probanden nicht bekannte Hilfsperson) an 160 Clubbesucher (80 Frauen und 80 Männer). Es wurde in einer zugewandten Körperhaltung und unter direktem Augenkontakt etwas Unhörbares und Belangloses wie zum Beispiel "Blablablabla" gemurmelt und dann abgewartet, welches Ohr vom Probanden zum Zuhören angeboten wurde. Außerdem wandte man sich mit der Frage: "Hast du mal eine Zigarette?" an Testpersonen, die man bisher nicht mit Zigarette gesehen hatte. Insgesamt 58 Prozent boten ihr rechtes Ohr zum besseren Verstehen an und 42 Prozent ihr linkes. Die Frauen zeigten eine ständige Präferenz des rechten Ohrs. Es gab hier keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der erhaltenen Zigaretten und dem Ohr, mit dem diese Bitte entgegengenommen wurde. In der dritten Studie sprach der Experimentator 176 Clubbesucher an und fragte sie nach einer Zigarette. Die Bitte wurde ganz gezielt entweder über das rechte oder das linke Ohr an das "Opfer" gerichtet. Die Ergebnisse zeigten, dass erheblich mehr Zigaretten zu bekommen waren, wenn die Bitte an das rechte und nicht an das linke Ohr der Clubbesucher gerichtet wurde. "Bei der vorangegangenen Studie gab es keine Nebeneffekte auf die Interaktion [der] Testpersonen hinsichtlich der Neigung, die Bitte des Experimentators zu erfüllen", so die Forscher. "Das könnte auf die besondere Situation zurückzuführen sein, in die die Teilnehmer verwickelt waren: Sie boten dem Sprecher spontan ein Ohr an. Bei der letztgenannten Diskothekenstudie hatten wir aber ganz bewusst ein Ohr anvisiert, über das die Bitte an die Testpersonen gerichtet wurde - und das unter der Annahme, dass eine plötzliche Bitte eines Fremden, gezielt zum linken oder rechten Ohr ausgesprochen, einen starken Einfluss auf deren Reaktion haben müsste." Nach Angaben der Forscher sind die Ergebnisse der ersten Studie "eine Abbildung der Umwelt hinsichtlich der sensorisch-motorischen Lateralisierung bei sozialer Koordination, was eine Verhaltensfolge" der Spezialisierung der linken Hemisphäre des Gehirns auf die Sprachverarbeitung repräsentiere. Durch den Einsatz eines quasi-experimentellen Designs bei der zweiten Studie konnten die Forscher gleichfalls die Präferenz des rechten Ohrs beim Zuhören bestätigen. Was die dritte Studie betrifft, so scheinen sich die Forschungsergebnisse durch das spezielle Richten der Bitte um eine Zigarette an das rechte oder linke Ohr in Übereinstimmung mit der Valenztheorie zu befinden, die auf eine "differenzielle Spezialisierung der rechten oder linken Hemisphäre für negative bzw. positive Emotionen" hindeute. Kurz gesagt: Die kombinierten Ergebnisse bestätigen insgesamt eine Präferenz des rechten Ohrs bzw. der linken Gehirnhälfte bei der verbalen Kommunikation und eine deutliche Spezialisierung beider Gehirnhälften beim Annäherungs- bzw. Vermeidungsverhalten. "Unsere Studien untermauern die Idee einer gemeinsamen Abstammung des lateralisierten Verhaltens von Menschen und anderen Spezies bei sozialen Interaktionen. Dies trifft nicht nur auf die artenspezifische verbale Kommunikation, sondern auch auf die affektiven Antworten zu", schlussfolgern die Forscher.

Länder

Italien