CORDIS - Forschungsergebnisse der EU
CORDIS

Article Category

Nachrichten
Inhalt archiviert am 2023-03-06

Article available in the following languages:

Forscher erstellen Stammbaum von Wiederkäuern

Ein internationales Forscherteam erstellte einen "Stammbaum" für lebende und ausgestorbene Wiederkäuerarten. Die im Fachblatt PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) veröffentlichten Ergebnisse ermöglichen eine Verknüpfung des Erbguts verschiedener Arten. Bere...

Ein internationales Forscherteam erstellte einen "Stammbaum" für lebende und ausgestorbene Wiederkäuerarten. Die im Fachblatt PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) veröffentlichten Ergebnisse ermöglichen eine Verknüpfung des Erbguts verschiedener Arten. Bereits seit Längerem war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass die höheren Wiederkäuer mit der Bezeichnung "Pecora" (Stirnwaffenträger) sich im mittleren Eozän in fünf verschiedene Arten aufgespalten hatten: Gabelhornträger (Antilocapridae), Hornträger (Bovidae), Hirsche (Cervidae), Giraffenartige (Giraffidae) und Moschushirsche (Moschidae). Wie jedoch der genaue evolutionäre Entwicklungsverlauf von Pecora vor sich ging, war bislang schwer nachzuvollziehen. Trotz der offensichtlichen Unterschiede zwischen Giraffen und Bisons beispielsweise entdeckten die Forscher bei diesen Arten gemeinsames Erbgut. Das Forscherteam unter Leitung der Universität Missouri, Vereinigte Staaten, untersuchte eine Punktmutation (Einzelnukleotid-Polymorphismus, SNP), die mithilfe einer Genotypisierungsplattform für eine bestimmte Art entdeckt worden war. Anhand dieser Punktmutation kann DNA (Desoxyribonukleinsäure) einer ausgestorbenen Art typisiert werden und auch DNA von Arten, die vor 29 Millionen Jahren divergierten. Der in der Studie gewählte Ansatz könnte dazu beitragen, schnell und kostengünstig Daten über evolutionäre Zusammenhänge zwischen den Arten zu generieren und auf diese Weise die Erforschung der Evolution und Domestizierung von Arten zu beschleunigen. "Wir untersuchten 678 verschiedene Exemplare, die 61 Arten angehörten und setzten hierfür einen neuen SNP-Chip des Herstellers Illumina zur Typisierung von Rindern ein, um hochwertige Genotypen bei Arten zu generieren, für die der Chip ursprünglich nicht konzipiert war", erklärte Jerry Taylor, Professor für Genetik und Tierwissenschaft an der Universität Missouri und Leiter der Studie. Den Forschern zufolge sei es nun möglich, mit den SNP-Chips viele spezifische Positionen im Genom der Tiere gleichzeitig zu lokalisieren. Anhand dieser Analysen können die Forscher die DNA-Basensequenzen dieser Positionen identifizieren. "Wir waren überrascht, dass der Chip derart aussagefähige Daten für Arten generieren kann, die so stark von Kühen divergierten", erklärte Professor Taylor. "In weniger als einer Woche generierten wir fünfmal soviel Daten, wie zuvor für die Erstellung eines 'Stammbaums' benötigt wurde." Die Forscher aus Australien, Kanada, Finnland, Kenia, Südkorea, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten demonstrierten außerdem den Einsatz von Hochdurchsatzverfahren zur Genotypisierung fossiler DNA-Proben. Sie genotypisierten Parallelproben aus einem fossilen Bisonknochen und wiesen nach, dass Bison priscus (Steppenwisent) mit dem heutigen Bison verwandt war. "Unseren Ergebnissen zufolge ist es tatsächlich möglich, die Genauigkeit von Genotypen aus fossilen Proben zu beurteilen, indem man die Position der Art in einem detaillierten Stammbaum untersucht. Auf diese Weise können Proben, die unzuverlässige Genotypen ergeben, identifiziert und von weiteren Analysen ausgeschlossen werden", sagte Professor Taylor. Wir analysierten mit dem Chip 48 identifizierte Rinderrassen und erstellten einen Stammbaum, der auf Ähnlichkeiten bzw. Unterschieden der DNA von Vertretern unterschiedlicher Rassen basierte. Daraus konnten wir dann die weltweite Geschichte der Rinderdomestizierung und Daten zur jeweiligen Rasse ableiten", wie er hinzufügte. Auswanderungswellen aus dem Fruchtbaren Halbmond (einer Region im Nahen Osten, von der aus die Besiedlung des Nahen Ostens und des Mediterranen Beckens begann) spielten wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Domestizierung europäischer Rinder, heißt es in der Studie. Nach und nach breiteten sich diese domestizierten Rinder über die Türkei, den Balkan und Italien und von dort über Mitteleuropa und Frankreich bis auf die Britischen Inseln aus. Professor Taylor hält es für möglich, dass sich diese Technologie auch zur Erforschung der Evolution von Menschen und Pflanzen eigne. Zudem eröffnen sich damit Möglichkeiten, die Evolution von Genomen und biologischen Funktionen aus phylogenetischer Sicht zu erforschen (Phylogenese: die Erforschung der stammesgeschichtlichen Entwicklung zwischen verschiedenen Organismen), fügte er hinzu. Professor Taylor zufolge könne die Studie auch dazu beitragen, geeignete Tiermodelle zur Erforschung menschlicher Krankheiten zu entwickeln. "Seit jeher war man an der Rekonstruktion unserer Abstammungsgeschichte interessiert", sagte er. "Unsere Studie läuft im Wesentlichen genau darauf hinaus, mit dem Unterschied, dass wir nun Millionen von Jahren zurückgehen und Verwandte einbeziehen können, die längst verstorben sind."

Verwandte Artikel