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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Zweisprachige Menschen greifen beim Lesen auf Muttersprache zurück

Zweisprachig aufgewachsene Menschen nutzen noch immer Laute ihrer Muttersprache, auch wenn sie in der Fremdsprache denken, so das Ergebnis einer Studie der Universität Bangor, Vereinigtes Königreich. Die Forscher fanden heraus, dass chinesische Muttersprachler mit Englisch als...

Zweisprachig aufgewachsene Menschen nutzen noch immer Laute ihrer Muttersprache, auch wenn sie in der Fremdsprache denken, so das Ergebnis einer Studie der Universität Bangor, Vereinigtes Königreich. Die Forscher fanden heraus, dass chinesische Muttersprachler mit Englisch als Zweitsprache bei der Lektüre englischer Texte unbewusst auf ihre Muttersprache zurückgreifen. Die Studie wurde mit fast 1 Million EUR durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) und den britischen Forschungsförderungsrat für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (ESRC) gefördert. Die in der Juni-Ausgabe des Fachblatts Journal of Neuroscience erschienene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich Menschen, die in der Jugend oder später eine Zweitsprache erlernt haben, immer an den Klang ihrer Muttersprache erinnern, selbst wenn sie die zweite Sprache inzwischen fließend beherrschen. Laut Guillaume Thierry, Professor für Kognitionswissenschaften an der Universität Bangor, mögen zweisprachige Menschen zwar glauben, stets nur in einer Sprache zu sprechen und zu denken, dies stimme aber nicht immer. "Zweisprachige Menschen greifen weiterhin auf Muster ihrer Muttersprache zurück, auch wenn dies überflüssig oder merkwürdigerweise sogar kontraproduktiv ist, da diese Muster weder beim Lesen noch beim Hören fremdsprachiger Wörter helfen", erklärt Professor Thierry. Während inzwischen belegt ist, dass zweisprachige Menschen beim Lesen oder Hören der Fremdsprache ihre Muttersprache nutzen, wollten Professor Thierry und sein Kollege Yan Jing Wu, Forschungsassistent am Institut für Psychologie der Universität Bangor, herausfinden, ob die Abbildung im Gehirn über den Klang oder über die Schreibweise erfolgt. Um zu untersuchen, wie die Sprachen in einem zweisprachigen Gehirn interagieren, führten Professor Thierry und Dr. Wu mit 90 freiwilligen Probanden einen Lese- und Hörtest durch. Die Gruppe umfasste jeweils 30 Personen mit chinesischer bzw. englischer Muttersprache und 30 zweisprachige, erwachsene chinesische Muttersprachler, die nach Vollendung ihres 12. Lebensjahrs Englisch gelernt hatten. Die englischen Sprecher sollten angeben, ob englische Wortpaare eine ähnliche Bedeutung haben, wobei ihre Gehirnaktivität aufgezeichnet wurde. Die Probanden wussten nicht, dass sich bei einigen nicht verwandten Wortpaaren in der chinesischen Übersetzung entweder der Laut oder der Buchstabe wiederholten. Beispielsweise werden die nicht verwandten englischen Wörter "experience" und "surprise" mit "jing yan" und "jing ya" übersetzt. Die Ergebnisse zeigten, dass die zweisprachigen Erwachsenen auf Wörter mit verwandter Bedeutung genauso schnell reagierten wie englische Muttersprachler. Auch eine Buchstabenwiederholung zeigte in chinesischen Übersetzungen keine Wirkung. Wiesen die chinesischen Übersetzungen der englischen Wörter jedoch ähnliche Klangfolgen auf, veränderte sich die so genannte N-400-Welle im Gehirn der zweisprachigen Probanden. Den Forschern zufolge deutet dies darauf hin, dass auf die chinesische Sprache zugegriffen wurde und für die Verarbeitung der Fremdsprache zwar Klänge, nicht aber Schreibweisen der Muttersprache aktiviert wurden. Dr. Wu und Professor Thierry zufolge kann die Studie Forscher dabei unterstützen, die Verarbeitung von Buchstaben und Lauten in Fremdsprachen besser zu verstehen. Michael Chee, Neurowissenschaftler an der Graduate Medical School der Duke-NUS (Nationaluniversität Singapur) in Singapur, der nicht an der Studie beteiligt war, geht davon aus, dass Menschen beim Erlernen einer Zweitsprache zwar nicht mehr bewusst einzelne Wörter aus ihrer Muttersprache übersetzen, im Unterbewusstsein dies aber doch tun. "Ein Nachteil der Studie war, dass sich viele ältere Chinesen Englisch hauptsächlich durch das Auswendiglernen von Wortlisten angeeignet hatten - also mit der so genannten Holzhammermethode", so Professor Chee. "Eine interessante Frage wäre, ob die gleichen Ergebnisse auch bei Menschen, die in einem früheren Alter Englisch lernten, erzielt würden."

Länder

China, Vereinigtes Königreich

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