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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Läusegenom sequenziert: Tschüss ihr Viecher!

Ob sie wohl irgendjemand vermissen würde? Ein internationales Wissenschaftlerteam konnte jetzt das Genom der den Menschen überaus liebenden Kleiderlaus (Pediculus humanus humanus) und eines für sie lebenswichtigen Bakteriums (Candidatus Riesia pediculicola) entschlüsseln. Die ...

Ob sie wohl irgendjemand vermissen würde? Ein internationales Wissenschaftlerteam konnte jetzt das Genom der den Menschen überaus liebenden Kleiderlaus (Pediculus humanus humanus) und eines für sie lebenswichtigen Bakteriums (Candidatus Riesia pediculicola) entschlüsseln. Die in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichten Ergebnisse verschaffen Einblicke, die zu einer besseren Kontrolle dieser Krankheiten übertragenden Plagegeister hinführen könnten. Kleiderläuse ernähren sich von menschlichem Blut und können Erkrankungen wie Fleckfieber, Läuse-Rückfallfieber und Wolhynisches Fieber übertragen. Die Kopflaus (Pediculus humanus capitis), nahe Verwandte von Pediculus humanus humanus, macht meistens kleinen Kindern das Leben schwer und bringt deren Köpfe zum Jucken - kann allerdings auch zu zervikaler Lymphadenopathie oder kornealer epithelialer Keratitis führen. Läuse leiden von Natur aus an einem Mangel an Vitamin B5 (Pantothenat). Zu ihrem Glück liefert das in der Laus lebende Bakterium Candidatus Riesia pediculicola ausreichend Vitamin B5 für beide. Die beiden Arten genießen seit Millionen von Jahren eine einträgliche symbiotische Beziehung. Die in den Falten und Nähten von Kleidung lebenden Quälgeister gedeihen unter Bedingungen mangelnder Hygiene besonders gut und sind in den Katastrophengebieten unserer Welt allgegenwärtig. Sie sind gegenüber Behandlungen mit Insektiziden zunehmend resistent geworden; endemischer Befall ist die Folge. Bei dieser neuesten Forschungsunternehmung bündelten nun Wissenschaftler aus 25 Institutionen rund um die Welt ihre Ressourcen, um die Genome der Kleiderlaus und ihres Endosymbionten zu sequenzieren. So ergründeten sie unter anderem, dass der beste Lause-Kumpel Candidatus Riesia pediculicola netterweise nicht gegen Antibiotika immun ist. "Wir haben eindeutig die Schwachstelle der Menschenlaus gefunden", freut sich Dr. Alejandra Perotti von der University of Reading im Vereinigten Königreich. "Alle Menschenläuse sind von diesem Bakterium abhängig, was Reproduktion und Überleben angeht. [Candidatus Riesia pediculicola] stellt einen neuen Angriffspunkt für die Entwicklung neuartiger Läusebekämpfungsmittel dar - insbesondere in Fällen, in denen die klassische Behandlung versagt." Wie Dr. Perotti hinzufügt, könnten Antibiotika, die ihren therapeutischen Wert aufgrund von Resistenzen bereits völlig verloren haben, jetzt entsprechend dieser Zielstellung untersucht werden. "Das Potenzial von Antibiotika zur Bekämpfung von Menschenläusen ist nicht neu, aber jetzt haben wir erstmals eine solide wissenschaftliche Grundlage dafür", so Perotti. "Einige Antibiotika könnten durchaus wirksam sein und sollten systematisch geprüft werden." Wie Dr. Henk Braig von der Bangor University im Vereinigten Königreich dazu erklärt, seien die Bakterien deshalb nicht immun gegen Antibiotika, da sie innerhalb des Körpers der Läuse isoliert gewesen und über Generationen hinweg jahrtausendelang ohne Kontakt zur Außenwelt übertragen worden seien. "Ohne Kontakt mit Bakterien von außen gab es für sie einfach keine Notwendigkeit, Resistenzen gegen Antibiotika zu entwickeln. In einem Kampf ums Überleben und um Dominanz in einem anderen Umfeld hätte das ganz anders ausgesehen", erläutert Braig. Julio Rojas von der University of Barcelona in Spanien beobachtete, dass die Laus viele nicht lebensnotwendige Gene verloren hat, aber dennoch höchst funktional ist. "Im Fall des Insulin-Signalübertragungswegs gibt es nur eine Kopie jedes wichtigen Gens - im Gegensatz zu anderen Insekten, die normalerweise mehrere Kopien bestimmter Gene haben", teilt er mit. "Die Kartierung von Genomen ist wichtig, um ein Ziel zu identifizieren, entsprechend dem gehandelt werden sollte", wie Dr. Rojas erklärt. "Wichtig ist dabei, direkt auf die Laus einzuwirken: Wenn wir die Gene identifiziert haben, die zur Erkennung des Wirts beitragen, werden wir auch in der Lage sein, den Parasiten direkt aufs Korn zu nehmen. Da der bakterielle Endosymbiont Gene enthält, die für das Überleben des Parasiten entscheidend sind, werden wir im Kampf gegen diese Läuse wahrscheinlich noch über ein anderes potenzielles genetisches Ziel reden." Das Kleiderlausgenom ist das kleinste bekannte Insektengenom und hat die geringste Anzahl von Entgiftungsenzymen, die jemals bei einem Insekt festgestellt wurde. Dies macht es zu einem idealen Studienobjekt, um die Resistenz gegenüber Insektiziden und anderen Arten der chemischen Bekämpfung zu untersuchen. Dank der bemerkenswerten Vollständigkeit des Genoms bietet sich hier überdies ein natürlicher evolutionärer Bezugspunkt für Studien an allen sequenzierten Insektenarten.

Länder

Spanien, Vereinigtes Königreich

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