Energie ist lebensnotwendig für die Evolution komplexen Lebens
Forscher aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich haben eine radikale neue Theorie über die Evolution komplexen Lebens aufgestellt, die besagt, dass diese von Mitochondrien abhängt, also von winzigen Kraftwerken in den Zellen, die unter dem Namen Eukaryoten bekannt sind, zu denen alle komplexen Lebewesen auf unserem Planeten zählen, z.B. Affen, Pflanzen, Pilze oder Algen. Die Forschungen wurden teilweise von der EU finanziert und kürzlich im Fachjournal Nature vorgestellt. Die Wissenschaftler waren lange Zeit der Ansicht, die Evolution des Zellkerns sei der Schlüssel zur komplexen Lebensform. Dr. Nick Lane vom University College London (UCL) im Vereinigten Königreich sowie Dr. William Martin von der Universität Düsseldorf in Deutschland glauben stattdessen, dass Mitochondrien aufgrund ihrer Funktion als Kraftwerke der Zellen bei der Entwicklung komplexer Neuheiten wie dem Zellkern eine tragende Rolle spielen. "Die zugrunde liegenden Prinzipien haben allgemeine Gültigkeit", erklärt Dr. Lane von der UCL-Abteilung für Genetik, Evolution und Umwelt. "Leben braucht Energie, sogar im Reich der evolutionären Erfindungen. Sogar Außerirdische müssten über Mitochondrien verfügen." Laut Dr. Lane macht diese Entdeckung "Schluss mit der überholten Ansicht, dass der Sprung hin zu komplexen eukaryotischen Zellen einfach nur die richtige Art von Mutation erforderte". Stattdessen benötigte die Evolution von einfachen Prokaryoten wie Bakterien "eine Art industrielle Revolution in puncto Energieproduktion." Dr. Lane erklärt, dass die Menschen auf Zellebene weit mehr mit Champignons, Magnolien und Ringelblumen gemeinsam haben als mit Bakterien, weil wir dieselben komplexen Zellen mit bestimmten Abschnitten mit Informationszentrum, Zellkern und Mitochondrien teilen. Diese Eukaryoten haben alle einen gemeinsamen Vorfahren, der in 4 Milliarden Jahren Evolution nur ein einziges Mal aufgetaucht ist. Die Forscher demonstrierten, wie Eukaryoten ihre zusätzlichen Gene und Proteine ansammeln, was Bakterien nicht tun. Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf die pro Gen verfügbare Energie und konnten so nachweisen, dass eine durchschnittliche eukaryotische Zelle in einem unglaublichen Maß mehr Gene versorgen kann als ein Bakterium, nämlich 200.000 mal so viele. "Dadurch erhalten Eukaryoten das genetische Rohmaterial, durch das sie neue Gene, große Genfamilien und Regulierungssysteme in einer Größenordnung ansammeln können, die für Bakterien schlicht nicht möglich ist", erklärt Dr. Lane. "Dies bildet die Basis der Komplexität, selbst wenn sie nicht immer genutzt wird." Darüber hinaus betont er, dass "Bakterien ganz unten in einer tiefen Schlucht in der Energie-Landschaft stehen, aus der sie niemals herauskommen werden", und fügt hinzu, dass "Mitochondrien Eukaryoten mit vier oder fünf mal mehr Energie pro Gen versorgen, und somit die Wände der Schlucht förmlich durchbrechen." Die Forscher fanden ebenfalls heraus, warum Bakterien sich nicht aufgliedern können, um auch in den Genuss von Mitochondrien zu kommen. Die Antwort liegt in den winzigen mitochondrialen Genomen; diese Gene werden für die Zellatmung benötigt, ohne sie würden die eukaryotischen Zellen absterben. Wenn Zellen größer und energiegeladener werden, brauchen sie auch mehr Kopien dieser mitochondrialen Gene, um überleben zu können. Bakterien stehen exakt vor demselben Problem. Sie könnten einfach Tausende Kopien des gesamten Genoms herstellen, doch all diese DNS (Desoxyribonukleinsäure) verbraucht wiederum so viel Energie, dass selbst größte Bakterien lahm gelegt werden, so dass sie sich nicht in komplexere Eukaryoten entwickeln können. "Der einzige Ausweg wäre, wenn eine Zelle irgendwie in eine andere eindringen würde - eine Endosymbiose", so Dr. Lane. Während Zellen in Zellen bei Eukaryoten, die oftmals andere Zellen verschlingen, recht häufig vorkommen, ist das Vorkommen bei unbeweglicheren Bakterien verschwindend gering. Und das, schließen die Forscher, kann eine Erklärung dafür sein, warum sich nur ein einziges Mal in der gesamten Geschichte der Erde komplexes Leben entwickelt hat.
Länder
Deutschland, Vereinigtes Königreich