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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Forscher entdecken Schmerzgen beim Menschen

Wie empfindlich ein Mensch auf Schmerzen reagiert, hängt zum Großteil von seiner genetischen Veranlagung ab, allerdings ist noch nicht viel bekannt über "Schmerzgene" und ihre Funktion. Ein klareres Bild verschaffte sich ein Forscherteam, indem es den Zusammenhang zwischen Sch...

Wie empfindlich ein Mensch auf Schmerzen reagiert, hängt zum Großteil von seiner genetischen Veranlagung ab, allerdings ist noch nicht viel bekannt über "Schmerzgene" und ihre Funktion. Ein klareres Bild verschaffte sich ein Forscherteam, indem es den Zusammenhang zwischen Schmerz und bestimmten Variationen im menschlichen Erbgut untersuchte. Wie sich herausstellte, nehmen Menschen, die in dem untersuchten Gen so genannte Punktmutationen aufweisen, akute und chronische Schmerzen weniger stark wahr. Finanziert wurde die im Fachblatt Cell vorgestellte Studie zum Teil durch eine Beihilfe des Europäischen Forschungsrates (European Research Council, ERC) für etablierte Forscher (Advanced Grant). In Zusammenarbeit mit Forschern des Children's Hospital Boston, Vereinigte Staaten, entdeckte das Team das neue Schmerzgen bei der systematischen Suche nach Schmerzgenen, indem es nahezu alle Gene der Fruchtfliege auf ihre Rolle bei der Schmerzempfindlichkeit untersuchte. Auch Studien an Mäusen lieferten Hinweise darüber, wie das Gen Schmerzen und Schmerzempfindlichkeit beeinflusst. Bessere Kenntnisse der genetischen Ursachen von Schmerzen könnten helfen, neue Schmerztherapien zu entwickeln, Risiken für chronische Schmerzen besser abzuschätzen und über die Art einer chirurgischen Operation zu entscheiden, so Dr. Clifford Woolf vom Children's Hospital und leitender Koautor der Studie. In früheren Untersuchungen an Zwillingen hatte sich bereits gezeigt, dass rund die Hälfte der Genvarianten für Schmerzempfindlichkeit vererbt wird. "Bei verschiedenen Arten von Schmerzen scheint zu ungefähr 50% die erbliche Veranlagung für die Schmerzwahrnehmung zuständig zu sein", erklärt Dr. Woolf. "Genanalysen sind wichtige und aussagefähige Werkzeuge, um zu verstehen, wie Schmerzen entstehen und welche funktionellen Signalwege und spezifischen Proteine dabei involviert sind." Den Forschern zufolge kodiert das neue Gen für bestimmte Abschnitte des Gens alpha2delta3. Bei alpha2delta3 handelt es sich um einen Kalziumsignalweg bzw. Poren, die den Transport von Kalzium-Ionen durch die Zellmembran ermöglichen, und über die Nervenzellen ihre elektrische Leitfähigkeit in Gang setzen. Mithilfe von Gensequenzierungsverfahren suchten die Forscher in nahezu 12.000 Genen der Fruchtfliege speziell in Nervenzellen nach Mutationen und schalteten dazu mittels RNA-Interferenz (RNAi-Verfahren) jedes Gen nacheinander aus. Die mutanten Fruchtfliegen mit verschiedenen Varianten von alpha2delta3 wurden hierfür einem Hitzereiz ausgesetzt. Nach Aussonderung der Tiere, die andere Komplikationen wie etwa Sehverlust erlitten, suchten die Forschern in den Fliegen, die nicht vor der schädlichen Hitze flohen, nach Mutationen, die offenbar die Schmerzempfindlichkeit herabsetzten. Von fast 600 möglichen Schmerzgenen wurde speziell alpha2delta3 näher untersucht, ein Mechanismus, in den bekanntermaßen einige gängige Schmerzmittel eingreifen. Das Team um Professor Michael Costigan, ebenfalls vom Children's Hospital, ermittelte die Rolle des Gens beim menschlichen Schmerzempfinden, indem es vier Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs bzw. Punktmutationen) in der Nähe von alpha2delta3 in der DNA von 189 freiwilligen gesunden Probanden untersuchte. Die Untersuchungen enthüllten einige seltenere Punktmutationen, die offenbar mit einer niedrigeren Empfindlichkeit für akute Schmerzen einhergehen. Hierfür wurden den Probanden kurze Hitzereize verabreicht. Weitere Tests an 169 Patienten, die Schmerzmedikamente wegen einer Bandscheibenoperation erhielten, zeigten, dass Patienten mit dieser ungewöhnlichen Punktmutation seltener über chronische Rückenschmerzen klagten. Die Forscher wollen nun auch andere Schmerzgene, die in den Genanalysen bei Fruchtfliegen entdeckt worden waren, näher unter die Lupe nehmen. Maßgeblich beteiligt waren an der Studie auch Experten aus Deutschland und Österreich. Aus dem neuen Bericht "Pain Proposal European Consensus Report", erstellt von europäischen Experten und politischen Entscheidungsträgern, geht hervor, dass 21% der Bevölkerung in Europa mit chronischen Schmerzen keiner Beschäftigung nachgehen können und dass sich 61% derjenigen, die trotzdem arbeiten, in ihrer Tätigkeit beeinträchtigt fühlen. Der Bericht zeigt auch, dass chronische Schmerzen europäische Gesundheitssysteme fast 218 Mio. EUR kosten, die zu 90% von Arbeitgebern, Familien und Steuerzahlern getragen werden.

Länder

Österreich, Deutschland, Vereinigte Staaten

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