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Inhalt archiviert am 2023-03-09

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Im Abfluss: Warum Grippemittel Wellen schlagen könnten

Viele Medikamente zur Vorbeugung und Behandlung von Grippe sind auch dann noch aktiv, wenn sie in das Abwassersystem gelangen - und im Fall einer Pandemie könnten sich große Mengen dieser Substanzen auf Weg in die Wasseraufbereitungsanlagen machen. Würden die Pflanzen damit fe...

Viele Medikamente zur Vorbeugung und Behandlung von Grippe sind auch dann noch aktiv, wenn sie in das Abwassersystem gelangen - und im Fall einer Pandemie könnten sich große Mengen dieser Substanzen auf Weg in die Wasseraufbereitungsanlagen machen. Würden die Pflanzen damit fertig werden? Ein internationales Wissenschaftlerteam, das zum Teil von der EU finanziert wird, hat diese Tatsache näher untersucht. Die Studie analysierte die ökotoxikologischen Gefahren der medizinischen Reaktion auf eine hypothetische Grippepandemie und wurde von der EU im Rahmen von drei Projekten finanziert: DYNANETS (Computing real-world phenomena with dynamically changing complex networks), EPIFOR (Complexity and predictability of epidemics: toward a computational infrastructure for epidemic forecasts) und EPIWORK (Developing the framework for an epidemic forecast infrastructure). Als 2009 die H1N1-Grippepandemie begann, verfolgte das öffentliche Gesundheitswesen ihren Fortschritt ganz genau und versuchte ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu mäßigen. Dabei wurde jedoch kaum beachtet, welche Folgen die medizinische Reaktion auf die Pandemie für die Umwelt brachte. In dieser Studie untersuchten die Forscher die Mengen von Virostatika und Antibiotika, die in unseren Abwässern landen könnten. Virostatika werden zur Vorbeugung oder Behandlung von Grippe verwendet, während Antibiotika gegen bakterielle Nebeninfektionen, wie beispielsweise Lungenentzündung, verschrieben werden könnten. Unser Körper absorbiert jedoch nicht die ganze Gabe vollständig. Ein großer Teil dieser Medikamente wird letztendlich durch unser System gespült, wobei eine wirksame Mischung biologisch aktiver Substanzen geradewegs in den nächsten Abwasserkanal freigesetzt wird. Bei einer Pandemie könnte aus dem üblichen Rinnsal dieser Substanzen ein Strom werden. Um die Gefahren für die Wasserversorgung zu bewerten, kombinierte das Team ein Computermodell, mit dem die Mengen der Medikamente simuliert wurden, die während einer Grippepandemie mit unterschiedlicher Schwere verwendet werden würden, mit einem Modell der Wasserqualität für das Einzugsgebiet der Themse im Vereinigten Königreich. Dadurch waren die Forscher in der Lage, die Mengen vorherzusagen, die von derartigen Substanzen im Abwasser zu erwarten wären. Anhand eines anderen Modells wurden die möglichen Auswirkungen auf die Flüsse und Wasseraufbereitungsanlagen in dem Gebiet bewertet. Hohe Konzentrationen von Virostatika und Antibiotika könnten die Mikroorganismen beeinträchtigen, mit denen die Kläranlagen unerwünschte Nährstoffe aus dem Abwasser entfernen, wodurch ihr Wachstum gehemmt und die Wirksamkeit der Anlage verringert wird. Als hypothetische Folge könnte unzureichend aufbereitetes Wasser in die Flüsse gelangen. Und je nach Ausmaß des Problems könnte dies deutliche Konsequenzen für die Trinkwasserqualität und die Umwelt haben, wie beispielsweise Eutrophierung und den Verlust aquatischer Organismen. Die in der Fachzeitschrift "Environmental Health Perspectives" veröffentlichten Ergebnisse des Teams deuten darauf hin, dass die ökotoxikologischen Folgen einer leichten Pandemie wohl vernachlässigt werden können. Eine mittlere oder schwere Pandemie könnte jedoch Umweltprobleme verursachen. Die Prognosen des Teams zeigen, dass der Grenzwert für eine mikrobiologische Wachstumshemmung in den meisten Abwasseraufbereitungsanlagen im Einzugsgebiet der Themse überschritten werden würde, was wahrscheinlich die Wasserqualität für 5 bis 40 % des Flusses beeinträchtigen würde. Erstautor Andrew Singer, vom Centre for Ecology & Hydrology im Vereinigten Königreich, unterstreicht auch noch eine weitere Überlegung: "Die potenziell weitläufige Freisetzung von Virostatika und Antibiotika in die Umwelt kann eventuell die Entwicklung resistenter Krankheitserreger beschleunigen, was Folgen für die menschliche Gesundheit während und wahrscheinlich auch noch lange nach dem öffentlichen Ende der Pandemie haben würde. In diesem Sinne betonte Dr. Singer die Notwendigkeit weiterer Forschungsarbeiten. "Wir müssen ein besseres Verständnis der Ökotoxizität von Abwasseraufbereitungsanlagen erlangen, bevor wir die Gefahren einer medizinischen Reaktion auf eine Grippepandemie zuverlässig bewerten können", fügt er hinzu. Im Fall einer Pandemie würden Grippeimpfungen das Gesundheitsrisiko für die Menschen und die potenzielle Belastung der Gesellschaft verringern - und sie würden auch dazu beitragen, die damit verbundenen Umweltschäden zu begrenzen. "[...] die Produktion und erfolgreiche Verteilung von Präpandemie- und Pandemie-Grippeimpfstoffen könnte erheblich zur Verminderung aller in diesem Artikel hervorgehobenen Probleme für die Umwelt und die menschliche Gesundheit beitragen, und damit deutlich die Morbidität und Mortalität der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs senken. Die letztgenannte Impfherausforderung ist wahrscheinlich die größte Herausforderung für die Gesellschaft", sagt Dr. Singer, "aber hier sind auch die größten Gewinne zu machen." DYNANETS, EPIFOR und EPIWORK erhielten jeweils 2,8 Mio. EUR, 684.000 EUR und 4,9 Mio. EUR Finanzmittel im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms (RP7). Die Beteiligung der EU an DYNANETS und EPIWORK erfolgte als Teil der Unterstützung des RP7 für Forschung in Verbindung mit Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Die Finanzierung von EPIFOR erfolgte in Form eines Stipendiums für unabhängige Nachwuchswissenschaftler, das vom Europäischen Forschungsrat im Rahmen des Programms "Ideen" des RP7 vergeben wurde. Forscher von der Universität Indiana (USA), dem Institute for Scientific Interchange (Italien), der Universität Sheffield (Vereinigtes Königreich) und der Universität Utrecht (Niederlande) waren ebenfalls an dieser Studie beteiligt.Für weitere Informationen: Centre for Ecology & Hydrology (CEH): http://www.ceh.ac.uk Die Zusammenfassung in Environmental Health Perspectives finden Sie: hier: Projekt DYNANETS: http://www.dynanets.org/ Projekt EPIFOR: http://www.epifor.eu/ EPIWORK: http://www.epiwork.eu/

Länder

Italien, Niederlande, Vereinigtes Königreich

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