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Roboterhand

Eine Extremität nicht mehr nutzen zu können- oder komplett zu verlieren - kann die Lebensqualität des Betroffenen erheblich belasten. Die Auseinandersetzung mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung kann eine ebenso traumatische Erfahrung sein, da die Rehabilitation ein oft ...

Eine Extremität nicht mehr nutzen zu können- oder komplett zu verlieren - kann die Lebensqualität des Betroffenen erheblich belasten. Die Auseinandersetzung mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung kann eine ebenso traumatische Erfahrung sein, da die Rehabilitation ein oft langer und sehr harter Weg ist. Sein Leben zu verändern, um sich einer neuen Realität anzupassen, ist nicht einfach und geht auch nicht von heute auf morgen. Alle Aufgaben, die einmal selbstverständlich waren, sind plötzlich viel schwieriger geworden. Selbst wenn man seinen schwächeren Arm verloren hat, muss der stärkere Arm eine Tätigkeit gut und alleine ausführen können. Doch nicht nur die Fähigkeit zur Durchführung täglicher Arbeiten ist gefährdet, auch die Unabhängigkeit kann leiden. Man stelle sich vor, einen Wagen mit nur einer Hand zu lenken. Es ist nicht möglich, das Lenkrad zu halten und gleichzeitig die Gangschaltung zu bedienen. Die plötzliche Fortbewegung wird viel komplizierter. Alle Veränderungen im Leben nach dem Verlust einer Gliedmaße betreffen sowohl emotionale als auch die körperliche Ebene. In der Vergangenheit wäre das Leben eines Menschen dadurch sehr viel schwieriger und anstrengender geworden, doch heute muss die Lebensqualität nach einem solchen Verlust nicht mehr leiden. Es gibt viele technologische Neuerungen, die einer Person helfen, ihr Vertrauen und ihre Unabhängigkeit wieder zu erlangen. Robotik hilft dem Menschen, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Roboter sollen uns das Leben erleichtern; sie helfen uns, das Essen vorzubereiten, schauen nach den Kindern oder begrüßen Gäste. Doch um uns zu helfen, benötigen Roboter selber ein Paar beeindruckende Hände, die ein Ei anfassen, fangen oder Kaffee eingießen können. Ingenieure haben sich dieser Herausforderung angenommen und im Laufe der vergangenen Jahre Roboterhände entwickelt, die von beispielloser Geschicklichkeit, Kraft und Sensibilität sind. Unter diesen Ingenieuren befinden sich auch europäische Forscher vom Forschungszentrum "E. Piaggio" der Universität von Pisa und des Istituto Italiano di Tecnologia, Genua, in Italien. Sie haben eine Roboterhand entwickelt, die die Welt der intelligenten Prothesen revolutionieren wird. Diese neue Hand, die fast alle natürlichen Handbewegungen nachahmen kann, besitzt eine einfache und robuste Struktur und kostet nur einen Bruchteil einer typischen Roboterhand. Die meisten Roboter können nur ein ruhendes oder fixiertes Objekt greifen. Diese neue Hand kann viel mehr. Sie ist robust und nachgiebig und kann fast alle Objekte greifen. Sie wird von einem einzigen Motor angetrieben und kostet nur ein paar hundert Dollar. Dank ihrer einfachen Bauweise und extremen Vielseitigkeit, kann sie ganz leicht als Roboter-Hand oder als Handprothese verwendet werden. Ihre Finger können physischem "Missbrauch" wie harten Stößen und Exartikulation widerstehen. Dieses unglaubliche Zusammenstoßen von Leistungsfähigkeit, Robustheit und Erschwinglichkeit - erklärt Antonio Bicchi, Koordinator für Robotikforschung am Forschungszentrum "E. Piaggio" und Forschungsleiter am Istituto Italiano di Tecnologia - wurde durch das revolutionäre Design der Hand möglich. "Die Fingerglieder bestehen aus zwei Zylinderpaaren, die in Wälzkontakt stehen, und die menschlichen Körpergelenke nachahmen", sagt er. "Die Finger sind durch elastische Gelenke verbunden, ohne mechanische Verbindungselemente wie Schrauben und Bolzen, die der Hand eine elastische und einfachere Struktur verleihen. "Aber es geht nicht einfach um das Kopieren der Struktur der menschlichen Hand", fügt er hinzu. "Vielmehr müssen wir die Bewegungs- und Wahrnehmungsmechanismen verstehen, die der Leistung der Hand zugrunde liegen und auf dieser Basis eine künstliche Struktur entwickeln, die in der Lage ist, in gleicher Weise zu funktionieren." Um die Intelligenz voll zu verstehen, mussten sie zunächst die Details des sensomotorischen Systems der menschlichen Hand analysieren und verstehen. Das Team stützte den Entwurf der Pisa-IIT Softhand auf die Theorie, dass die Wurzeln der sensomotorische Synergien bei den Neurowissenschaften liegen. Die Synergietheorie analysiert alle komplexen Bewegungen, die wir ausführen, als eine Kombination von wenigen Grundbewegungen, etwa wie das Schließen der Finger, um ein Objekt zu greifen. Solche Bewegungseinheiten oder Synergien, die durch einen präzisen Ablauf der Muskelbewegungen erzeugt werden, werden durch unsere anatomischen Merkmale bestimmt. Sie umfassen angeborene Bewegungen oder Bewegungsabläufe, die in der frühen Kindheit erlernt wurden. Um eine Greifbewegung bei einer mechanischen Hand zu reproduzieren, ist es nicht notwendig, jeden Finger mit einem Motor auszustatten wie bei herkömmlichen Roboterhänden. Vielmehr muss der Ablauf, d.h. die Konfiguration der Synergie, die für die Bewegung zuständig ist, bestimmt werden und deshalb muss das Schema so reproduziert werden, dass der gesamte Bewegungsablauf durch einen einzigen Motor gesteuert werden kann. Das Ergebnis ist die erste künstliche Hand, die fast alle verschiedenen Greifarten auf Alltagsobjekte mit einem einzigen Motor anwenden kann. Aufgrund der Einfachheit der Struktur, ihrer Robustheit und geringen Kosten wird sie nicht nur die Welt der Prothetik und Roboterhände revolutionieren, sondern andere Technologien auch. Die sensorischen und motorischen Synergien des menschlichen Körpers zu verstehen, und dazu gehören auch die Grundsätze des Low-Level Sensing und der Kontrolle der Gestaltung von mechanischen Händen, soll insgesamt eine große Rolle bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz spielen. Die Forschungsinitiative, die mit 2,5 Millionen EUR von der EU über einen "ERC Advanced Grant" an Professor Bicchi gefördert wurde, ist eine Zusammenarbeit zwischen Forschungsgruppen aus Neurowissenschaften, Mathematik und Ingenieuren. Die Hand wird als Studienplattform für die Zuordnung von Synergien und zur Untersuchung von Aspekten des Robotergriffs in zukünftigen Projekten verwendet werden. Die Hand wurde schon gelobt. Sie war das innovativste Projekt, das auf der Internationalen Konferenz über Humanoide (International Conference on Humanoids) in Osaka, Japan, Anfang Dezember 2012 vorgestellt wurde. Sie war bereits bei der Internationalen Konferenz über Intelligente Roboter und Systeme (International Conference of Intelligent Robots and Systems, IROS2012), in Portugal ausgezeichnet worden. Das Projekt ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die EU eine starke Basis im Bereich der Industrierobotik entwickelt. Doch noch wichtiger ist, dass Menschen mit eingeschränkter Handfunktion, sei es aufgrund von Alter, einer Verletzung oder Krankheit, durch diese Arbeiten ein Sprungbrett in ein unabhängiges Leben jenseits der Behinderung erhalten.Weitere Informationen finden Sie unter: Forschungszentrum "E. Piaggio" http://www.centropiaggio.unipi.it/research/robotics.html

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