Bahnbrechende Einblicke in das Quantenchaos ultrakalter Gase
Ein spezialisiertes Labor an der Universität Innsbruck hat den experimentellen Nachweis für chaotisches Verhalten von Teilchen in Quantengasen erbracht. Mit diesem Durchbruch könnten Physiker in der Lage sein, die Welt der Quantenmechanik besser zu verstehen. In relativ kurzer Zeit ist das Studium der ultrakalten Gase zu einem der interessantesten und möglicherweise bedeutenden Felder der Atom- und Molekularphysik geworden, denn in einer ultrakalten Welt lassen sich Atome in einer Art und Weise kontrollieren und beobachten, die unter anderen Bedingungen nicht möglich ist. Im Labor, wo Temperaturen in Mikro- oder Nanokelvin (ein millionstel oder sogar milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt) gemessen werden, bewegen sich Atome äußerst langsam und ihr Verhalten verändert sich. Dadurch können Physiker die Welt der Quantenphysik besser verstehen, d. h. das, was im subatomaren oder nanoskopischen Maßstab passiert. Werden Atome auf sehr niedrige Temperaturen abgekühlt, erhalten sie einen neuen Aggregatzustand, der von der Quantenphysik bestimmt wird. Ein Labor mit Anlagen für die Erforschung ultrakalter Gase befindet sich am Institut für Experimentalphysik an der Universität Innsbruck. Die bahnbrechenden Forschungsarbeiten an dem Labor, das unter dem RP7-Projekt ERBIUM gefördert wird, hat den Nachweis für das chaotische Verhalten von Teilchen in Quantengasen erbracht. Mit dieser Entdeckung eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Beobachtung von Wechselwirkungen zwischen Quantenteilchen. "Wir sehen zum ersten Mal Quantenchaos im Streuverhalten ultrakalter Atome", sagt Teamleiterin Francesca Ferlaino. "Wir eröffnen hier ein neues Kapitel in der Welt der ultrakalten Quantengase." Chaos studieren Physiker verstehen unter Chaos nicht Unordnung, sondern ein wohlgeordnetes System, das aber aufgrund seiner Komplexität ein nicht vorhersagbares Verhalten zeigt. Um Quantenchaos zu beobachten, kühlten die Physiker im Labor an der Universität Innsbruck Erbiumatome auf wenige hundert Nanokelvin ab und brachten sie in eine Laserfalle ein. Erbium ist ein silber-weiß glänzendes festes Metall. Dann beeinflussten sie das Streuverhalten der Teilchen mit einem Magnetfeld und bestimmten nach 400 Millisekungen die in der Falle verbliebenen Atome. So konnten die Forscher bestimmen, bei welchem Magnetfeld sich zwei Atome zu einem schwach gebundenen Molekül verbunden haben. Man spricht dort von sogenannten Fano-Feshbach-Resonanzen. Die Physiker wiederholten das Experiment mit verändertem Magnetfeld 14.000 Mal und fanden nahezu 200 Resonanzen - eine Menge, die in der Physik ultrakalter Quantengase beispiellos ist. Die Forscherinnen und Forscher wiesen nach, dass die besonderen Eigenschaften von Erbium zu einem sehr komplexen Bindungsverhalten zwischen den Teilchen führen, das als chaotisch beschrieben werden kann. Erbium ist eine relativ schwere seltene Erde und besitzt einen stark magnetischen Charakter. Die Art der Wechselwirkung zweier Erbiumatome unterscheidet sich maßgeblich von den bisher untersuchten Quantengasen. Obwohl das Experiment für das Verhalten einzelner Atome keine genaue Aussage treffen konnte, war das Team mithilfe komplexer statistischer Methoden in der Lage, das Verhalten der Teilchen zu beschreiben. Ferlaino vergleicht die Methode mit den Gesellschaftswissenschaften, die gute Aussagen über das Verhalten einer größeren Gemeinschaft von Menschen treffen können, während die Beurteilung der Beziehung einzelner Personen der Psychologie überlassen werden muss. Die Forschungsarbeit wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. "Im Experiment weist ein ultrakaltes Gas aus Erbiumatomen zahlreiche Fano-Feshbach-Resonanzen auf", schreibt das Team in seiner Zusammenfassung. "Die Analyse verifiziert, dass deren Nächste-Nachbar-Verteilung der entspricht, die man von einer Zufallsmatrix erwartet ... dehalb weisen unsere Ergebnisse ein chaotisches Verhalten in der nativen Wechselwirkung zwischen ultrakalten Atomen nach."Weitere Informationen sind abrufbar unter: Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck http://www.ultracold.at/
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