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Unsettling Remembering and Social Cohesion in Transnational Europe

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Analysen der Militärgeschichte unterstützen Kampf gegen neuen Nationalismus

Die zunehmende nationalistische Strömung beruft sich auf eine angeblich ruhmreiche Vergangenheit des „Wir“ im Gegensatz zu „den Anderen“, um ihre eigene Sache populär zu machen. Das EU-Projekt UNREST befasste sich mit gängigen Narrativen in Militärmuseen, um in einem alternativen Ansatz die gesellschaftliche Demokratie in Europa zu schützen.

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Nationalisten finden wieder Gehör, wenn sie das Narrativ vom „Wir“ und „den Anderen“ aus vergangenen Kriegen für ihre eigenen politischen Zwecke nutzen. UNREST (Unsettling Remembering and Social Cohesion in Transnational Europe) führte Forschungen in Militärmuseen und zu Exhumierungen von Kriegsopfern durch, um herauszufinden, mit welchen Methoden dem nationalistischen Narrativ entgegengewirkt werden könnte. „Vor allem wollen wir die Kuratoren von Museen ermutigen, sich Formen des historischen Dialogs anzueignen, der besser zwischen landeseigenen Nationalismen und dem heutigen Europa vermitteln kann“, schreibt Stefan Berger, Projektkoordinator von UNREST in seinem Beitrag „Is the Memory of War in Contemporary Europe Enhancing Historical Dialogue?“ (dt.: Ist die Erinnerung an Kriege dem historischen Dialog im heutigen Europa förderlich?) Die Forschungsarbeit wird im Verlag Routledge als einer von etwa einem Dutzend projektbezogenen Beiträgen in der Reihe „Studies in Genocide and Crimes Against Humanity“ erscheinen. Primär zeigen die im Projekt untersuchten Militärmuseen die stark vereinfachte Sichtweise von „gut“ und „böse“, so die Forscher. Dies geht so weit, dass die Heimatnation als „historisch überlegen“ dargestellt wird, weil man damals über den Feind siegte – ein „antagonistischer“ Ansatz, auf den sich Nationalisten immer wieder gern berufen. Die meisten Museen erkennen jedoch eine „kosmopolitische“ Entwicklung an, die zwar „besser“ ist, einer Gesellschaft aber kaum Vorteile bringt. „Statt frühere Gewalttaten zu analysieren, Selbstreflexion zu üben und Ursachenforschung zu betreiben, verurteilt der Kosmopolitismus diese Gewalt und bezieht sich dabei auf abstrakte universelle Werte“, so Berger. Die durchaus nachvollziehbare Fokussierung auf die Opfer des Krieges vernachlässigt häufig die Perspektive der Täter wie auch die schwer zu klassifizierende Masse der Mitläufer und schließlich die Tatsache, dass Opfer auch zu Tätern werden können und umgekehrt. Wegbereitung des Brexit Das Imperial War Museum in London wählt diesen „antagonistischen“ Ansatz, wie die Forscher feststellten. Dabei werden die Heldentaten der britischen Soldaten im Ersten Weltkrieg herausgestellt, die Soldaten anderer beteiligter Nationen jedoch meist nur statistisch erwähnt. „Deutlich wird, wie das Brexit-Lager ein starkes antagonistisches Gedächtnis fördert und zwischen einem moralisch ‚guten‘ britischen ‚Wir‘ und einer moralisch schlechten ‚deutschen Führung‘ in Form der EU unterscheidet, sagt Berger. Den Forschern zufolge wird dieser „Kosmopolitismus“ vor allem durch das Haus der europäischen Geschichte verkörpert, das 2017 in Brüssel eröffnet wurde und über Vereinfachung eine sterilisierte Sicht auf die Vergangenheit bietet. „Das Museum regt zwar den Dialog mit der Geschichte an und stellt die gewalttätige Vergangenheit in Form von Krieg und Völkermord der Aussicht auf Frieden, Stabilität und Modernität in Europa gegenüber“, schreibt Berger. „Aber es scheut davor zurück, direkt Konflikte zwischen verschiedenen europäischen Nationalstaaten zu benennen, die heute noch Zündstoff in Europa bergen.“ Die Forscher entwickelten das Konzept eines dritten und besseren Wegs – den sogenannten „agonistischen“ Ansatz, der auf der Arbeit der Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe aufbaut. Hierfür fanden die Forscher Beispiele in Museen, zudem organisierten sie in Essen eine Ausstellung mit dem provokanten Titel „Krieg.Macht.Sinn.“ und testeten in Spanien die Publikumsreaktion auf die agonistische Sicht in der Premiere des Theaterstücks „Donde el Bosque se Espesa“. Ersichtlich wird dies auch durch die Exhumierung von Opfern, die die Diktatur Francos und dessen Armee im Spanischen Bürgerkrieg forderten. „Die Exhumierungen stellen das hegemoniale Erinnerungsnarrativ infrage, das während des spanischen Übergangs zur Demokratie etabliert wurde. Es besagt, dass es auf beiden Seiten der Front Täter und Opfer gab und erhält das diskursive Schweigen über linke Opfer aufrecht, deren Gräber noch immer anonym sind“, erklärt Berger.

Schlüsselbegriffe

UNREST, Nationalismus, antagonistisch, Kosmopolitismus, agonistisch, Imperial War Museum, Brexit, Spanischer Bürgerkrieg, Haus der europäischen Geschichte

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