Innovative quantenchemische Software beschleunigt Arzneimittelforschung
Die Entwicklung und Synthese neuer Werkstoffe kann die wissenschaftliche Entdeckung auf verschiedenen Gebieten voranbringen. Neue Nanopartikel können die Effizienz der Katalyse steigern und die CO2-Bilanz der chemischen Industrie verbessern. Im Verkehrsbereich wird erwartet, dass neue Werkstoffe für Batterien die elektrische Revolution antreiben und Elektrofahrzeuge so weltweit zu einer tragfähigen Option machen. Mithilfe neuer Farbstoffmoleküle für Solarzellen kann der Sektor der erneuerbaren Energien aus dem Schatten der fossilen Energieerzeugung treten. Die Liste kann fast endlos fortgesetzt werden. Nirgends ist die Entdeckung neuer Moleküle wichtiger als in der pharmazeutischen Industrie. „Bevor ein neues Molekül mit wirkstoffartigen Eigenschaften als geeignet erachtet wird, um an Patientinnen und Patienten angewendet zu werden, muss es strenge Tests durchlaufen. Der Weg eines neuen Arzneimittels durch Forschung und Entwicklung vom Labor bis zum Markt dauert etwa zehn Jahre und kostet etwa 5 Milliarden USD“, bemerkt Illés József, Koordinator des EU-finanzierten Projekts QCLAB. Die Kosten der Wirkstoffentwicklung sind astronomisch und sie werden mit der Zeit ansteigen. „Die Erforschung bestimmter biologischer Signalwege – einer Reihe molekularer Interaktionen in einer Zelle, die zu einer Veränderung in Zellen führen – kann viele Anhaltspunkte zu komplexen Erkrankungen geben. Wenn wir herausfinden, welcher Schritt des Signalwegs bei jedem einzelnen Patienten betroffen ist, können wir eine individuellere Behandlung bieten. Damit stimmt das Prinzip ‚ein Wirkstoff für alle‘ nicht mehr. Wir müssen das pharmazeutische Forschungsverfahren überarbeiten, damit es aufgrund der hohen Forschungskosten nicht unmöglich wird, neue angepasste Wirkstoffe zu kaufen oder herzustellen“, erläutert József.
Ein Quantensprung in der Wirkstoffentdeckung
Hier kann das Projekt QCLAB weiterhelfen. Forschende stellten ein neuartiges computergestütztes Instrument namens BrianQC vor: Es kann die Anzahl von Molekülkandidaten reduzieren, die Misserfolgsquote durch günstige Simulation verringern und die Anzahl von Experimenten in der ersten Phase der Forschung und Entwicklung von Wirkstoffen senken. „In der pharmazeutischen Forschungskette gibt es einen Schritt, der Hochdurchsatz-Screening genannt wird. Dabei werden Tausende Moleküle auf ihre Fähigkeit getestet, die gewünschte biochemische Wirkung am Zielprotein aufzuweisen. Aus theoretischer Perspektive müssen Wissenschaftler viele Male errechnen, wie Wirkstoffkandidaten an ein sehr großes Biomolekül anbinden. Mit älterer Technologie ist es rechnerisch sehr teuer, dies auch nur einmal zu machen, geschweige denn Millionen Male“, so József weiter.
Ein Technologiemix soll die Recheneffizienz steigern
Das Projektteam kombinierte verschiedene Technologien, um dieses virtuelle Hochdurchsatz-Screening in die Tat umzusetzen. Insbesondere verhalf das Team neuronalen Netzwerken zum Durchbruch, die das Vorscreening-Verfahren der Molekülkandidaten unterstützen, sowie hochpräzisen computergestützten quantenmechanischen Modellierungsmethoden (Dichtefunktionaltheorie) zur Untersuchung der Struktur der Moleküle. Weniger präzise, aber schnellere Ansätze wie die molekulare Mechanik (welche die Modellierung großer Molekularsysteme ermöglicht) dienten als Bausteine für das virtuelle ganzheitliche Hochdurchsatz-Screening. Ein voller Erfolg: Die neue quantenchemische Software ist jetzt Teil der täglichen Forschungstätigkeiten eines der wichtigsten Arzneimittelunternehmen aus den USA. BrianQC ist kommerziell verfügbar und eine kostenfreie Testversion erhältlich.
Schlüsselbegriffe
QCLAB, BrianQC, quantenchemische Software, Hochdurchsatz-Screening, computergestütztes Instrument, Wirkstoffentdeckung, pharmazeutische Forschung