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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Clevere Verbundwerkstoffe speichern Energie und machen Flugzeuge treibstoffeffizienter

Flugzeuge könnten eines Tages aus Verbundwerkstoffen hergestellt werden, die in der Lage sind, elektrische Energie zu speichern und sie an die Stellen zu verteilen, an denen sie benötigt wird. Ein vielversprechender Weg zu umweltfreundlicheren Flugzeugen? Das SORCERER-Konsortium ist davon überzeugt und arbeitet derzeit an mehreren Demonstratoren.

Verkehr und Mobilität icon Verkehr und Mobilität

Stellen Sie sich ein Hochleistungsmaterial vor, das nicht nur die mechanische Belastung eines Flugzeugs tragen kann, sondern auch die elektrische Energie speichert, die für den Betrieb der Kabine und der Systeme benötigt wird. Das Ergebnis? Eine neue Generation von Flugzeugen, die weniger auf Treibstoff angewiesen sind und dabei eine doppelt so große Reichweite besitzen wie ihre Vorgänger. Wir sind zwar noch ein Stück weit vom Ziel entfernt, aber das EU-finanzierte Projekt SORCERER (Structural pOweR CompositEs foR futurE civil aiRcraft) hat bereits bahnbrechende strukturelle Superkondensatoren und strukturelle Batterien entwickelt. Diese können kombiniert werden, um die Elektrifizierung der nächsten Flugzeuggeneration voranzutreiben. Emile S. Greenhalgh, Professor am Lehrstuhl für aufstrebende Technologien an der Royal Academy of Engineering, spricht über die neue Technologie, ihr Potenzial und ihren Weg zur Kommerzialisierung.

Abgesehen von frühen Prototypen sowie Forschungs- und Entwicklungsarbeiten seitens der Hersteller scheinen elektrische Flugzeuge noch in ferner Zukunft zu liegen. Sind Sie anderer Meinung? Was sind die größten verbleibenden Hindernisse auf dem Weg dorthin?

Emile Greenhalgh: Ich denke, vollelektrische große Passagierflugzeuge liegen noch in weiter Ferne – die größte Hürde stellen die erforderlichen sehr hohen Energiedichten dar. Selbst für den Fall, dass diese erreicht werden, bestehen weiterhin die Sicherheitsprobleme, welche mit der Aufnahme großer Energiemengen in einem kleinen Volumen verbunden sind. Ich denke, das ist der Grund, warum sich Unternehmen jetzt in Richtung Wasserstoff als Weg für saubere Energie bewegen. Das heißt aber nicht, dass eine weitere Elektrifizierung nicht realisierbar ist. Die Kabinen- und Flugzeugsysteme, die herkömmlicherweise Energie aus den Motoren beziehen, könnten durchaus von neuen Technologien der elektrischen Energieerzeugung profitieren. Dabei zielen wir auf strukturelle Energie ab. Außerdem sind kleinere Flugzeuge und Drohnen eine viel realistischere Option für die Elektrifizierung von Antriebstechniken. In diesen Bereichen erwarte ich tatsächlich ein Marktwachstum.

In Ihrem Projekt liegt der Schwerpunkt besonders auf energiespeichernden Verbundwerkstoffen. Warum sind diese wichtig und welche technologischen Lücken wollten Sie genau schließen? Und warum war Ihr Konsortium besonders gut gerüstet, um diese Herausforderungen zu meistern?

Durch die Verwendung struktureller Energie können auf sehr elegante Art und Weise zwei Herausforderungen gleichzeitig bewältigt werden: die Gewichtsreduktion von Flugzeugstrukturen und Lösungsangebote für die Energiespeicherung. Wir wissen, dass die traditionelle Elektrochemie immer höhere Energiedichten anstrebt, aber wie ich bereits erwähnt habe, werden diese aus sicherheitstechnischer Sicht erhebliche Herausforderungen darstellen. Strukturelle Energie bietet eine Alternative, welche die Elektrifizierung von Flugzeugen angeht, ohne lächerlich hohe Energiedichten zu erfordern. Um ein Beispiel zu nennen: Wir haben gezeigt, dass bei einem Flugtaxi wie dem CityAirbus der Ersatz der herkömmlichen Batterien und Strukturen durch unsere multifunktionalen Materialien bei einer gegebenen Energiedichte die Reichweite des Luftfahrzeugs mehr als verdoppelt. Unser Konsortium besteht aus weltweit führenden Gruppen in der Entwicklung von strukturellen Superkondensatoren (Imperial und IMDEA Materials) und strukturellen Batterien (Chalmers und KTH), so dass wir bestens aufgestellt sind, um diese Technologie voranzutreiben. Imperial, Chalmers und KTH leisten seit über 10 Jahren Pionierarbeit in dieser Technologie.

Was macht Ihr Projekt in ihren Augen besonders innovativ?

Wir stützen uns auf einen völlig neuen Ansatz für den Einsatz von Strukturmaterialien. Es wird in der Regel davon ausgegangen, dass multifunktionale Materialien mehrere physikalische Funktionen haben (z. B. elektronische und optische), aber selten eine zusätzliche mechanische Funktion beinhalten. Das liegt daran, dass die Kombination einer mechanischen Funktion mit zusätzlichen physikalischen Funktionen widersprüchliche Anforderungen an das Material stellt. Beispielsweise werden starre Bestandteile benötigt, um eine hohe mechanische Steifigkeit zu erreichen. Um jedoch Transportphänomene (wie z. B. den Ionenfluss) zu ermöglichen, müssen sie weich sein. Unser Ansatz besteht darin, die Mikrostruktur des Materials so zu gestalten, dass das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Funktionen eingestellt werden kann.

Was sind die bislang wichtigsten Ergebnisse und Errungenschaften des Projekts?

Ursprünglich wurde angestrebt, die Leistungsziele für unsere strukturellen Superkondensatoren und Batterien zu erreichen und sie als fertige Komponente vorzuführen. Aus Sicht der strukturellen Superkondensatoren haben wir Energie- und Leistungsdichten von 1,4 Wh/kg bzw. 1,1 kW/kg erreicht. Wir bauen auch einen Demonstrator für eine Flugzeugtür. IMDEA präsentierte seine strukturellen Superkondensatoren als Teil des Gehäuses für eine Systembox. Für die strukturellen Batterien stellen wir ein Verbundlaminat mit multifunktionalen Zellen her. Das Projekt endet im Januar 2021, und wir gehen davon aus, dass wir die Demonstratoren bis dahin vorführen können.

Wie weit sind wir zum Zeitpunkt des Projektendes von einem tatsächlichen Einsatz in Flugzeugen entfernt?

Eigentlich schon ziemlich weit, denn es handelt sich um eine bahnbrechende Technologie. Es wird noch viel Entwicklungsarbeit nötig sein, bis sie flugtauglich ist. Die Luft- und Raumfahrt ist ein traditionell sehr konservativer Sektor. Ich nehme allerdings an, dass in unkritischen Anwendungen und vielleicht bei kleineren Flugzeugen (wie Drohnen) die strukturellen Energieträger relativ bald eingesetzt werden könnten – vielleicht innerhalb der nächsten fünf Jahre?

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?

Aus meiner persönlichen Perspektive wurde ich gerade zum Professor am Lehrstuhl für aufstrebende Technologien an der Royal Academy of Engineering berufen, was bedeutet, dass ich für die nächsten zehn Jahre über finanzielle Mittel verfüge, um an diesem Thema Forschung zu betreiben. Aus der Perspektive des Konsortiums sprechen wir noch mit Airbus über ein zukünftiges Projekt in diesem Bereich. Wir haben keine Finanzmittel von der EU erhalten, um die strukturelle Energieversorgung voranzutreiben. Wir hoffen aber, dass unsere Arbeit in diesem Bereich in Zukunft mitfinanziert wird.

Schlüsselbegriffe

SORCERER, Flugzeug, Energiespeicherung, Verbundwerkstoff, Demonstrator, Superkondensatoren, Batterien, Elektrizität, treibstoffeffizient