Baumbestandsaufnahme als Beleg der erheblichen Gefährdung des Atlantischen Walds Südamerikas
Der Atlantische Wald Südamerikas erstreckt sich entlang der gesamten südlichen Küste Brasiliens und reicht landeinwärts sogar bis nach Paraguay. Er ist ein Hotspot biologischer Vielfalt und bietet einem hohen Anteil einheimischer Arten ein Zuhause. Allerdings hat er durch menschliche Aktivitäten 86 % seiner Fläche eingebüßt. „Wenn diese Region verschwindet, gehen der Welt zahllose Arten verloren“, so der Projektforscher Renato A. Ferreira de Lima. Das EU-finanzierte Projekt THREAT hatte zum Ziel, Bestand über die Anzahl einheimischer Baumarten in den Wäldern aufzunehmen und das Risiko zu kategorisieren, dem diese ausgesetzt sind. Um ihre Bewertungen vorzunehmen, zogen Lima und sein Team vom Naturalis Biodiversity Center in den Niederlanden die Global Biodiversity Information Facility zurate, eine kostenlose Datenbank wissenschaftlicher Informationen zur Flora und Fauna, die von Institutionen aus aller Welt zusammengetragen wurden. Das Team sammelte über drei Millionen Aufzeichnungen aus Herbarien und eine Million Aufzeichnungen von Baumbestandsaufnahmen zu 5 000 Arten in der Region des Atlantischen Waldes. Es schrieb eine Software, die die Daten bereinigte und organisierte. Daraus ging eine Liste der Arten hervor, die in diesem Bereich beobachtet wurden, einschließlich einer Einschätzung des Grades, zu dem jede dieser Pflanzen endemisch ist.
Festlegung des Schutzstatus
Der zweite Teil des Projekts bestand aus der Zusammenstellung einer Bewertung der Bedrohungslage jeder der endemischen Arten. „Wir mussten für jede Art die Populationsgrößen bestimmen, die Populationsabnahme berechnen und dann sämtliche Kriterien der Weltnaturschutzunion überprüfen, um die Arten als bedroht einzustufen“, erklärt Lima. Dies bedeutete, dass der Waldbewuchs im Laufe der Zeit mit hohem Detailgrad verfolgt und Lebensverlaufsdaten jeder Art zusammengetragen werden mussten, darunter die Lebensspanne, die Zeit, bis die Reife erreicht wird, und die Reproduktionsrate. Das Projekt führte zu neuen Schutzstatusbewertungen für fast 3 000 Arten. „Insgesamt sieht es nicht gut aus“, so Lima. „Unsere Ergebnisse waren alarmierend – die Mehrheit der endemischen Baumarten des Atlantischen Waldes ist bedroht. Diese Erkenntnis war zwar nicht besonders überraschend, aber dennoch beunruhigte sie uns natürlich.“ Fünf Arten, die zuvor als ausgestorben oder in freier Wildbahn als ausgestorben galten, wurden wiederentdeckt und 21 Arten, die als kritisch gefährdet geführt wurden, wurden als möglicherweise ausgestorben neu klassifiziert.
Schutz von Rechts wegen
Unterstützt wurde Limas Arbeit im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen. „Das war hinsichtlich der nötigen Reisen, Ausbildung, Networking-Arbeit sowie der anfallenden Lebens- und Institutionskosten von unverzichtbarem Wert“, sagt Lima. „Ich bin im Augenblick arbeitssuchend und habe dadurch die Gelegenheit, meinen Karriereweg freier zu planen, da ich nicht verzweifelt jeder beliebigen Stelle hinterherlaufen muss.“ Die Daten aus dem Projekt THREAT wurden so zusammengestellt, dass sie alle Kriterien erfüllen, die die Weltnaturschutzunion an formelle Bewertungen des Schutzstatus jeder der betrachteten Arten stellt. „Die Zielgruppe dieses Projekts sind die Umweltbehörden Brasiliens“, so Lima. „Wir wollten ihnen so viel Material bieten, wie nur irgend möglich, damit diese Arten von Rechts wegen geschützt werden können.“ Lima merkt auch an, dass die im Rahmen von THREAT entwickelte Software der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden wird: „Wir haben uns im Laufe des Projekts darum bemüht, den entwickelten Programmcode und die Funktionen quelloffen zu gestalten, sodass jeder sie verwenden kann, um die gleichen Bewertungen in anderen Regionen zu erstellen.“ Er fügt hinzu, dass seine Arbeit unterstreicht, wie wichtig fortdauernde Naturschutzmaßnahmen in der Region sind. „Was den Atlantischen Wald in Brasilien angeht – wenn diese Arten verschwinden, werden womöglich viele andere Arten, die sie als Lebensraum oder Nahrung benötigen, ebenfalls aussterben. Das könnte zu erdrutschartigen Verlusten der biologischen Vielfalt führen.“
Schlüsselbegriffe
THREAT, Atlantik, Wald, Baum, Farn, Palme, bedroht, Naturschutz, biologische Vielfalt, Biodiversität, Brasilien, Paraguay