Lernen aus der Vergangenheit: stabilere Ziegel für erdbebensichere Gebäude
Italien mit seinen europaweit eindrucksvollsten antiken Backsteingebäuden ist eine seismisch aktive Region. So war Mittelitalien 2016 und 2017 von zwei verheerenden Erdbeben betroffen. Elena Pérez-Monserrat, Forscherin am Geowissenschaftlichen Institut der Universität Padua untersuchte daher, welche in früheren Jahrhunderten verwendeten Baustoffe und Bauweisen Gebäude erdbebensicher machten. „Ich wollte insbesondere die Herkunft des Tons und alte Herstellungsverfahren für Ziegel erkunden, um das damalige Wissen über die effiziente Nutzung nachhaltiger Rohstoffe in der Ziegelproduktion in die heutige Zeit zu übertragen“, erklärt Pérez-Monserrat. Das durch die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen finanzierte Projekt CLAYONRISK untersuchte zudem, wie antike Bauwerke vor den Folgen des Klimawandels bewahrt werden können und welche Mauerkonstruktionen von der Römerzeit bis in die Renaissance Gebäude widerstandsfähig gegen Erdbeben machten. „Meine Strukturanalysen alter Ziegelgebäude in Padua zeigten, mit welchen Bauelementen diese Langzeitstabilität erreicht wurde.“ Insbesondere die hohen, schlanken Turmkonstruktionen waren laut Pérez-Monserrat eine Herausforderung für die alten Ziegelbrenner. „In der Stadt wüteten immer wieder verheerende Brände – besonders in den Jahren 899 und 1174 – sowie Erdbeben, die 1004 und 1117 die stärksten Schäden in der Stadt anrichteten. Jüngst wurde Padua auch von dem Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen, das 2012 die nahe gelegene Stadt Ferrara erschütterte“, merkt sie an.
Analysen jahrhundertealter Technologien
Das Projekt CLAYONRISK verwendete analytische Methoden, mit denen in der Regel archäologische Keramikfunde analysiert werden. Diese Keramikgefäße wurden mit ähnlichen Verfahren hergestellt wie die alten, gebrannten Ziegel. Deren Zusammensetzung und Textur analysierte Pérez-Monserrat vor allem mit der häufig für chemische Analysen von Baustoffen eingesetzten Röntgenfluoreszenz, Röntgenpulverdiffraktometrie, optischen Polarisationsmikroskopie zur optischen Analyse von Mineralien, Feldemissions-Rasterelektronenmikroskopie sowie einem chemischen Mikroanalyseverfahren, der energiedispersiven Röntgenspektroskopie. Da vor allem Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen, Salz und Frost die Zersetzung gebrannter Ziegel begünstigen, wurde in künstlichen Alterungstests die Widerstandsfähigkeit gegen Feuchtigkeits-/Austrocknungszyklen, Salzablagerungen und Frosteinwirkung geprüft. „Bei den Tests wurden die Ziegel über relativ kurze Zeit mit Substanzen in Kontakt gebracht, die Alterungsprozesse beschleunigen. Dann wurden Porosität und Trocknungszeit der Ziegel und schließlich die Kompressionswirkung auf die Ziegelstruktur analysiert“, erklärt Pérez-Monserrat. Die hervorragende physikalische Stabilität und Haltbarkeit der Steine war vor allem auf die hochdichten Mineralphasen beim Brennen und das im Keramikkörper nach dem Brennen ausgefällte sekundäre Calcit zurückzuführen. Auch die unterschiedlichen Farben vermitteln Aufschluss über die Zusammensetzung, wie in einem von ihr mitverfassten und in der Fachzeitschrift „Minerals“ veröffentlichten Beitrag erklärt wird.
Architektonische Elemente
Das Projekt fand heraus, welche architektonischen Elemente Gebäude erdbebensicherer und stabiler machen. „Dies wurde mit sehr massiven Sockeln aus gewaltigen Trachytquadern erreicht, einem Vulkangestein aus den nahe gelegenen etruskischen Hügeln, sowie sehr dicken Mauern, die sich nach oben hin verjüngen und nicht mehr aus Steinen, sondern aus gebrannten Ziegeln bestehen“, sagt Pérez-Monserrat. „Interessant war auch, dass die Türme in verschiedenen Höhen von Metallbändern umspannt und von innen durch Metallstreben quasi ‚vernäht‘ sind, die dann als metallische Ornamente die Außenfassade zieren.“
Lernen aus der Vergangenheit für künftige Herausforderungen
Die damaligen Verfahren zur Herstellung stabiler Ziegel könnten auch der heutigen Keramikindustrie zugutekommen, z. B. indem die Feuchtigkeit von Ziegeln im Verhältnis zu den Umgebungsbedingungen relativ konstant gehalten wird. Ein ausgewogener Feuchtigkeitsgehalt, so Pérez-Monserrat, hat offenbar einen konservierenden Effekt auf die Ziegel. Vor allem empfiehlt das Projekt, diese alten Ziegel als System innerhalb einer Gesamtstruktur zu betrachten, die ständig mit ihrer Umgebung interagiert. „Die Vergangenheit kann uns also zeigen, wie alte Bauwerke besser erhalten und neue Gebäude widerstandsfähiger gegen Witterungseinflüsse und seismische Aktivitäten gemacht werden können“, schließt Pérez-Monserrat.
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