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Woher wissen wir, dass die Zeit existiert?

Unser ganzes Leben ist von Uhren bestimmt, aber was genau sie messen, ist weniger offensichtlich. Wie können wir das mit Sicherheit sagen? Zeit für ein Gespräch mit unserem Experten Kazuya Koyama.

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Morgens klingelt der Wecker. Sie nehmen den Zug ins Büro. Sie machen Mittagspause. Sie nehmen abends den Zug zurück nach Hause. Sie gehen eine Stunde lang laufen. Essen zu Abend. Gehen ins Bett. Und schon geht alles wieder von vorne los. Geburtstage werden gefeiert, es wird Toten gedacht. Neue Länder entstehen, Imperien steigen auf und fallen. Die gesamte menschliche Existenz unterliegt dem Lauf der Zeit. Aber wir können sie weder sehen noch ertasten. Woher wissen wir daher, dass sie wirklich existiert? „In der Physik reden wir von dem Konzept der ‚absoluten Zeit‘, die zur Beschreibung verschiedener Änderungen in einer Sequenz von Ereignissen verwendet wird“, setzt Koyama an. „Wir beschreiben mit der newtonschen Physik, wie sich Dinge bewegen, und dabei spielt die Zeit eine entscheidende Rolle.“ Bis heute stellt der klassische newtonsche Ansatz in Bezug auf die Zeit – bei dem die Zeit als Konstante des Universums betrachtet wird – recht gut dar, wie Zeit im Alltag erfahren wird. Wir alle erleben die Zeit auf die gleiche Weise und stellen unsere Uhren nach denselben Kriterien, ganz gleich, ob wir in London, Tokio oder Buenos Aires sind.

Ohne Raum keine Zeit

Die Physik hat jedoch festgestellt, dass die Zeit sich auch anders verhalten kann und weitaus weniger konstant ist, als Newton dachte. „Wenn wir von der Zeit reden, müssen wir auch den Raum berücksichtigen – sie treten sozusagen immer im Doppelpack auf“, erklärt er. „Wir können sie nicht voneinander trennen. Dabei bestimmt die Art und Weise, wie ein Objekt sich durch den Raum bewegt, wie es die Zeit erlebt.“ Kurz gesagt hängt Ihr Erleben der Zeit von Ihrer Geschwindigkeit ab, mit der Sie sich beobachtend durch den Raum bewegen. Dies besagt Einsteins spezielle Relativitätstheorie, die den Einfluss der Geschwindigkeit auf Masse, Zeit und Raum beschreibt. Darüber hinaus kann die Schwerkraft eines großen Objekts laut Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie Einfluss darauf haben, wie schnell die Zeit vergeht. Viele Experimente haben dies inzwischen belegt. Die Physik entdeckte sogar, dass schwarze Löcher die Raumzeit in ihrer unmittelbaren Umgebung durch ihre gewaltigen Gravitationsfelder krümmen. Mit Unterstützung des Europäischen Forschungsrats hinterfragt Koyama diese Theorie genauer. „Ein gutes praktisches Beispiel, das leicht verständlich ist, wäre unsere Verwendung von GPS“, fährt Koyama fort. „GPS beruht auf einem Satellitennetzwerk in der Erdumlaufbahn. Diese Satelliten befinden sich in sehr großer Höhe, daher wirkt die Schwerkraft weniger stark auf sie. Aus diesem Grund sollte die Zeit für sie schneller vergehen als für uns auf dem Erdboden, wo die Schwerkraft stärker ist. Die Satelliten kreisen jedoch mit sehr hohen Geschwindigkeiten um die Erde, was im Grunde dazu führt, dass sich die Zeit verlangsamt und der Mangel an Schwerkraft wettgemacht wird.“ Ein Verständnis dieser beiden Effekte und ihrer Wechselwirkung ist unerlässlich, damit das globale GPS-Netzwerk ordnungsgemäß funktioniert. Und eine belastbare Theorie der Zeit, die erklärt, wie Objekte sich bewegen, ist dafür ein wichtiger Bestandteil. Uhren binden uns also keinen Bären auf: Die Zeit existiert unabhängig von unserer eigenen Wahrnehmung.

Könnten wir jemals in der Zeit zurückreisen?

Schließlich mussten wir Koyama, der als Professor für Kosmologie an der Universität Portsmouth tätig ist, natürlich noch fragen, ob Zeitreisen eines Tages möglich sein könnten. „Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber um Zeitreisen theoretisch zu ermöglichen, müssten wir erst eine völlig neue Art von Materie entdecken, die imstande ist, die Krümmung der Zeit und des Raums zu ändern“, so Koyama. „Eine solche Materie müsste Eigenschaften haben, die es in der Natur einfach nicht gibt. In der Physik gehen wir fest davon aus, dass es schlicht unmöglich ist, in die Vergangenheit zu reisen – aber natürlich macht es Spaß, sich das vorzustellen.“ Hier erfahren Sie mehr über Koyamas Forschung: Die allgemeine Relativitätstheorie in Frage stellen

Schlüsselbegriffe

CosTesGrav, Zeit, Raum, allgemeine Relativitätstheorie, spezielle Relativitätstheorie, Schwerkraft, schwarze Löcher, Zeitreisen