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Attenuation Tomography Using Novel observations of Earth's free oscillations

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Seismischer Durchbruch enthüllt die Welt unter uns

Vulkanausbrüche und Erdbeben werden durch Konvektionen tief im Erdmantel verursacht. Durch umfassendere Erkenntnisse zu den Abläufen in großen Tiefen könnten wir sehr viel über die Entwicklung und die Stabilität unseres Planeten erfahren.

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Erdbeben und Vulkanausbrüche erinnern uns heftig daran, dass Ereignisse an der Oberfläche mit Prozessen tief in der Erde verbunden sind. „Der Grund dafür, dass es diese Phänomene gibt, ist, dass sich der Mantel, der sich in der Mitte zum Erdmittelpunkt ausdehnt, bewegt“, erklärt die Koordinatorin des Projekts ATUNE Arwen Deuss von der Universität Utrecht in den Niederlanden. „Wenn wir wissen wollen, warum es an manchen Orten zu großen Vulkanausbrüchen kommt, müssen wir verstehen, was unter uns passiert.“

Messung seismischer Wellen

Um ein Bild davon zu entwickeln, was passiert, ermitteln und messen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Deuss die von Erdbeben erzeugten seismischen Wellen. „Diese Wellen können sich beispielsweise von Neuseeland den ganzen Weg bis nach Europa ausbreiten“, so Deuss. „In Europa werden diese Wellen dann von Seismometern in einem Seismogramm aufgezeichnet”. Deuss beschreibt ihre Arbeit damit, dass dabei eine Art „Hirnscan“ der Erde vorgenommen wird. Das Endergebnis der Abtastung seismischer Wellen bietet ein Bild davon, wie schnell sich die Wellen in der Erde bewegen. Die rote Kennzeichnung dieser Geschwindigkeiten steht für langsam, eine blaue Markierung für schnell. „Wir stellen zunächst fest, ob Wellen schnell oder langsam sind“, ergänzt Deuss. „Dann gehen wir davon aus, dass sich Wellen langsam bewegen, wenn sie durch heißes Material dringen. Möglicherweise ist es jedoch nicht nur die Temperatur, die die Wellengeschwindigkeit beeinflusst“.

Fokus auf Energie

Das ATUNE-Projekt wurde vom Europäischen Forschungsrat unterstützt und war darauf ausgerichtet, unser Wissen über Erdbeben zu erweitern, und zwar durch die Entwicklung eines Verfahrens, mit dem nicht nur gemessen werden kann, ob Wellen schnell oder langsam sind, sondern auch in welchem Umfang sie dabei Energie verlieren – dieser Vorgang wird als Dämpfung bezeichnet. „Ich vergleiche es gerne mit einem Lauf“, sagt Deuss. „Wenn es draußen heiß ist, kann man nicht sehr schnell laufen. Man wird langsamer und verliert auch viel Energie. Das Gleiche passiert bei seismischen Wellen. Die geringe Geschwindigkeit und Energie beim Laufen könnte aber auch auf einen anderen kraftraubenden Faktor zurückzuführen sein, zum Beispiel darauf, dass man auf lockerem Sand läuft – die Temperatur muss nicht zwingend ursächlich sein.“ Deuss wandte komplizierte mathematische Verfahren an, um festzustellen, wo im Mantel seismische Wellen Energie verlieren. Sie nutzte eine Reihe von Hochleistungsrechnern, um mathematische Berechnungen durchzuführen. Dadurch konnte sie ein Modell entwickeln, das für unterschiedliche Bereiche im Mantel anzeigt, wie schnell sich die Energie von einem größeren Erdbebenereignis zerstreut. Dieses Modell sollte Fachleuten für Seismologie zukünftig dabei helfen, ein umfassenderes Bild der komplexen Dynamiken der Erde zu bekommen.

Unerwartete Entdeckungen

Dem Projektteam gelang außerdem eine zusätzliche, unerwartete Entdeckung. Deuss konnte zeigen, dass sich unter Afrika und dem Pazifik, in zwei gewaltigen Regionen des Mantels in der Größe von Kontinenten Energie nur sehr langsam zerstreut. Diese Beobachtung lässt sich damit erklären, dass dort gefundene Mineralkristalle größer sind, was wesentlich zur Stabilisierung beiträgt. Dies hilft zum Beispiel auch zu erklären, warum oberhalb dieser Regionen gefundene Vulkane, wie etwa auf Hawaii, bereits Hunderte Millionen Jahre existieren. „Diese Regionen scheinen als Mantelanker zu fungieren“, merkt Deuss an. „Unser Bild der Plattentektonik könnte sich dadurch ändern.“ Tatsächlich eröffnete diese Entdeckung neue Forschungswege für Deuss. Gemeinsam mit drei Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Geologie, Vulkanologie und Geochronologie arbeitet sie derzeit an einem Projektvorschlag, bei dem es darum geht, besser zu verstehen, wie der Erdmantel sich im Laufe der Zeit verändert. „Als Seismologin kann ich wirklich nur eine Momentaufnahme der heutigen Situation liefern“, erklärt sie. „Wenn wir aber Geschichte und Zeit ergänzen, und mit einbeziehen, was an der Oberfläche passiert, dann sind wir in der Lage, die Entwicklung unseres Planeten besser zu verstehen.“

Schlüsselbegriffe

ATUNE, vulkanisch, Erdbeben, Mantel, seismisch, Seismologe, Seismologin, Energie

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