Tumorplastizität für wirksamere Arzneimittel gegen Brustkrebs bekämpfen
Einer der schwierigsten Aspekte beim Verständnis von Krebs ist seine Heterogenität. Tumorzellen unterscheiden sich selbst innerhalb ein und desselben Tumors deutlich in Bezug auf ihr Mutationsprofil, ihre Proliferationsrate, ihre Invasionsfähigkeit und ihr Metastasierungspotenzial. Diese Heterogenität erschwert die Behandlung, da jede Tumorzelle ein anderes Risiko birgt und unterschiedlich auf den Angriff reagieren kann. Bei Brustkrebs werden einige der ursprünglich epithelialen Tumorzellen (aus der Epithelschicht der Brustdrüse) zunehmend aggressiv – diese Veränderung wird als „Plastizität“ bezeichnet. Da diese Plastizität die Heterogenität von Tumoren begünstigt, könnte die Bestimmung der zugrundeliegenden molekularen Mechanismen zu wirksameren Therapien führen, da sie die Resistenz der Krebszellen hemmen könnten. Im Rahmen des über die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen(öffnet in neuem Fenster) unterstützten Projekts EPICAN wurde ein mutiertes Gen – ein Onkogen – namens PIK3CA(H1047R)(öffnet in neuem Fenster) als Schlüssel zur Plastizität von Tumorzellen festgestellt. „Es handelt sich um eine wichtige Erkenntnis, denn der PI3K-Signalweg, einer der wichtigsten Signalwege innerhalb einer Zelle, steuert bekanntermaßen die Zellproliferation, das Überleben und den Stoffwechsel, aber sein Einfluss auf die Zellplastizität war bisher übersehen worden“, sagt Projektkoordinator Charly Jehanno. Neben der Charakterisierung der Profile verschiedener Tumorzellen identifizierte das Team eine Reihe von epigenetischen Regulatoren, die von der onkogenen Aktivierung des PI3K-Signalwegs abhängen, was Arzneimitteln, die auf das PIK3CA(H1047R)-Onkogen abzielen, einen Schub verleihen könnte.
Erfassung der Heterogenität
Die verschiedenen Aspekte der Heterogenität und ihre möglichen Auswirkungen auf die Behandlung zu charakterisieren, stellt seit langem eine Herausforderung für die Krebsforschungsgemeinschaft dar. Das Team untersuchte die Auswirkungen des PIK3CA(H1047R)-Onkogens in der Brustdrüse von transgenen Mäusen, indem es das CREERT2/Lox-System(öffnet in neuem Fenster) zur Expression des PIK3CA(H1047R)-Onkogens im Epithel der Brustdrüse verwendete. Das Onkogen ist mit einem fluoreszierenden Tracer fusioniert, wodurch die Tumorzellen von den normalen Zellen unterschieden und nachverfolgt werden können. Die verschiedenen Populationen wurden dann sortiert und mit einem Multi-Omik-Ansatz profiliert. Dazu gehörten RNA-Seq(öffnet in neuem Fenster) zur Bestimmung ihres transkriptomischen Profils, proteomische und phospho-proteomische Analysen(öffnet in neuem Fenster) zur Bestimmung ihres Proteingehalts und ATAC-Sequenzierung(öffnet in neuem Fenster) zur Bestimmung ihrer epigenetischen Eigenschaften. „Mit diesen Datensätzen habe ich die verschiedenen Krebszellpopulationen verglichen, um Mechanismen zu finden, die Heterogenität erzeugen“, fügt Jehanno vom Universitätsspital Basel(öffnet in neuem Fenster), dem Projektträger, hinzu.
Abfrage eines Ersatzmodell
Jehanno entwickelte ein 3D-Organoid-Modell von Brustepithelzellen, die in einer Matrix gezüchtet wurden, mit und ohne das PIK3CA(H1047R)-Onkogen. So konnte Jehanno neben dem Screening von Arzneimitteln auch Ex-vivo-Beobachtungen und funktionelle Experimente durchführen. Da es sich bei epigenetischen Regulatoren um Proteine handelt, deren Enzymaktivität die Zellproliferation und Zellplastizität steuert, bieten sie vielversprechende Ziele für therapeutische Arzneimittel. „Wie bei einer polizeilichen Untersuchung habe ich die Verdächtigen anhand der Beweise identifiziert – in diesem Fall molekulare Zielmoleküle mit medikamentöser Aktivität – und sie dann durch Arzneimitteltests befragt“, erklärt Jehanno. „Ich habe mehrere epigenetische Zielregulatoren bestimmt, deren Modifikationen und Aktivität durch das PIK3CA(H1047R)-Onkogen kontrolliert werden, was auf eine Rolle für die Plastizität von Tumorzellen und damit auf ein therapeutisches Ziel hinweist.“
Hemmung von Regulatoren prüfen
Im Jahr 2020 erteilte die Europäische Arzneimittel-Agentur(öffnet in neuem Fenster) die Genehmigung für die Verbreitung des ersten zielgerichteten Brustkrebsmedikaments Piqray(öffnet in neuem Fenster), das gegen den PI3K-Signalweg wirkt. Das Arzneimittel wurde nach Abschluss der SOLAR-1-Studie(öffnet in neuem Fenster) im Jahr 2019 konzipiert und bietet echte Hoffnung für Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs. Da Krebszellen jedoch häufig Resistenzmechanismen gegen zielgerichtete Therapien entwickeln, ist es nach wie vor entscheidend, die dafür verantwortlichen molekularen Mechanismen zu ermitteln. Da die Veröffentlichung der EPICAN-Ergebnisse noch aussteht, sollen vorrangig Arzneimittel getestet werden, die die identifizierten epigenetischen Regulatoren hemmen, und zwar in Kombination mit Piqray, um festzustellen, ob dadurch die Zellplastizität verringert und Tumorzellen eliminiert werden. Die Arbeiten werden an präklinischen Brustkrebsmodellen mit und ohne Mutation des PI3KCA-Gens durchgeführt.
Schlüsselbegriffe
EPICAN, Krebs, Organoid, Onkogen, Plastizität, Epigenetik, PI3K-Signalweg, Heterogenität, Medikamente, Tumor, Zellen