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Medical Treatments in Medieval Leprosaria. Exploring Healing Remedies through Dental Calculus Analysis

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Antiker Zahnstein gibt Aufschluss über die Leprabehandlung im Mittelalter

MEDICAL untersucht erstmals den Zahnstein von Leprakranken aus dem Mittelalter und liefert Einblicke in deren Behandlung, die auf Durchdachtheit und Behutsamkeit schließen lassen, Eigenschaften, die nicht immer mit dieser Zeit in Verbindung gebracht werden.

Über die Archäologie der mittelalterlichen Leprakrankenhäuser und ihre Behandlungsmethoden ist nur wenig bekannt, was zum Teil auf die mangelhafte archivarische Überlieferung zurückzuführen ist. Das EU-finanzierte Projekt MEDICAL(öffnet in neuem Fenster), das im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen(öffnet in neuem Fenster) durchgeführt wird, leistet Pionierarbeit, indem es den menschlichen Zahnstein(öffnet in neuem Fenster) analysiert. „Diese mineralisierte Matrize bietet einen außergewöhnlichen Fundus an organischen und anorganischen Stoffen – wie Pflanzen, Mineralien und tierischen Rückständen – von denen einige möglicherweise zur Behandlung der mittelalterlichen Lepra eingesetzt wurden“, erklärt die Marie-Skłodowska-Curie-Wissenschaftlerin Elena Fiorin. Das Team fand bei einigen Personen Spuren von Ingwer und Quecksilber. Ingwer wird seit langem in der Medizin verwendet – wie sein wissenschaftlicher Name Zingiber officinalis vermuten lässt – und wird tatsächlich in historischen Quellen als Mittel zur Behandlung von Lepra erwähnt. Quecksilber wurde in Kombination mit anderen Mineralien bekanntlich zur Überdeckung von Hautunreinheiten und als schmerzlindernde Salbe verwendet, sodass es bei der Behandlung von Lepra, bei der die Haut stark in Mitleidenschaft gezogen wird, durchaus Sinn ergeben würde. „Unsere Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Medizingeschichte und geben Aufschluss über das Leben der Leprakranken im Mittelalter“, sagt Forschungsleiterin Emanuela Cristiani von der Universität Sapienza in Rom, die das Projekt betreut.

Die Geheimnisse antiken Zahnsteins

Dank der Zusammenarbeit mit der Universität Durham, Vereinigtes Königreich, und dem Centre Michel de Boüard, Craham(öffnet in neuem Fenster) (Website auf Französisch), Frankreich, hatte Fiorin die Möglichkeit, den Zahnstein von Zähnen zu untersuchen, die aus den Friedhöfen der mittelalterlichen Leprosorien von St. Leonard's(öffnet in neuem Fenster), Peterborough, England, und Saint-Thomas d'Aizier(öffnet in neuem Fenster), Frankreich, ausgegraben wurden. „Dies sind zwei außergewöhnliche Lepra-Friedhöfe, die vor einigen Jahren in großem Umfang freigelegt wurden“, fügt Fiorin hinzu. Der Zahnstein ist eine Ablagerung von mineralisiertem Zahnbelag, der sich auf den Zähnen bildet. Während des Mineralisierungsprozesses können Fragmente von Nahrungsmitteln (pflanzliche und tierische Rückstände), biomolekulare Verbindungen sowie chemische Elemente im Mund eingeschlossen werden und in der mineralischen Grundstruktur des Zahnsteines verbleiben. Diese mikroskopischen Rückstände bleiben oft über Jahrtausende hinweg unverändert. „Antiker Zahnstein ist eine unvergleichliche Quelle biografischer Informationen über Ernährung, Gesundheit, Lebensbedingungen und sogar vergangene soziale und berufliche Gepflogenheiten. In den letzten Jahren hat er auch Einblicke in frühere Heil- und Arzneimittel geliefert“, merkt Fiorin an. Der Zahnstein wurde mit Hilfe von Polarisationsmikroskopie(öffnet in neuem Fenster) und chemischen Analyseverfahren wie Massenspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma(öffnet in neuem Fenster) und Atomfluoreszenzspektrometrie(öffnet in neuem Fenster) ausgewertet. Die Polarisationsmikroskopie zeigte das Vorhandensein von Ingwer bei einigen Individuen aus dem mittelalterlichen englischen Friedhof St. Leonard's, Peterborough, England. Belege für die Verwendung von Ingwer zur Behandlung von Lepra sind bekannt. So schlug Constantinus Africanus(öffnet in neuem Fenster), ein berühmter Arzt aus dem 11. Jahrhundert nach Christus, die Zubereitung oraler Behandlungen mit Ingwer und anderen Kräutern vor, um die durch Lepra ausgelösten Magenschmerzen zu lindern. Auch die Analyse zum Nachweis und zur Messung der Quecksilberkonzentration ergab höhere Werte bei Personen, die in Leprosorien lebten, im Vergleich zur Kontrollpopulation des Projekts – denjenigen, die auf einem typischen (nicht von Lepra betroffenen) Friedhof ausgegraben wurden. „Dank der Vrije Universität Brüssel (VUB)(öffnet in neuem Fenster) sind wir besonders stolz darauf, dass wir das Potenzial chemischer Verfahren für die Untersuchung der Konzentrationen toxischer Schwermetalle in winzigen Fragmenten historischen menschlichen Zahnsteins demonstrieren konnten“, berichtet Fiorin.

Das Mittelalter in einem neuen Licht

Die Ergebnisse von MEDICAL deuten darauf hin, dass das Risiko einer Ansteckung und die Möglichkeiten zu deren Vermeidung im Mittelalter sehr wohl bekannt waren. „Anstatt die Erkrankten einfach zu stigmatisieren, deuten die Beweise darauf hin, dass man sich um diese kümmerte, was eine beschämende Lektion in Sachen Menschlichkeit wäre, die uns hilft, unsere mittelalterlichen Vorfahren neu zu würdigen“, schließt Fiorin. Im Rahmen des SAPIExcellence-Programms(öffnet in neuem Fenster) wird das Team seine Forschung mit einer dritten Fallstudie aus dem Leprosorium von Sint-Jan in Ypern, Belgien, fortsetzen. Außerdem wird das Team seine chemische Analysemethode weiterentwickeln und Zahnstein einer modernen Bevölkerung untersuchen.

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