Europäische Spallationsquelle: Spaltung von Atomkernen – Integration der Neutronenforschung
Neutronen, die durch Spallation erzeugt werden (wenn Atomkerne mit sehr hochenergetischen Partikeln beschossen werden und ‚zerfallen‘), können als hochaussagekräftige Sonden dienen. In der Wissenschaft bieten sie Möglichkeiten für Materialanalysen, die mit anderen Verfahren nicht möglich sind, und für die EU sind sie ein wesentliches Instrument, um sich den großen Herausforderungen in Bereichen wie Klimawandel, Energieversorgung, Medizin und Quantencomputing stellen zu können. Schwerpunkt des EU-finanzierten Projekts BrightnESS-2, das auf dem Vorläuferprojekt BrightnESS aufbaute, war der Bau der weltweit leistungsstärksten Neutronenquelle, der Europäischen Spallationsquelle (ESS). BrightnESS-2 fokussiert sich auf die langfristige Nachhaltigkeit der ESS sowie die Stärkung und Konsolidierung der breiteren europäischen Forschungslandschaft in der Neutronenforschung.
Konsolidierung der Neutronenforschung
Einer der zahlreichen Erfolge von BrightnESS-2 war die Veröffentlichung der ‚Common Roadmap and Implementation Strategy for Future Neutron Capability‘ (Gemeinsamer Fahrplan und Umsetzungsstrategie für die künftige Neutronenforschung). Jimmy Binderup Andersen, Leiter Zuschüsse ad interim bei der ESS und Koordinator von BrightnESS-2 nach Projektende, erklärt hierzu: „Natürlich engagierte man sich im Projektumfeld von BrightnESS-2 in dem neu gegründeten Neutronenquellenkonsortium (League of Advanced European Neutron Sources, LENS), um die europäische Vision für die Neutronenforschung voranzubringen.“ Als Ergebnis dieser Zusammenarbeit wurde aus dem gemeinsamen Fahrplan des Projekts das LENS-Strategiepapier mit dem Titel ‚Neutron Science in Europe: Strengthening World-Class Research and Innovation Delivering Economic and Societal Impact‘. Dabei ging die Wirkung von BrightnESS-2 über die ursprünglichen Projektziele hinaus. So dient der von der Projektgruppe erstellte technische Innovationskatalog, der Innovationen bei ESS nach technischen Bereichen listet, anderen Forschenden als Leitfaden zu Projektergebnissen, um deren potenzielle Wirkung zu maximieren. Der Bericht zur sozioökonomischen Wirkung ist beispielgebend für andere Forschungsinfrastrukturen und eine Vorlage u. a. für Organisationen wie das ERIC-Konsortium (Konsortium für eine europäische Forschungsinfrastruktur). Schließlich „haben wir durch unsere Forschung und Unterstützung zur Etablierung eines Neutronen-Qualitätslabels für Neutronenstreuungsinstrumente eine wichtige Referenz für die Neutronenforschung und Messung beigetragen“, ergänzt Andersen.
Logistische Optimierung zur Stärkung der europäischen Neutronenforschung
Ein weiteres, eher zufälliges Resultat von BrightnESS-2 ist die Ausgründung von RI.Logistica, eine auf Forschungsinfrastrukturen spezialisierte Logistikorganisation. Auftakt dafür war eine Konferenz zu logistischen Herausforderungen von Forschungsinfrastrukturen, die BrightnESS-2 mit 230 Fachleuten aus mehr als 30 Ländern organisiert hatte. Neben der ESS zählen zu den Gründungsmitgliedern der Forschungsinfrastruktur die Kernforschungsorganisation CERN, die Forschungsanlage XFEL (European X-Ray Free-Electron Laser Facility) und der Internationale Thermonukleare Versuchsreaktor ITER. CERN, XFEL und ITER sind die international führenden Spitzenforschungsinstitute in ihrem jeweiligen Forschungsgebiet. Die Organisation wird die Forschungsinfrastrukturen bei der Optimierung der internen Logistik unterstützen und hierfür bewährte Praktiken aus der Industrie zugrundelegen. Gleich, ob es um den Transport hochempfindlicher Impfstoffe oder grenzüberschreitende Transporte technischer Großgeräte geht – Forschungsinfrastrukturen minimieren den logistischen Aufwand, sodass der Fokus auf der wissenschaftlichen Forschung liegen kann. „Mit RI.Logistica könnten wir die Logistik für Forschungsinfrastrukturen weltweit optimieren“, fügt Andersen hinzu.
Weiterer Betrieb der ESS und Stärkung der internationalen Neutronenforschung
Das Konsortium führte die umfangreichen Erfahrungen und das Wissen aus der breiteren Neutronenforschung in maßgeschneiderten Berichten, Leitlinien, Empfehlungen, Zielstrategien u. a. zusammen, um die ESS weiterzuentwickeln. Zudem unterstützte BrightnESS-2 die Vernetzung von Forschungseinrichtungen, die mit Neutronen arbeiten, und stärkte die Stellung Europas im globalen Forschungsumfeld. Wie Andersen zusammenfasst, „brachte BrightnESS-2 die europäischen Interessengruppen in der Neutronenforschung näher zusammen. Die aufstrebende Forschungslandschaft in der Neutronenforschung nutzt bereits Kooperationen und Netzwerke, damit jetzt und künftig die Vorteile der ESS genutzt und deren wissenschaftliches Potenzial realisiert werden können.“
Schlüsselbegriffe
BrightnESS-2, Neutron, ESS, Neutronenforschung, Logistik, RI.Logistica, Europäische Spallationsquelle, Forschungsinfrastruktur, Neutronen-Qualitätslabel