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Controlling earthQuakes

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Die seismische Aktivität durch Flüssigkeitsinjektionen regulieren

In einem bahnbrechenden Projekt wurde gezeigt, dass es theoretisch möglich ist, Erdbeben zu verhindern, indem Flüssigkeit in die Erdkruste injiziert wird.

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Am 6. Februar 2023 sind bei einem Erdbeben mit Magnitude 7,8 in der Türkei und Syrien mehr als 55 000 Menschen ums Leben gekommen. Erdbeben sind vernichtende Erschütterungen, durch die etwa die Hälfte aller Todesfälle durch Naturkatastrophen verursacht werden. Sie führen meist zu verheerenden wirtschaftlichen Schäden. Die Erdbebenvorhersage ist extrem schwierig, da sie häufig plötzlich auftreten und tief im Erdinneren entstehen. Die Forschenden des Projekts CoQuake, das über den Europäischen Forschungsrat finanziert wurde, verfolgten einen anderen Ansatz und versuchten, Erdbeben zu kontrollieren und so abzuschwächen. „Über CoQuake sollte hauptsächlich geprüft werden, ob Erdbeben reguliert werden können – das ist eine schwierige wissenschaftliche Frage mit weitreichenden Auswirkungen für die Wissenschaft und die Menschheit“, sagt Ioannis Stefanou, ein Professor an der Centrale Nantes in Frankreich und Projektkoordinator von CoQuake. Der Ansatz von CoQuake war, die plötzliche Freisetzung seismischer Energie zu verhindern, sodass keine katastrophalen Erdbeben auftreten und Leben gerettet werden. Die Forschenden konnten zeigen, dass das mit einer geeigneten Injektion von Flüssigkeiten (wie Wasser) in die Erdkruste möglich ist. Dadurch verändert sich die Bodenbeschaffenheit und auch die Reibung entlang reifer seismischer Verwerfungen. „Anders ausgedrückt haben wir gezeigt, dass kontrolliertes aseismisches Rutschen ausgelöst werden kann, indem Flüssigkeiten in die Erdkruste injiziert werden“, erklärt Stefanou. „Durch diese Entdeckung öffnen sich neue Forschungswege und eine Idee, die in die Welt des Science Fiction gehörte, wird zu einer wissenschaftlichen Tatsache.“

Von theoretischer Erdbebenforschung zum Grundsatzbeweis

Im CoQuake-Projekt wurden theoretische, numerische und experimentelle Arbeiten erledigt. In einem ersten Schritt wurde theoretisch geprüft, ob Erdbeben verhindert werden können. Das Team verwendete dafür die mathematische Kontrolltheorie, bei der das gewünschte Ziel über Systemrückkopplungen erreicht wird. Zusätzlich wurden neue Versuchsaufbauten konzipiert und aufgestellt, um erdbebenartige Instabilitäten im Labor nachzubilden und diese zu regulieren. „Bei dieser Arbeit sind neue theoretische Erkenntnisse aufgekommen, die in der Mechanik breitere Anwendung finden können“, ergänzt Stefanou. Erwähnenswert ist zum Beispiel die Entwicklung künstlicher neuronaler Netze auf thermodynamischer Grundlage (TANN, Thermodynamics-based Artificial Neural Network), mit denen unelastische Materialien skalenübergreifend nachgebildet und die Reibungseigenschaften von Erdbebenverwerfungen eingehend analysiert werden können. Bei den Laborexperimenten von CoQuake wurde anhand einer einzigen, reifen Erdbebenlinie erfolgreich nachgewiesen, dass Erdbeben verhindert werden können. Aus CoQuake sind verschiedene Innovationen in unterschiedlichen Bereichen hervorgegangen, darunter eine wegweisende Kombination der Kontrolltheorie mit Erdbebenmechanik und die Möglichkeit, Erdbebenzonen ohne eingehende geologische Daten zu stabilisieren und zu kontrollieren. Das Team hat auch aus Sand gesteinsartige Proben 3D-gedruckt und so eine Brücke zwischen Werkstofftechnik und Mechanik, Geomechanik, Bauingenieurwesen, Geophysik und Geologie geschlagen. „Die Proben waren wichtig, um die erdbebenartigen Instabilitäten bei unseren Experimenten zu erzeugen und so das Verhalten echter seismischer Verwerfungen im Labor nachzubilden“, berichtet Stefanou.

Verbreitung in der Wissenschaftsgemeinde und Unterstützung der Klimaforschung

Die Ergebnisse aus CoQuake können in verschiedenen Wissenschaftsgemeinden genutzt werden. „Das Konzept der Erdbebenkontrolle über strikte mathematische Instrumente wird in neue Anwendungen in der Erdbebenmechanik und der Mechanik allgemein einfließen“, sagt Stefanou. Im Angesicht der Klimakrise können zahlreiche Technologien entwickelt werden, um erneuerbare Energiequellen und -speicherung unter der Erde auszuschöpfen. Dies wird derzeit jedoch durch menschgemachte seismische Aktivität verhindert. Das Erkenntnisse aus CoQuake werden in ein neues EU-finanziertes Projekt einfließen, INJECT, in dem erforscht wird, wie die induzierte Seismizität mit der Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energie unter der Erde in Einklang gebracht werden kann. „Abhängig von den Ergebnissen dieses neuen Projekts könnte es einfacher werden, vor Ort einzugreifen und große verheerende Erdbeben in Zukunft praktisch zu regulieren“, schließt Stefanou.

Schlüsselbegriffe

CoQuake, Erdbeben, seismisch, Aktivität, Rutschen, wissenschaftlich, Gemeinschaft, Klima, Forschung, induziert, theoretisch

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